TE Vfgh Erkenntnis 1988/6/22 B633/87

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Veröffentlicht am 22.06.1988
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Index

27 Rechtspflege
27/03 Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GGG 1984 TP10 I, litb, litc, litd
GGG 1984 §1 Abs1

Leitsatz

Abstufungen innerhalb des die Abgeltung für die Inanspruchnahme der Gerichte regelnden Gebührensystems zulässig; bei Erhöhung des Kapitals der inländischen Niederlassung Anknüpfen an das erhöhte Kapital des ganzen Unternehmens - auch der ausländischen Hauptniederlassung - nicht unsachlich;

Spruch

Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die bf. Gesellschaft ist eine juristische Person mit dem Sitz im Ausland und einer Zweigniederlassung in Österreich.

Mit Eingabe vom 7. November 1986 teilte die bf. Gesellschaft dem Landesgericht Feldkirch mit, daß der bisherige inländische Repräsentant ausgeschieden sei, ein neuer Repräsentant bestellt sowie das Stammkapital um DM 20 Millionen erhöht worden sei. Für diese Eintragungen im Handelsregister hat der Kostenbeamte des Landesgerichtes Feldkirch insgesamt einen Betrag von S 633.612,-- (S 632.232,-- für Kapitalerhöhung, S 1.360,-- für Änderung der Prokura und Geschäftsführung und S 20,-- Einhebungsgebühr) vorgeschrieben.

Dem gegen diese Vorschreibung (und zwar nur bezüglich des Betrages von S 632.232,-- für Kapitalerhöhung) eingebrachten Berichtigungsantrag hat der Präsident des Landesgerichtes Feldkirch mit Bescheid vom 12. Mai 1987 keine Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die bf. Gesellschaft vor allem wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Im angefochtenen Bescheid wird die Vorschreibung des Betrages von S 632.232,-- auf die Tarifpost 10 I. litc des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), BGBl. 501/1984, gestützt und damit begründet, es handle sich bei diesem Betrag um 4,5 v.T. von der Kapitalerhöhung im Ausmaß von DM 20 Millionen, umgerechnet zum Kurs am Tage der Vorschreibung. Die bel. Beh. verweist im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf Kostner (Gesellschaft mit beschränkter Haftung3, S. 123, richtig: S. 173) darauf, daß die erste inländische Niederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch registerrechtlich so behandelt werde, als ob sie eine Hauptniederlassung wäre. Darüberhinaus sei eine einschränkende Auslegung der Tarifpost 10 I. litc GGG (etwa auf inländische Niederlassungen einer Kapitalgesellschaft) schon deshalb ausgeschlossen, weil das Gerichtsgebührenrecht an formale äußere Tatbestände anknüpfe (Hinweis auf VwSlg. 4515F/1973).

2. Der Abschnitt I. der Tarifpost 10 GGG hat folgenden Wortlaut:

"Tarif-    Gegenstand               Maßstab für die    Höhe der

post                                Gebührenbemessung  Gebühren

10           D. Registersachen

        I. Handelsregister

        Pauschalgebühren für

        folgende Eintragungen:

        a) Eintragungen der

           Firma:

        1. bei Einzelkaufleuten,                           480 S

        2. bei offenen Handels-                            880 S

           gesellschaften und Kom-

           manditgesellschaften,

        3. bei Aktiengesellschaften, vom Stamm(Grund)     5,5 vT

           Gesellschaften mit be-    kapital oder

           schränkter Haftung, Ver-  Gründungsfonds

           sicherungsvereinen auf

           Gegenseitigkeit,

        4. in den Fällen, bei                            1 080 S

           denen auf Grund ge-

           setzlicher Vor-

           schriften Eintragungen

           in das Handelsregister

           vorzunehmen sind und

           die nicht unter Z1

           bis 3 fallen;

        b) Errichtung von Zweigniederlassungen:

