TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/18 90/19/0544

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Veröffentlicht am 18.02.1991
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2 impl;
AZG §1;
AZG §14;
AZG §16;
AZG §17;
AZG §28;
FahrtbV §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. September 1990, Zl. Ge-44.149/4-1990/Pan/Dg, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 18. September 1990 wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin schuldig erkannt, "als persönlich haftende Gesellschafterin und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1950) der Firma G. KG in L., L-Straße, nicht dafür Sorge getragen (zu haben)", daß der Arbeitnehmer Anton L. a) die höchstzulässigen Einsatzzeiten von 14 Stunden beachtet bzw. eingehalten habe (diese seien an bestimmt bezeichneten Tagen jeweils in einem näher bezeichneten Ausmaß überschritten worden), b) die höchstzulässigen Lenkzeiten von 8 Stunden beachtet bzw. eingehalten habe (diese seien an bestimmt bezeichneten Tagen jeweils in einem näher bezeichneten Ausmaß überschritten worden); außerdem wurde sie schuldig erkannt c) dem genannten Lenker nicht die erforderlichen Anleitungen zur Führung der Fahrtenbücher gegeben zu haben, da über Aufforderung des Arbeitsinspektorates keine Fahrtenbücher bzw. Fahrtenbuchdurchschriften vorgelegt hätten werden können. Über die Beschwerdeführerin wurden deshalb wegen der Übertretungen zu a) nach § 16 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969 (AZG), zu b) nach § 14 AZG, zu c) nach § 17 AZG iVm § 4 der Fahrtenbuchverordnung, BGBl. Nr. 461/1975, gemäß § 28 AZG Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 6.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils sechs Tagen) verhängt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde - soweit hier von Belang - folgendes aus: Die Beschwerdeführerin habe die Verwirklichung der objektiven Tatseite nicht bestritten, sondern (nur) ihre mangelnde Verantwortlichkeit für die gegenständlichen Übertretungen darzulegen versucht. Sie habe in ihrer Äußerung vom 18. Jänner 1990 bestätigt, daß der genannte LKW-Lenker bei der

"G. KG" in L. beschäftigt sei. Damit sei diese Gesellschaft Arbeitgeberin i.S. des § 28 AZG; sie habe für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen zu sorgen. Die "G. KG" in L. habe ihre Lenker für Transporte der "G. KG" in K. (Bundesrepublik Deutschland) zur Verfügung gestellt. Dieses Zuverfügungstellen von Arbeitskräften sei jedoch - mangels einer entsprechenden Gewerbeberechtigung - keine Arbeitskräfteüberlassung, weshalb die "diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen" auch nicht heranzuziehen seien. Die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen bleibe demnach bei der "G. KG" in L. als Arbeitgeber des Lenkers. Damit sei die Verantwortlichkeit für die Übertretungen als erwiesen anzusehen, da die Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen die persönlich haftende Gesellschafterin der "G. KG" in L. und damit gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes "zuständig" sei. Da die Beschwerdeführerin weder behauptet noch dargetan habe, daß sie einen verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1950 oder einen Bevollmächtigten i.S. des § 28 AZG bestellt habe, treffe sie die alleinige Verantwortung; daß sie solche Maßnahmen getroffen habe, die mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erwarten ließen, sei von ihr weder behauptet noch glaubhaft gemacht worden. Es sei somit auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und begehrt wird, aus diesen Gründen den bekämpften Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit der belangten Behörde ist davon auszugehen, daß im Verwaltungsstrafverfahren seitens der Beschwerdeführerin die von den Behörden beider Rechtsstufen als erwiesen angesehene Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der spruchmäßig angelasteten Übertretungen unbestritten geblieben ist. Dies gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Der Verwaltungsgerichtshof vermag insoweit von sich aus keine die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin beeinträchtigende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen.

2.1. Die Beschwerde hält den bekämpften Bescheid - in Ansehung der gleichfalls als verwirklicht angesehenen subjektiven Tatseite - aus folgenden Gründen für inhaltlich rechtswidrig: Der Lenker Anton L. - dessen Arbeitgeber i.S. des § 28 AZG sei die G. KG in L. - sei im Tatzeitraum der G. KG in K. mit einem (dem Kennzeichen nach bestimmten) LKW zur Verfügung gestellt worden, und zwar auf der Basis eines Lohnfuhrvertrages. Dessen rechtlicher Charakter bestehe darin, daß die G. KG in L. der G. KG in K. (die zueinander im Verhältnis von Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft stünden) ein bemanntes Fahrzeug zur beliebigen Ladung und Fahrt zur Verfügung stelle, wobei alle Weisungen, Dispositionen und Anordnungen von der G. KG in K. ausgingen. Die G. KG in L. habe daher keineswegs Lenker als Arbeitskräfte überlassen, sondern einen - mündlichen - Lohnfuhrvertrag geschlossen, der als Vertrag sui generis nicht den Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes unterliege. Die vom Lenker Anton L. erbrachte Leistung, nämlich der Transport, sei mit einem LKW der G. KG in L. erbracht worden; allerdings sei aufgrund des Lohnfuhrvertrages allein die G. KG K. berechtigt (und auch verpflichtet), Fahrzeug und Lenker zu disponieren, Aufträge zu erteilen und somit das bemannte Fahrzeug in Eigenverantwortlichkeit einzusetzen. Die Beschwerdeführerin habe daher auf die Art und Weise des Einsatzes, die Fahrtstrecke, die Fahrtzeiten und dergleichen keinerlei Einfluß nehmen können und sei demnach nicht mehr verantwortlich gewesen "im Sinne der sie im Rahmen der Firma G. KG treffenden Verpflichtungen".

