TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/14 90/16/0195

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Veröffentlicht am 14.02.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/02 Familienrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §7;
EheG §55a Abs2;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3 litb;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 20. Juli 1990, Zl. 60.096-6/90, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatten die Beschwerdeführerin und ihr inzwischen von ihr geschiedener Ehegatte mit Eigentumswohnungsvertrag vom 10. November 1986 je zur Hälfte die Ansprüche auf Übereignung der zum Erwerb des Wohnungseigentums an den von der X-WohnbauGmbH zu errichtenden Eigentumswohnung Nr. 22 und des Autoeinstellplatzes Nr. 22 erforderlichen Anteile an der Liegenschaft EZ 1003 II KG Z um einen Kaufpreis von 1,999.050 S erworben. In der zugehörigen Abgabenerklärung vom 11. November 1986 war Grunderwerbsteuerbefreiung nach "§ 4 1, 3b" beantragt worden. Dieser Rechtsvorgang war zunächst unbesteuert geblieben.

Vor der Begründung von Wohnungseigentum an der streitverfangenen Wohnung war die Ehe der Beschwerdeführerin mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 30. Juli 1987 gemäß § 55a EheG im beiderseitigen Einvernehmen geschieden und in dem am gleichen Tage abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich vereinbart worden, daß die Beschwerdeführerin ihr "Hälfteeigentum" an der streitverfangenen Wohnung an ihren geschiedenen Ehegatten abtrete.

Darauf setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck mit Bescheid vom 6. April 1989 gegenüber der Beschwerdeführerin Grunderwerbsteuer in der Höhe von 37.029 S fest, weil der begünstigte Zweck des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 nach § 4 Abs. 2 leg. cit. durch Weitergabe ihres Hälfteanteiles an der streitverfangenen Wohnung vor Begründung von Wohnungseigentum nicht erfüllt worden sei.

Die Finanzlandesdirektion für Tirol als Abgabenbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. Juli 1990 der Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie die Annahme, die beschriebene Scheidungsaufteilung stelle eine (befreiungsschädliche) Aufgabe des begünstigten Zwecks iSd § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 dar, als rechtswidrig bezeichnete, keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens ausgeführt, nach den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1990, Zl. 89/16/0209, werde durch die Abtretung des Übereignungsanspruches vor Begründung von Wohnungseigentum der begünstigte Zweck aufgegeben. Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführerin ihren Anteil an der Eigentumswohnung vor Begründung von Wohnungseigentum abgetreten habe. Gemäß § 4 Abs. 2 vierter Satz GrEStG 1955 gelten Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten, wodurch gleichteiliges Eigentum der Ehegatten an Wohnstätten im Sinne des Abs. 1 Z. 1 bis 3 begründet werde, nicht als Aufgabe des begünstigten Zweckes, wenn der erwerbende Ehegatte den begünstigten Zweck innerhalb von acht Jahren, gerechnet vom Erwerb des übertragenden Ehegatten, erfülle. Durch diese Gesetzesbestimmung sei die Auflösung von gleichteiligem Eigentum der Ehegatten an einer Eigentumswohnung im Zuge der Scheidung eindeutig nicht begünstigt. Bereits aus diesem Grunde sei das Berufungsbegehren als unbegründet abzuweisen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 1981, Zl. 1227/80, Slg. Nr. 5603/F, wäre es schwer verständlich, so führte die belangte Behörde im Zusammenhang abschließend aus, wenn auch dann eine Erfüllung des begünstigten Zweckes anzunehmen wäre, wenn ein geschiedener Ehegatte nach der Übertragung des Hälfteanteiles an der Wohnung infolge der Scheidung diese Wohnung nicht mehr bewohne. Eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 4 Abs. 2 vierter Satz GrEStG 1955 erscheine im Falle der Scheidung und der damit verbundenen Aufgabe der gemeinsamen Wohnung nicht vertretbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird, vor.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in dem Recht verletzt, daß auf ihren Fall die Regelung des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 über die Nachversteuerung wegen Aufgabe des begünstigten Zwecks richtig angewendet und ihr Grunderwerbsteuer nicht vorgeschrieben werde. Sie trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit im Einklang mit ihrem Vorbringen im Administrativverfahren im wesentlichen vor, Zweck der Befreiungsbestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 bis 3 GrEStG 1955 sei die Begünstigung der Schaffung von Wohnraum gewesen. Der Zweck der Bestimmung des § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG sei gewesen, eine mißbräuchliche Inanspruchnahme dieser Befreiungsbestimmungen zu verhindern und die Erfüllung des begünstigten Zwecks sicherzustellen. Der Gesetzeswortlaut lasse durchaus eine diese Zweckvorstellungen berücksichtigende Interpretation zu, wonach die Eigentumsübertragung als Mittel der Aufteilung iSd

§§ 81 ff EheG keine Aufgabe des begünstigten Zwecks darstelle.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen stillschweigend und auf Grund des § 12 Abs. 2 erster Satz des Grunderwerbsteuergesetzes 1987, BGBl. Nr. 309, zutreffend davon aus, daß im Beschwerdefall noch die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140, anzuwenden sind.