        1. bei Einzelkaufleuten,                           280 S

        2. bei offenen Handelsge-                          480 S

           sellschaften und Kom-

           manditgesellschaften,

        3. bei Aktiengesellschaften                      2 580 S

           und Gesellschaften mit

           beschränkter Haftung,

        4. bei den nach lita Z4                            580 S

           eingetragenen Firmen;

        c) Erhöhung des              von der Kapital-     4,5 vT

           Stamm(Grund)kapitals bei  erhöhung

           Aktiengesellschaften,

           Gesellschaften mit be-

           schränkter Haftung so-

           wie des Gründungsfonds

           bei Versicherungsver-

           einen auf Gegen-

           seitigkeit;

        d) Änderungen des Gesell-

           schaftsvertrages, soweit

           sie nicht unter litc

           fallen, sowie Änderungen

           der Firma oder jeder

           Personenwechsel bei den

           Vertretungsberechtigten

           oder Inhabern:

        1. bei Einzelkaufleuten,                           280 S

        2. bei offenen Handelsge-                          480 S

           sellschaften und Kom-

           manditgesellschaften,

        3. bei Aktiengesellschaften,                       680 S

           Gesellschaften mit be-

           schränkter Haftung, Ver-

           sicherungsvereinen auf

           Gegenseitigkeit und

           Zweigniederlassungen von

           Gesellschaften, bei

           denen die Hauptniederlas-

           sung ihren Sitz im Aus-

           land hat,

        4. bei den nach lita Z4                           580 S

           eingetragenen Firmen;

        e) Verschmelzungen von Ge-                      2 080 S"

           sellschaften und Ver-

           sicherungsvereinen auf

           Gegenseitigkeit.

3. In der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, daß für die Eintragung von Kapitalerhöhungen der ausländischen Hauptniederlassung im Handelsregister der inländischen Zweigniederlassung die Eintragungsgebühr nicht nach Tarifpost 10

I. litc GGG, sondern nach Tarifpost 10 I. litd Z3 GGG zu bestimmen sei, welche eine Pauschalgebühr von S 680,-vorschreibe. Dem entspreche es auch, daß bei der Tarifpost 10 I. litb durch die Anm. 3 zu Tarifpost 10 GGG Hauptniederlassungen im In- und Ausland ausdrücklich gleichgestellt seien, bei der Tarifpost 10 I. litd Z3 GGG die Zweigniederlassungen von Gesellschaften, bei denen die Hauptniederlassung ihren Sitz im Ausland hat, ebenfalls ausdrücklich erwähnt seien und auch bei der früheren Regelung des Gerichts- und Justizgebührengesetzes durch die Anm. 2 zu Tarifpost 12 ausdrücklich in- und ausländische Gesellschaften gleichgestellt gewesen seien. Für die Regelung der Tarifpost 10 I. litc GGG fehle eine solche, die in- und ausländischen Hauptniederlassungen gleichstellende Regelung.

Wenn die bel. Beh. im vorliegenden Fall eine Eintragungsgebühr gemäß Tarifpost 10 I. litc GGG vorschreibe, so handle es sich deshalb um eine denkunmögliche und damit gleichheitswidrige, das Recht auf Eigentum verletzende Gesetzesanwendung. Vielmehr hätte auf den vorliegenden Fall die Tarifpost 10 I. litd Z3 GGG angewendet werden müssen und deshalb lediglich ein Betrag von S 680,-- vorgeschrieben werden dürfen.

Zum selben Ergebnis müsse man aber auch bei einer verfassungskonformen Interpretation der Tarifpost 10 GGG gelangen. Würde nämlich für die Eintragung der Stammkapitalerhöhung einer ausländischen Hauptniederlassung im Handelsregister der inländischen Zweigniederlassung die Tarifpost 10 I. litc GGG angewendet, so käme es im vorliegenden Fall zu dem paradoxen und gleichheitswidrigen Ergebnis, daß zwar für die Eintragung der Firma der Zweigniederlassung einer ausländischen oder inländischen GesmbH eine generell feste Gebühr von S 2.580,-- entrichtet werden müßte, während bei der Eintragung der Kapitalerhöhung der ausländischen Hauptniederlassung im Ausmaß von DM 20 Millionen im Handelsregister der inländischen Zweigniederlassung eine Gebühr von S 632.232,-- zu entrichten sei. Obwohl es sich hier um inhaltlich gleichwertige Vorgänge handle, würden in gebührenrechtlicher Hinsicht für die beiden Vorgänge sehr verschiedene Gebührenbeträge vorgeschrieben, welche sachlich nicht gerechtfertigt seien.

