TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/13 90/01/0222

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Veröffentlicht am 13.02.1991
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/01/0223

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde 1. der GN, 2. der mj. TN und 3. des mj. NN gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1990, Zlen. 4.289.539/2-III/13/90 und 4.289.540/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, türkische Staatsangehörige kurdischer Nationalität, reisten am 4. Jänner 1990 in das Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag Anträge auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 10. Jänner 1990 gab die Erstbeschwerdeführerin an, ihr Gatte sei in der linksgerichteten Gewerkschaft der Textilarbeiter tätig gewesen und deshalb im Jahre 1980 nach dem Militärputsch zu einer Haftstrafe im Ausmaß von 18 Monaten verurteilt worden, welche er in der Folge zur Gänze verbüßt habe. Wegen dieser Verurteilung hätten dann weder die Erstbeschwerdeführerin noch ihr Gatte entsprechende Arbeit gefunden. Letzterer habe vor etwa sechs Monaten die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder (die Zweit- und Drittbeschwerdeführer) verlassen. Durch Unterstützung ihrer Mutter sei es der Erstbeschwerdeführerin gelungen, ihre Kinder zu ernähren. Sie habe in der Zeitung gelesen, daß Österreich Flüchtlingen aus der Türkei Asyl gewähre und sei deshalb in das Bundesgebiet eingereist, um hier zu bleiben und ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Der Drittbeschwerdeführer gab bei seiner am selben Tag vorgenommenen Befragung an, er habe keiner politischen Organisation angehört und habe keine persönlichen Fluchtgründe, sondern sei lediglich mit der Erstbeschwerdeführerin als seiner erziehungsberechtigten Mutter in das Bundesgebiet eingereist.

Mit zwei Bescheiden vom 5. März 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland fest, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge seien.

In den gegen diese Bescheide erhobenen gleichlautenden Berufungen brachten die Beschwerdeführer vor, sie seien in der Türkei Opfer politischer Verfolgung und könnten daher nicht mehr in diesen Staat zurück.

Mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge und bestätigte die erstinstanzlichen Bescheide. In den Bescheidbegründungen wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben der Beschwerdeführer zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bei den Beschwerdeführern nicht vorlägen. Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor der Behörde erster Instanz, in denen sie ihre Arbeitslosigkeit auf die Verurteilung ihres Gatten zurückgeführt habe, könnten ebensowenig wie ihre Berufungsausführungen über eine behauptete aber nicht konkretisierte politische Verfolgung ihre Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen. Die erstmals in der Berufung gemachten Angaben des Drittbeschwerdeführers über erlittene Verfolgung seien unglaubwürdig, weil sie von seinen Angaben vor der Behörde erster Instanz abwichen, Asylwerber aber erfahrungsgemäß gerade bei ihrer ersten Befragung der Wahrheit am nächsten kommende Angaben machten.

Gegen diese Bescheide richten sich die beiden gleichlautenden, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit ihrem Vorbringen ausreichend auseinanderzusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat als Gründe für ihre Furcht vor Verfolgung die Verurteilung ihres Ehegatten im Jahre 1980 und die ihrer Meinung nach darauf zurückzuführenden Schwierigkeiten, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, angeführt. Die in ihrer Berufung enthaltene Behauptung, Opfer politischer Verfolgung gewesen zu sein, ist in keiner Weise näher konkretisiert. Gleiches gilt für die Ausführungen des Drittbeschwerdeführers, der bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung ausdrücklich das Vorliegen von Fluchtgründen verneint hat. Bei dieser Sachlage ist die belangte Behörde aber zu Recht davon ausgegangen, daß insgesamt von den Beschwerdeführern weder Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention noch begründete Furcht vor solcher Verfolgung glaubhaft gemacht werden konnte. Denn einerseits liegt die Verurteilung des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin im Verhältnis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise schon zu lange zurück, um unmittelbare Furcht vor Verfolgung begründen zu können, andererseits stellen Schwierigkeiten bei der Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes, noch dazu in einem Land, das schon seit langem eine hohe Arbeitslosenrate und einen hohen Anteil an im Ausland Erwerbstätigen aufweist, ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte keine Verfolgung dar.

Soweit in den Beschwerden an Hand von Beispielen versucht wird, die Lage der kurdischen Minderheit in der Türkei darzustellen, ist dem zu entgegnen, daß aus diesen Beispielen keine dem Erfolg der Beschwerden dienlichen Schlußfolgerungen ableitbar sind, weil es den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren nicht gelungen ist, konkrete Verfolgungen im Sinne der Flüchtlingskonvention oder Furcht vor Verfolgung aus den dort genannten Gründen glaubhaft zu machen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990010222.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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