TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/22 90/12/0214

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Veröffentlicht am 22.02.1991
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Index

L00204 Auskunftspflicht Informationsweiterverwendung Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AuskunftspflichtG OÖ 1988 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG OÖ 1988 §1 Abs2;
AVG §17;
AVG §35;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Pflicht zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 16. Juni 1989, Zl. 6502/3-2/89, betreffend Auskunftspflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Beschwerdeführers gegen den genannten Bescheid wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht stattgegeben.

Die weiteren Anträge des Beschwerdeführers werden zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Abteilungsinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sein Dienstposten ist das Bezirksgendarmeriekommando X.

Mit Eingabe an das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich vom 30. Mai 1989 begehrte der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987, zu nachstehenden Fragen Auskunft:

"1)

Wann und unter welcher GZ wurde beim LGK für OÖ die Eingabe des Obstlt S vom 1. Juni 1987 in Eingang genommen?

2)

Wann und unter welcher GZ wurde beim LGK für OÖ die Eingabe des Obstlt S vom 3. Juni 1987 in Eingang genommen?

3)

Welche Erledigung hat die Eingabe des Obstlt S vom 1.6.1987 beim LGK für OÖ gefunden?

4)

Welche Erledigung hat die Eingabe des Obstlt S vom 3.6.1987 beim LGK für OÖ gefunden?

5)

Wurde die Staatsanwaltschaft Linz mit der Eingabe des Obstlt S vom 1.6.1987 befaßt?

6)

Wurde die Staatsanwaltschaft Linz mit der Eingabe des Obstlt S vom 3.6.1987 befaßt?

ZU 5) UND 6):

Beide Fragen beziehen sich auf ein in der Sache erfolgtes

Tätigwerden durch die dortige Dienstbehörde.

7)

Haftete der Sachverhaltsschilderung (Eingabe) vom 1.6.1987 ein strafrechtlicher oder disziplinärer Aspekt an?

8)

Haftete der Sachverhaltsdarstellung (Eingabe) vom 3.6.1987 ein strafrechtlicher oder disziplinärer Aspekt an?

9)

Hat das LGK für OÖ die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung meiner Person in der Causa der Eingaben vom

                 1.       und 3.6.1987 erteilt?

10)

Wurden vom LGK für OÖ wider meine Person in der Causa der Eingaben vom 1. und 3.6.1987 disziplinäre Schritte gesetzt?

11)

Welche - ich spreche eine Auflistung an - von mir in der Eingabe vom 25.4.1987 dargelegten Sachverhalte haben sich konkret als "unrichtig" erwiesen?

12)

Hat sich das LGK für OÖ veranlaßt gesehen, wegen der "Unrichtigkeit" von mir getroffener Sachverhalte gegen mich straf- oder dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen?"

Die in der Frage 11) genannte Eingabe vom 25. April 1987 enthielt umfangreiche Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend seine Dienstreise vom 4. April 1987 und die darauf folgenden Auseinandersetzungen mit seinem Dienstvorgesetzten sowie über die Krankenstände des Beschwerdeführers. Daran anschließend ersuchte er um Auskunftserteilung nach den Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes zu folgenden Fragen:

"a)

Warum hatte Obstlt. S am 6.4.1987 bei Antritt der Dienstfahrt den angeblichen Kilometer-Fehlstand nicht deponiert? (er hatte durch seine Eintragung im Fahrtenbuch vielmehr die Richtigkeit bestätigtÜ)

Hat sich bei der Überprüfung meiner Angabe ergeben, daß

b)

Obstlt. S am 4.11.1985 bei der nach Vöcklamarkt und zurück unternommenen Dienstfahrt um etwa 100 Kilometer mehr als die tatsächliche Entfernung zurückgelegt hat?,

c)

daß Abgehen in Kefermarkt und Eintreffen in Gutau unisono um 13.00 Uhr erfolgten?,

d)

daß bei der am 2.4.1987 erfolgten Dienstreise die Bestimmungen der §§ 12 (7) und 18 (2 und 3) der KfzV nicht eingehalten wurden?,

e)

daß für die Strecke X-Linz-X 523 km ausgeworfen wurden?,

f)

daß bei Antritt einer Dienstfahrt nicht der km-Endstand, sondern der Anfangsstand der vorangegangenen Fahrt ausgetragen wurde?,

g)

daß die Fahrt Abwinden-X-Abwinden durchgeführt, im Fahrtenbuch und im Reiseausweis jedoch nicht ausgeworfen wurde?

h)

Schließlich:

Waren nur meine Krankenstände oder auch solche von anderen Beamten untersucht worden?

i)

Waren meine Darlegungen richtig, daß Obstlt. S für den Monat Oktober 1986 zu 6 JD eingeplant war?

j)

Trifft es zu, daß Obstlt. S für die Dienstreise X-St. Ulrich/Steyr-X mehr Zeitaufwand als ich und folglich 1/3 Tagesgebühr (Tarif I) mehr verrechnet hatte?