Es bestehe zwischen der Eintragung einer Kapitalerhöhung einer inländischen GesmbH und der Eintragung der Kapitalerhöhung einer ausländischen GesmbH im Handelsregister der inländischen Zweigniederlassung nicht nur ein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf die Wirkungen der Eintragung, sondern auch beim Überprüfungsaufwand des Registergerichtes.

Es bestehe ein offenbares Mißverhältnis zwischen dem Aufwand der Behörde und der Höhe der Gebühr. Da in der Tarifpost 10 I. litc GGG eine Pauschalgebühr in der Höhe von 4,5 v.T. von der Stammkapitalerhöhung ohne Beschränkung nach oben vorgeschrieben werde, verstoße diese Bestimmung gegen das Äquivalenzprinzip und sei deshalb verfassungswidrig.

4. Der VfGH kann die von der bf. Gesellschaft vorgetragenen Bedenken gegen die Norm nicht teilen.

a) Die verschiedenen Tatbestände können nicht verglichen werden. Auch die Gründe, die die bf. Gesellschaft vorbringt, zwingen nicht zu einem Vergleich, denn der Aufbau der Tarifpost 10 zeigt, daß bei Registersachen zwischen der Eintragung einer juristischen Person (I. lita Z3), der Errichtung von Zweigniederlassungen (I. litb) und der Erhöhung des Stamm(Grund)kapitals (I. litc) unterschieden wird. Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber ab dem Zeitpunkt, ab welchem eine inländische Niederlassung in Österreich registriert ist, jede Veränderung in der Kapitalstruktur bei einer inländischen Kapitalgesellschaft und einer ausländischen Zweigniederlassung gleich behandelt. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den litb und c besteht nicht. Im gegebenen Zusammenhang erachtet der VfGH die litc auch im Hinblick auf die litd für verfassungsrechtlich unbedenklich, denn es handelt sich um durchaus verschiedene Sachverhalte. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, diese verschiedenen Eintragungen bzw. deren gebührenrechtliche Folgen zu vergleichen und wechselseitig am Gleichheitssatz zu messen.

Nach der Anmerkung 3 unterliegt der Gebührenpflicht nach Tarifpost 10 I. litb die Eintragung von Zweigniederlassungen, deren Hauptniederlassung sich im In- oder Ausland befindet. In beiden Fällen beträgt die Gebühr S 2.580,--. Der Gesetzgeber ist damit einen anderen Weg gegangen als jener des GJGebGes. 1962 (vgl. Tschugguel/Pötscher, Die Gerichtsgebühren, Wien 1986, Seite 113f., worin ausgeführt wurde, daß nach der früheren Rechtslage die Ermittlung des Vermögens einer Zweigniederlassung mit schwierigen Erhebungen verbunden war und für alle Beteiligten einen erheblichen Arbeitsaufwand erforderte, weswegen zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten nunmehr für die Eintragung von Zweigniederlassungen generell feste Gebühren vorgesehen seien).

