TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/18 90/19/0535

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Veröffentlicht am 18.02.1991
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65004 Jagd Wild Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
JagdG OÖ 1964 §39 Abs1 lita;
JagdG OÖ 1964 §40;
JagdRallg;
VwGG §47 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §48 Abs3 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. Oktober 1990, Zl. Agrar-480054/3-I/Vie-1990, betreffend Entziehung der Jagdkarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 12. Juli 1988 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 40 des O.ö. Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 32/1964 in der Fassung der O.ö. Jagdgesetznovelle 1988, LGBl. Nr. 13, (JG) in Anwendung des § 57 Abs. 1 AVG 1950 die am 28. Juni 1988 ausgestellte Jagdkarte entzogen. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer laut Meldung des Gendarmeriepostenkommandos Eggelsberg am 30. Mai 1988 um 23.00 Uhr im alkoholisierten Zustand den Gendarmerieposten telefonisch darüber informiert, daß vermeintlich fremde Personen in seinem Haus seien und er von der Schußwaffe Gebrauch machen werde. Nach Eintreffen des Gendarmeriebeamten habe er tatsächlich eine Schußwaffe im Anschlag gehabt und diese erst nach Erkennen des einschreitenden Beamten zur Seite gegeben. Darüber hinaus habe er die in seinem Besitz befindlichen Faustfeuerwaffen in einem unversperrten Nachtkästchen so mangelhaft bewahrt, daß diese von seiner Schwester hätten entnommen werden können. Da dieses Verhalten befürchten lasse, daß der Beschwerdeführer die öffentliche Sicherheit gefährden könnte und somit der Verweigerungsgrund nach § 39 Abs. 1 JG vorliege, sei die Jagdkarte zu entziehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Vorstellung. In dem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren holte die Behörde unter anderem ein amtsärztliches Sachverständigengutachten ein. Danach finde sich bei der klinischen Untersuchung eine Vergrößerung der Leber sowie ein pathologischer neurologischer Befund, insbesondere unsichere Gleichgewichtsproben. Die Laboruntersuchungen zeigten eine starke Erhöhung der Leberfunktionsproben, insbesondere auch der alkoholspezifischen Parameter. Diese Erhöhung der Leberfunktionsparameter sei als Ausdruck einer Leberschädigung auf toxisch-nutritiver Basis zu beurteilen. Zusätzlich habe die Ultraschalluntersuchung der Leber deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer Hepatopathie ergeben. In Anbetracht der erhobenen Befunde sei zusammenfassend zu sagen, daß beim Beschwerdeführer ein chronischer Alkoholabusus mit Leberschädigung und neurogenen Schäden vorliege. Mit Bescheid vom 10. März 1989 sprach die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn aus, daß der vom Beschwerdeführer eingebrachten Vorstellung keine Folge gegeben und ihm die Jagdkarte entzogen werde. In der Begründung stützte sich die Behörde auf das erwähnte amtsärztliche Gutachten. Alkoholmißbrauch sei als Mangel im Sinne des § 39 Abs. 1 lit. a JG, ein Jagdgewehr sicher zu führen, anzusehen und rechtfertige für sich allein schon den Entzug der Jagdkarte, zumal der Besitz einer Jagdkarte den Inhaber gleichzeitig zum Führen von Jagdwaffen in der Öffentlichkeit berechtige.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge gegeben. Nach der Begründung sei im Rahmen des Berufungsverfahrens vom medizinischen Amtssachverständigen unter Zugrundelegung des erstinstanzlichen Gutachtens sowie des Untersuchungsergebnisses vom 20. September 1989 am 25. September 1989 das nachstehende Gutachten erstellt worden:

"Bei N. liegt Alkoholmißbrauch vor, der bereits zu körperlichen Schäden geführt hat. Der festgestellte Leberschaden kann natürlich auch andere Ursachen haben, zumal auch die GOT und GPT massiv erhöht sind. Bei Alkoholismus ist in der Regel Gamma-GT der höchste Wert. Unbestritten ist aber die Tatsache, daß Alkoholmißbrauch das Leberleiden sicherlich vorangetrieben hat, bzw. die Hauptursache für dieses ist. Es sind auch bereits diskrete neurologische Symptome für den Alkoholkonsum erkennbar. Psychisch jedoch erscheint N. völlig unauffällig, von Selbstmordäußerungen distanziert er sich. Er wirkt ruhig, situationsangepaßt.

Sein Alkoholkonsum entspringt offensichtlich nicht einer psychischen Labilität, sondern 'es schmeckt halt das Bier zum Essen besser als ein Sodawasser.'

Er ist erstaunt, daß sein zu den Mahlzeiten genossener Alkohol, der immerhin 2 Liter täglich ausmachtÜ, bereits zu solchen körperlichen Schäden geführt hat.

Zusammenfassend ist also zu sagen, daß Alkoholmißbrauch mit körperlichen Folgen vorliegt, psychisch derzeit jedoch keinerlei Auffälligkeiten bestehen."

