TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/5 90/05/0166

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Veröffentlicht am 05.02.1991
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Index

L82000 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BauRallg;
VVG §1;
VVG §10;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Stadt Linz gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. August 1990, Zl. BauR-010439/1-1990 See/Pe, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. April 1988 hatte der Magistrat Linz den Miteigentümern des Hauses X-Straße 23 baupolizeiliche Aufträge erteilt. Während der Miteigentümer M gegen diesen Bescheid Berufung erhob, ließ die Mitbeteiligte des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als Miteigentümerin den erstinstanzlichen Bescheid unangefochten.

Mit Berufungsbescheid vom 30. Juni 1988 änderte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz den erstinstanzlichen Bescheid in seinem Punkt 1 dahingehend ab, daß anstelle des Umbaues eines Teiles der Kanalanlage eine flüssigkeitsdichte Instandsetzung vorgeschrieben wurde. Dieser Bescheid wurde der Mitbeteiligten zunächst nicht zugestellt. Gegen diesen Berufungsbescheid erhob M an die OÖ Landesregierung Vorstellung, welche mit Bescheid vom 31. August 1988 abgewiesen wurde.

Nach einer Androhung der Ersatzvornahme ordnete der Magistrat Linz mit 6. Juli 1989 die Ersatzvornahme an und erließ gleichzeitig einen Kostenvorauszahlungsauftrag. Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab die OÖ Landesregierung mit Bescheid vom 11. Jänner 1990 Folge und behob die erstinstanzliche Erledigung mit der Begründung, daß der Berufungsbescheid vom 30. Juni 1988 ihr gegenüber mangels Erlassung nicht rechtswirksam geworden ist.

Sodann wurde der Berufungsbescheid vom 30. Juni 1988 der Mitbeteiligten zugestellt. Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Vorstellung gab die OÖ Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 3. August 1990 Folge. Sie behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit der Begründung, daß mit der Zustellung des Berufungsbescheides ein vom erstinstanzlichen Bescheid abweichender Instandsetzungsauftrag erteilt worden sei. Da mit dem erstinstanzlichen Auftrag über die Angelegenheit der Beschwerdeführerin gegenüber bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei, entbehre der neuerliche und zudem noch vom Instandsetzungsauftrag der Baubehörde erster Instanz "völlig abweichende Auftrag" durch die Berufungsbehörde jeder Rechtsgrundlage. Ein derartiger Auftrag könnte nur auf Grund eines neu durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch die Erstbehörde erlassen werden und sei insofern auch rechtswidrig, weil dadurch jedenfalls das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ganz allgemein behauptet, die Berufungsbehörde habe durch die Änderung des erstinstanzlichen Bescheides ohne jede Rechtsgrundlage einen völlig abweichenden Auftrag erteilt. Diese Auffassung bekämpft die Beschwerdeführerin zu Recht. Nach § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern nicht eine Aufhebung nach Abs. 2 in Betracht kommt und die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung hin abzuändern. Im Beschwerdefall war die Berufungsbehörde auf Grund der Berufung eines Miteigentümers verpflichtet, die erstinstanzlichen Bauaufträge auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Auf Grund des § 66 Abs. 4 AVG war sie in diesem Zusammenhang berechtigt, einen erstinstanzlichen Auftrag auch abzuändern und neu zu formulieren, sofern es sich noch um dieselbe Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG gehandelt hat. Im konkreten Fall bezweckte der erstinstanzliche Auftrag die flüssigkeitsdichte Herstellung eines Teiles der Kanalanlage des Hauses, es lag ihm also eine Zielsetzung zugrunde, wie sie auch durch die Neuformulierung des Berufungsbescheides zum Ausdruck gebracht wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, aus welchen Überlegungen die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides der Meinung sein konnte, die Berufungsbehörde habe ohne jede Rechtsgrundlage einen vom erstinstanzlichen Auftrag völlig abweichenden Auftrag erteilt. Diese Auffassung ist umso unverständlicher, als die belangte Behörde, wie in der Sachverhaltsdarstellung aufgezeigt worden ist, seinerzeit die Vorstellung gegen den abändernden Berufungsbescheid abgewiesen hat. Der Verwaltungsgerichtshof teilt im übrigen auch die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß dann, wenn einem Miteigentümer gegenüber ein erstinstanzlicher Auftrag abgeändert worden ist, eine Vollstreckung des erstinstanzlichen Auftrages auch nicht mehr gegenüber demjenigen Miteigentümer zulässig ist, dem gegenüber seinerzeit der erstinstanzliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Es wäre daher Aufgabe der Berufungsbehörde gewesen, im Falle der beabsichtigten Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Mitbeteiligte schon dem Berufungsverfahren beizuziehen und ihr entsprechend Parteiengehör zu gewähren.

Im Beschwerdefall ist die Mitbeteiligte durch diesen Verfahrensmangel nicht in Rechten verletzt worden, bedeutet doch der neu formulierte Auftrag der Berufungsbehörde ein Minus gegenüber dem erstinstanzlichen Auftrag.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Soweit die Mitbeteiligte in ihrer Zuschrift vom 17. Oktober 1990 dem Verwaltungsgerichtshof mitteilte, daß sie ihren Miteigentumsanteil an den anderen Miteigentümer verkauft hat, bedeutet dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht, daß nunmehr der andere Miteigentümer an ihrer Stelle dem Verfahren beizuziehen ist, weil sie selbst ausführt, daß der Kauf grundbücherlich noch nicht durchgeführt ist. Die Mitbeteiligte wurde daher zu Recht dem Verfahren beigezogen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990050166.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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