Zur Gleichheitsmäßigkeit der litc, auch unter Berücksichtigung der litd, ist zu bemerken, daß bei der Kapitalerhöhung das Gesetz keine Differenzierung zwischen Hauptniederlassung und der inländischen Niederlassung einer ausländischen Gesellschaft vorsieht. Der VfGH hat dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber knüpft an das erhöhte Nominalkapital an, d.h. an jenes Kapital, das dem Zugriff der Gläubiger zusätzlich unterliegt. Im Gegensatz zur Gründung einer inländischen Tochtergesellschaft, bei der bei einer Kapitalerhöhung nur dieser Kapitalanteil für den Zugriff der Gläubiger zusätzlich eröffnet wird, ermöglicht die Kapitalerhöhung einer ausländischen Gesellschaft, die eine inländische Niederlassung hat, auch für jene Gläubiger, die nur mit der inländischen Niederlassung in Geschäftsverbindung treten, den Zugriff auf das erhöhte Kapital des ganzen Unternehmens, also auch der ausländischen Hauptniederlassung. Wenn der Gesetzgeber an jenes Kapital anknüpft, welches die erhöhte (zusätzliche) Grundlage der Geschäftstätigkeit infolge der Kapitalerhöhung darstellt, also die Vertrauensgrundlage für einen Geschäftspartner bildet, kann eine derartige Regelung nicht der Vorwurf der Unsachlichkeit treffen; denn es besteht in Wahrheit kein Unterschied, ob eine inländische Kapitalgesellschaft ihr Kapital z.B. um S 10 Millionen erhöht, oder eine ausländische Kapitalgesellschaft, wenn in beiden Fällen den Geschäftspartnern der Zugriff auf das Gesamtvermögen der Gesellschaft eröffnet wird.

b) Der Einwand der Bf., daß die Grundsätze des "Äquivalenzprinzips" verletzt werden, trifft nicht zu. Die Gerichtsgebühren dienen der Abgeltung für die Inanspruchnahme der Gerichte (§1 Abs1 GGG). Innerhalb eines solchen

Gebührensystems sind Abstufungen zulässig, sofern sie dem Gleichheitssatz entsprechen, wobei eine Äquivalenz im Einzelfall nicht erforderlich ist. Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes gegen dieses System. Die sachliche Anknüpfung an leicht feststellbare äußere Merkmale (z.B. Höhe des Kaufpreises, Höhe der Kapitalerhöhung) ist sachgerecht.

Der Gerichtshof hat im Erk. VfSlg. 11298/1987 zu dem (neuen) Gerichtsgebührensystem bereits folgendes ausgeführt (S. 6): "Auch hinsichtlich des durch das GGG eingeführten neuen Systems der Gerichtsgebühren hat der VfGH - soweit dieses in den zu B675/85 und B696/85 protokollierten Fällen präjudiziell ist - im Hinblick auf seine Rechtsprechung zur sachlichen Rechtfertigung von Gerichtsgebühren (der Gesetzgeber kann auch eine "gröbere Regelung" treffen, s. VfSlg. 8597/1979, S. 511), im Hinblick auf die Ausführungen und Berechnungen zu Tarifpost 1 im Bericht des Justizausschusses (454 Bl.NR XVI. GP, S. 3 und 4) sowie im Hinblick auf die damit verbundene erhebliche Verwaltungsvereinfachung keine Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes."

c) Die bf. Gesellschaft bringt selbst vor, daß für die Regelung der Tarifpost 10 I. litc GGG eine die in- und ausländische Hauptniederlassung gleichstellende Regelung fehlt.

Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen sind beim Gerichtshof aus den oberwähnten Gründen nicht entstanden. Ob die Auslegung, die die bel. Beh. der Bestimmung der Tarifpost 10 I. litc gegeben hat, richtig ist, ist eine Frage der richtigen oder unrichtigen Auslegung einer einfach-gesetzlichen Bestimmung, die zu beantworten dem VwGH obliegt.

d) Die ab 1.1.1988 geltende Anmerkung 3 a) zu Tarifpost 10 (BGBl. 646/1987), wonach die Eintragung der Erhöhung des Stamm(Grund)kapitals einer Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft der Gebührenpflicht nach Tarifpost 10 I. litd Z3 unterliegt, hat keine rückwirkende Kraft und ist daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. (304 der Bl.NR XVII. GP führen dazu aus, daß diese Vorschrift einer besseren Akkordierung mit der Anmerkung 3 dient.)

5. Daraus ergibt sich, daß die bf. Gesellschaft durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, Abgabenbegriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B633.1987

Dokumentnummer

JFT_10119378_87B00633_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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