Auf Grund des beim Beschwerdeführer festgestellten Alkoholmißbrauches sei von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit Bescheid vom 10. März 1989 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986 ein Waffenverbot verhängt worden, welches von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 19. Juli 1989 in zweiter Instanz bestätigt worden sei. Auf Grund objektiver Befunde könne beim Beschwerdeführer von einem gewohnheitsmäßigen Mißbrauch von Alkohol ausgegangen werden, der bereits zu einer Schädigung der Leber und des Nervensystems geführt habe. Beim Vorfall vom 30. Mai 1988 sei der Beschwerdeführer in einer übersteigerten und rational wenig faßbaren Reaktion bereit gewesen, in alkoholisiertem Zustand die Schußwaffe gegen vermeintliche Einbrecher zu richten. Dieses Verhalten zeige eindeutig, daß im Zusammenhang mit dem festgestellten Alkoholmißbrauch nicht nur die leichtfertige, sondern sogar die mißbräuchliche Verwendung einer Waffe nicht ausgeschlossen werden könne und der Beschwerdeführer auch künftig in Zusammenhang mit übersteigerten Reaktionen ein Verhalten an den Tag legen könne, das die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit besorgen lasse. Die belangte Behörde schließe sich daher der Meinung der Erstbehörde an, wonach Alkoholmißbrauch als Mangel im Sinne des § 39 Abs. 1 lit. a JG anzusehen sei, der für sich allein schon einen Entzug der Jagdkarte rechtfertige. Zudem müsse festgehalten werden, daß dem Berufungswerber infolge des verhängten Waffenverbotes die Ausübung der Jagd ohnedies nicht möglich sei. Ein von der Waffenbehörde gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1986 ausgesprochenes Waffenverbot stelle jedenfalls auch einen Verweigerungsgrund nach § 39 Abs. 1 lit. a JG dar, "da der diese Maßnahme rechtfertigende Tatbestand (Gefährdung der öffentlichen Sicherheit) identisch ist".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 40 JG ist die Jagdkarte zu entziehen, wenn bei einem Inhaber einer Jagdkarte der ursprüngliche und noch fortdauernde Mangel einer der Voraussetzungen des § 38 nachträglich zum Vorschein kommt oder eine dieser Voraussetzungen nachträglich wegfällt. Gemäß § 38 Abs. 1 lit. d JG ist Voraussetzung für die Erlangung einer Jagdkarte der Nachweis, daß kein Verweigerungsgrund im Sinne des § 39 vorliegt. § 39 Abs. 1 lit. a JG sieht vor, daß die Ausstellung der Jagdkarte Personen zu verweigern ist, die wegen geistiger oder körperlicher Mängel unfähig sind, ein Jagdgewehr sicher zu führen oder deren bisheriges Verhalten besorgen läßt, daß sie die öffentliche Sicherheit gefährden werden.

Was das von der belangten Behörde als Verweigerungsgrund nach der letztgenannten Gesetzesbestimmung angesehene, gegen den Beschwerdeführer verhängte Waffenverbot anlangt, so räumt die belangte Behörde in der Gegenschrift ein, daß der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Juli 1989 im Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1990, Zl. 89/01/0337, aufgehoben war. Soweit sich die belangte Behörde daher auf diesen im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden Bescheid stützt, geht ihre Argumentation ins Leere. Ob einem gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986 verhängten Waffenverbot überhaupt Präjudizialität für die Frage der Entziehung einer Jagdkarte gemäß § 40 JG zukommen kann, braucht bei dieser Sachlage nicht mehr untersucht zu werden.

Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, wenn er geltend macht, daß das amtsärztliche Gutachten vom 25. September 1989 keine Aussage darüber enthält, daß er wegen der bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Mängel unfähig sei, ein Jagdgewehr sicher zu führen. Der beim Beschwerdeführer festgestellte Alkoholmißbrauch mit Leberschäden und diskreten neurologischen Symptomen läßt für sich allein entgegen der Ansicht der belangten Behörde noch keine verläßlichen Schlüsse in dieser Richtung zu, zumal nach dem Gutachten psychisch derzeit keinerlei Auffälligkeiten bestehen. Die Frage, welche Schlüsse aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in bezug auf seine Fähigkeit, ein Jagdgewehr sicher zu führen, gezogen werden könnten, wäre beim gegebenen Sachverhalt - ausschließlich - von einem Sachverständigen zu klären gewesen, wobei die Einholung eines neurologischen oder psychiatrischen Fachgutachtens zweckmäßig erschiene.

Der belangten Behörde kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie aus dem Verhalten des Beschwerdeführers beim Vorfall vom 30. Mai 1988 im Zusammenhang mit dem festgestellten Alkoholmißbrauch die Gefahr einer nicht nur leichtfertigen, sondern sogar mißbräuchlichen Verwendung einer Waffe und damit die Besorgnis einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ableiten will. In dieser Hinsicht ist - wie schon in dem angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1990, Zl. 89/01/0337, dargelegt wurde - vor allem von Bedeutung, daß der Beschwerdeführer beim Ansichtigwerden des Gendarmeriebeamten die Waffe abgesetzt hat.

Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Stempelgebührenersatz für die Vollmacht konnte nur in Ansehung EINES Rechtsanwaltes zuerkannt werden (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 682).

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztJagdkarte EntzugBeschwerdeführer AnwaltszwangSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190535.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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