Gemäß dem § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 unterlagen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke bezogen, ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründete, der Grunderwerbsteuer. Nach dem § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 idF des Art. I Z. 3 des Abschnittes VIII des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557, war beim Wohnungseigentum der erste Erwerb eines Anteiles eines Grundstückes, auf dem eine in lit. a genannte Vereinigung oder ein gemeinnütziger Bauträger ein Wohnhaus geschaffen oder zu schaffen hatte, durch eine Person, die den Grundstücksanteil zur Begründung von Wohnungseigentum erwarb, von der Besteuerung ausgenommen.

Auf Grund des § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1955 in der Fassung des Art. I Z. 4 des obzitierten Abschnittes unterlagen u. a. die im Abs. 1 Z. 3 lit. b bezeichneten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden war.

Gemäß § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG 1955 in der zuletzt zitierten Fassung unterlagen u.a. die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 bezeichneten Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wurde.

Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten, wodurch gleichteiliges Eigentum der Ehegatten an Wohnstätten im Sinne des Abs. 1 Z. 1 bis 3 begründet wurde, galten nach dem vierten Satz der zuletzt zitierten Gesetzesstelle nicht als Aufgabe des begünstigten Zweckes, wenn der erwerbende Ehegatte den begünstigten Zweck innerhalb von acht Jahren, gerechnet vom Erwerb des übertragenden Ehegatten, erfüllte.

Die dargestellte Rechtslage wird von den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Zweifel gezogen. Auch der von der belangten Behörde als erwiesen angenommene und durch die Aktenlage gedeckte Sachverhalt, daß von der Beschwerdeführerin ihr Hälfteübereignungsanspruch an der streitverfangenen Eigentumswohnung v o r Begründung des Wohnungseigentums im Zuge der scheidungsbedingten Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse an ihren geschiedenen Ehegatten abgetreten wurde, wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. In Streit steht allein die Frage, ob die solcherart erfolgte Abtretung des Übereignungsanspruches vor Begründung von Wohnungseigentum rechtens unter die Bestimmung des § 4 Abs. 2 dritter Satz GrEStG 1955 subsumiert werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war es für die Entstehung der Steuerschuld nach § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 unerheblich, aus welchen Gründen der begünstigte Zweck nicht erfüllt wurde (siehe die bei Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, § 4 Rz 137 dargestellte umfangreiche Judiktur).

Die Scheidung der Beschwerdeführerin nach § 55a EheG und der gerichtliche Vergleich, den die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrem Verfahren auf Scheidung über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens, ehelicher Ersparnisse und Schulden sowie der Abgeltung von Unterhaltsansprüchen abgeschlossen hatte, und damit auch die Abtretung ihres Übereignungsanspruches vor Begründung von Wohnungseigentum sind auf einen freien Willensentschluß der beiden Ehegatten zurückzuführen.

Solcherart vermochte der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe im Beschwerdefalle den begünstigten Zweck des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. b GrEStG 1955 iSd § 4 Abs. 2 dritter Satz leg. cit. durch die Vereinbarung nach § 55a Abs. 2 EheG aufgegeben, weil sie nicht vorher Wohnungseigentum begründet hatte (vgl. im Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1990, Zl. 89/16/0209), nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da der Gesetzgeber im vierten Satz des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 ausdrücklich den Begriff "Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten" und nicht den im dritten Satz dieser Bestimmung verwendeten Rechtsterminus des "Erwerbsvorganges" iSd § 1 Abs. 1 leg. cit. wählte, war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, daß die begünstigende Vorschrift des § 4 Abs. 2 vierter Satz GrEStG 1955 im Beschwerdefall, in dem keine "Eigentumsübertragung" an einem Grundstück zwischen den beiden Ehegatten stattfand, nicht zum Tragen kommt. Überdies sollte ja NICHT GLEICHTEILIGES Eigentum der Ehegatten, sondern ALLEINeigentum eines von ihnen begründet werden. Wo das Gesetz zu erkennen gibt, daß eine bestimmte Rechtswirkung ausschließlich dem gesetzlich umschriebenen Tatbestand zukommen soll, ist die Ergänzung durch Analogie rechtens unzulässig. Mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verkennt die Beschwerdeführerin, daß der Gesetzgeber verschiedene Rechtsbereiche unterschiedlich regeln kann und daß nicht alle für sinnvoll empfundenen Normen im Wege der Analogie zum Inhalt vergleichbarer Rechtsbereiche gemacht werden können.

Die behauptete Rechtsverletzung liegt somit nicht vor. Dies führte gemäß dem § 42 Abs. 1 VwGG zur Abweisung der demnach unbegründeten Beschwerde. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990160195.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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