2.2. Vorerst sei im Blick auf die (vorstehend nicht wiedergegebenen) eventualiter für den Fall vorgetragenen Beschwerdeausführungen, daß man der Rechtsansicht der belangten Behörde folge, wonach es sich bei der Zurverfügungstellung des Lenkers Anton L. um eine Arbeitskräfteüberlassung handle, festgehalten, daß für den Gerichtshof kein Anlaß besteht, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen, da die belangte Behörde - wie der Sachverhaltsdarstellung unter I.1. zu entnehmen ist - diese ihr von der Beschwerdeführerin zugedachte Rechtsansicht nicht vertreten hat.

Mit ihrer Argumentation, die Beschwerdeführerin treffe aufgrund des Vorliegens eines von der G. KG in L. mit der G. KG in K. geschlossenen sogenannten Lohnfuhrvertrages keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften durch die G. KG in L., verkennt die Beschwerde die Rechtslage. Wenngleich die von der Beschwerdeführerin gegebene Charakterisierung eines Lohnfuhrvertrages - ein solcher liegt vor, wenn der Unternehmer ein bemanntes Fahrzeug zu beliebiger Ladung und Fahrt nach Weisung des Auftraggebers zur Verfügung zu stellen hat (vgl. OGH 16. September 1980, 2 Ob 514/80 = ZfVR 1981, 44 ff) - durchaus zutrifft, ist damit für sie im Beschwerdefall nichts zu gewinnen. Denn die durch einen solchen Vertrag für den Auftraggeber geschaffene Dispositionsbefugnis über Lenker und Fahrzeug ändert nichts daran, daß zwischen dem Auftraggeber und den ihm vertraglich zur Verfügung gestellten Lenkern keine (arbeits)vertraglichen Rechtsbeziehungen bestehen. Mit dem Abschluß eines Lohnfuhrvertrages wird demnach der Auftraggeber nicht zum Arbeitgeber der ihm zur Verfügung gestellten Lenker. Auf den Beschwerdefall bezogen heißt dies, daß ungeachtet des von der G. KG in L. mit der G. KG in K. abgeschlossenen Lohnfuhrvertrages und der daraus resultierenden Dispositionsbefugnis der zuletzt genannten Gesellschaft über den Einsatz des Lenkers Anton L. (und des mit ihm zur Verfügung gestellten Fahrzeuges) die Arbeitgebereigenschaft der G. KG in L. in bezug auf diesen Lenker aufrecht blieb. Damit aber traf die G. KG in L. weiterhin die Fürsorgepflicht. Diese gebot ihr, dafür zu sorgen, daß die zum Schutz ihres Arbeitnehmers Anton L. notwendigen Maßnahmen (wozu auch solche des Arbeitszeitschutzes zählen) auch während dessen Auslandseinsatzes beachtet und eingehalten werden. Sofern es hiezu der Mitwirkung der G. KG in K. bedurfte, hatte die G. KG in L. in Ausführung ihrer Fürsorgepflicht entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit ihrer deutschen Tochtergesellschaft zu treffen, um solcherart die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Bestimmungen sicherzustellen. Die zu den Tatzeiten bestandene rechtliche Eigenschaft der G. KG in L. als Arbeitgeberin des Anton L. - diese Arbeitgebereigenschaft wird im übrigen in der Beschwerde ausdrücklich bejaht - und die sich daraus für sie ergebenden, eben dargestellten Verpflichtungen zugrunde gelegt, kann die Ansicht der belangten Behörde, es sei die Beschwerdeführerin als persönlich haftende Gesellschafterin der G. KG in L. - die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten oder eines Bevollmächtigten wurde von der Beschwerdeführerin nie auch nur behauptet - für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften im Grunde des § 9 Abs. 1 VStG 1950 verantwortlich, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Da es sich bei den inkriminierten Übertretungen um Ungehorsamsdelikte handelt, greift die im § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 verankerte widerlegbare Schuldvermutung zu Lasten des Täters Platz: Dieser hat von sich aus sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsstrafverfahren weder Tatsachenvorbringen erstattet noch Beweismittel angeboten, die geeignet gewesen wären glaubhaft zu machen, daß sie entsprechende (der durch den Abschluß eines Lohnfuhrvertrages speziell gekennzeichneten Situation angepaßte) Maßnahmen ergriffen habe, von denen mit gutem Grund erwartet werden könne, sie würden die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften sicherstellen.

Damit ist die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, es treffe die Beschwerdeführerin an den ihr angelasteten Übertretungen ein Verschulden (in Form der Fahrlässigkeit). Die Auffassung der belangten Behörde, es sei auch die subjektive Tatseite verwirklicht, ist demnach zutreffend. Die in der Beschwerde behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt sohin nicht vor.

3. Bei diesem Ergebnis ist der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, von der Beschwerdeführerin angebotene Zeugen "zur Klärung der Frage des Lohnfuhrvertrages und der Art bzw. des Umfanges der Arbeitskräfteüberlassung" zu vernehmen, der Boden entzogen.

4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190544.X00

Im RIS seit

18.02.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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