TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/29 90/11/0155

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Veröffentlicht am 29.01.1991
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2;
StGB §215;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 12. Juni 1990, Zl. Ib-277-11/90, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 12. Juni 1990 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B für die Dauer von 9 Monaten (ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 11. Jänner 1990 am 16. Jänner 1990) entzogen und zugleich gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer "für dieselbe Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

    Die belangte Behörde ist bei Erlassung des angefochtenen

Bescheides von der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit des

Beschwerdeführers im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967

ausgegangen. Dabei legte sie ihrer Entscheidung ein näher

bezeichnetes Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom

28. September 1989 zugrunde, mit dem der Beschwerdeführer wegen

des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215

StGB rechtskräftig verurteilt worden ist, weil er in der Zeit

zwischen Anfang Mai und 10. Juli 1989 in Hard und Bregenz im

gemeinsamen Zusammenwirken mit einer weiteren Beschuldigten als

Mittäter eine näher genannte Person weiblichen Geschlechts der

gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt habe, "indem sie ihr

zuredeten, die Prostitution auszuüben, ihr gegenüber das

angeblich schöne Leben und die hohen Einkünfte einer

Prostituierten anpriesen, ihr ein Zimmer im Haus in Hard ......

als sogenannte Absteige zur Verfügung stellten und ihr einen

bestimmten Standplatz am sogenannten Straßenstrich an

der .......... straße zuwiesen und ihr genaue Anweisungen

bezüglich der für bestimmte Unzuchtshandlungen zu verlangenden Preise, der Verwahrung des von den sogenannten Freiern eingenommenen Bargeldes und ihres Verhaltens bei Gendarmeriekontrollen gaben". In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, daß sie im Hinblick auf die gerichtliche Feststellung der Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Tat dadurch, daß er die Lebensunerfahrenheit seines Opfers verwerflich ausgenützt habe, und im Hinblick auf den für eine solche strafbare Handlung vorgesehenen Strafrahmen bis zu zwei Jahren dieses Vergehen als eine Tat betrachte, die an Bedeutung und Gewicht den im Kraftfahrgesetz (§ 66 Abs. 2) demonstrativ aufgezählten Straftaten gleichkomme. Aus dem Gerichtsakt ergebe sich, daß der Beschwerdeführer seit ca. 14 Jahren "im Prostitutionsmilieu" tätig sei und daraus sein Einkommen beziehe. Er sei zwar bisher gerichtlich unbescholten; die belangte Behörde könne aber "in Anbetracht der langjährigen Zugehörigkeit zum Milieu" nicht ausschließen, daß sich der Beschwerdeführer auch in Zukunft infolge der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, weiterer schwerer ähnlicher strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Der Beschwerdeführer habe aber bekundet, daß er sein bisheriges Leben aufgeben und in seinen erlernten Beruf als Kaufmann zurückkehren wolle. Aus diesem Grunde sei die von der Erstbehörde mit 18 Monaten festgesetzte Zeit gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 auf 9 Monate herabgesetzt worden, sodaß es ihm nun möglich sei, seine bekundete Absicht auch zu verwirklichen.

Eine strafbare Handlung gemäß § 215 StGB ist im § 66 Abs. 2 KFG 1967, insbesondere dessen lit. b (in der nur die §§ 201 bis 207 StGB genannt sind), nicht angeführt. Die belangte Behörde hat aber an sich richtig erkannt, daß es sich hiebei nur um eine demonstrative Aufzählung handelt und daher auch andere strafbare Handlungen, sofern sie an Bedeutung und Gewicht im Hinblick auf die nach Abs. 1 daraus zu erschließende Sinnesart diesen ausdrücklich angeführten Straftaten etwa gleichkommen, ebenfalls als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 gelten (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1983, Slg. Nr. 11103/A, und vom 4. Oktober 1988, Zl. 88/11/0082). Dem Beschwerdevorbringen läßt sich auch die Auffassung des Beschwerdeführers entnehmen, daß sein strafbares Verhalten, dessentwegen er verurteilt worden sei, keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 darstelle. Er ist damit im Recht, hat doch die belangte Behörde keine Umstände aufgezeigt, die die gegenteilige Annahme rechtfertigen, und sind solche auch aus der Aktenlage nicht zu erkennen. Daß der Beschwerdeführer die Lebensunerfahrenheit seines Opfers ausgenützt hat, läßt seine Tat sicherlich in einem noch ungünstigeren Licht erscheinen, bedeutet aber nicht, daß damit eine Gleichwertigkeit zu den (im § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 genannten Tatbeständen der) §§ 201 bis 207 StGB hergestellt wäre und bei Wertung dieser Tat ein für den Beschwerdeführer nachteiliger Zusammenhang mit seiner zu beurteilenden Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen bestünde. Der letztgenannte Gesichtspunkt allein ist ausschlaggebend, sodaß es auch nicht auf strafrechtliche Kriterien der Tat, wie dies allgemein in Ansehung ihres Unrechtsgehaltes in dem im Gesetz vorgesehenen Strafrahmen und konkret bei der Strafbemessung (im vorliegenden Beschwerdefall durch die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten unbedingt) zum Ausdruck kommt, ankommt. Auch wenn der Beschwerdeführer - was er gar nicht in Abrede stellt - "seit ca. 14 Jahren im Prostitutionsmilieu tätig ist und daraus sein Einkommen bezieht", ist die von der belangten Behörde getroffene Annahme im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 nicht zutreffend. Der Beschwerdeführer ist nach der Aktenlage in diesem Zusammenhang bisher nur ein einziges Mal straffällig geworden, wobei dieser strafbaren Handlung (nach § 215 StGB) weder ihrem Tatbild noch der sich aus der Tat ergebenden Sinnesart nach gleiche Bedeutung bzw. gleiches Gewicht im dargelegten Sinne beizumessen ist. Dies gilt ebenso hinsichtlich des von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift gebrauchten Argumentes, daß "das Begehen eines solchen Deliktes typischerweise mit einem Kraftfahrzeug erleichtert ist" und sich ein solches Delikt "unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges leichter begehen läßt als ohne". Der vorliegende Beschwerdefall ist im Ergebnis rechtlich nicht anders zu beurteilen als jener, der mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 4. Oktober 1988, Zl. 88/11/0082, erledigt wurde und dem das Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB - worin ein qualifizierter Fall der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht gelegen ist (siehe Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, Rz 13 zu § 215 StGB) - zugrundelag.

Der angefochtene Bescheid war somit, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Beilagen lediglich eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (mit den darauf entfallenden Stempelgebühren von S 60,--) erforderlich war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990110155.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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