Sollte meiner Bitte (dem Begehren nach dem BMG) nicht gefolgt werden, beantrage ich, in einem zu ergehenden Bescheid die der Auskunftspflicht entgegenstehenden Gründe zu begründen."

Auf das zitierte Auskunftsbegehren vom 25. April 1987 erging eine dem Beschwerdeführer am 13. Oktober 1987 zugestellte Erledigung der belangten Behörde vom 2. Oktober 1987, in der dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, daß allen von ihm aufgeworfenen Fragen nachgegangen worden sei und "soferne eine Handhabe gefunden werden konnte, auch die erforderlichen Maßnahmen getroffen" worden seien.

Mit Bescheid vom 16. Juni 1989 gab das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich gemäß § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 des Auskunftspflichtgesetzes dem Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers vom 30. Mai 1989 wegen offensichtlicher Mutwilligkeit keine Folge. In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen ausgeführt, die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen bezögen sich auf gegen den Beschwerdeführer gerichtete Eingaben vom 1. und 3. Juni 1987 sowie die Eingabe des Beschwerdeführers vom 25. April 1987. Die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Eingaben seien von der Behörde erster Instanz der belangten Behörde unter Anschluß einer ausführlichen Stellungnahme vorgelegt worden. Nach Ansicht der Behörde erster Instanz sei den Eingaben weder ein strafrechtlicher noch eine disziplinärer Inhalt zu entnehmen. Diese Beurteilung habe die Zustimmung der belangten Behörde gefunden. Nachdem dem Beschwerdeführer zu seinem Anbringen vom 25. April 1987 durch die belangte Behörde mit Erlaß vom 2. Oktober 1987 mitgeteilt worden sei, daß allen von ihm aufgeworfenen Fragen nachgegangen, und, sofern eine Handhabe gefunden worden sei, auch die erforderlichen Maßnahmen getroffen worden seien, hätte ihm klarwerden müssen, daß die Angelegenheit seitens der obersten Dienstbehörde als abgeschlossen angesehen worden sei. Mutwillig handle unter anderem, wer sich in dem Bewußtsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Handelns an die Behörde wende. Gemäß § 94 Abs. 1 BDG 1979 bestehe für Dienstpflichtverletzungen eine Verfolgungsverjährung von sechs Monaten. Nach § 109 Abs. 3 dieses Gesetzes habe die Dienstbehörde dem Beschuldigten eine Abschrift der Disziplinaranzeige unverzüglich zuzustellen. Aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer bis zum Ablauf der fiktiven Verjährung keine Abschrift einer Disziplinaranzeige zugestellt erhalten habe, habe er erkennen müssen, daß keine Verfahrensschritte gegen ihn eingeleitet worden seien. Auch von Verfahrensschritten in strafrechtlicher Hinsicht hätte er nach den Bestimmungen der StPO Kenntnis erlangt. Daß der Beschwerdeführer weniger an der Sache als vielmehr an der mutwilligen Belastung der Dienstbehörde interessiert sei, sei aus der großen Zeitspanne zwischen dem Anbringen vom 30. Mai 1989 und den zugrunde liegenden Vorfällen im Jahre 1987 zu erkennen. Die Behörde erblicke im vorliegenden Auskunftsbegehren eine Fortsetzung der jahrelangen Flut von diversen Anbringen und Eingaben des Beschwerdeführers, die zu einer nicht unerheblichen Belastung der befaßten Behörden geführt hätten. Die Mutwilligkeit des Auskunftsbegehrens finde auch darin Ausdruck, daß eine fernmündliche Rückfrage beim zuständigen Sachbearbeiter unter Umständen zur Klärung der von ihm aufgeworfenen Fragen geführt hätte und dadurch unnötiger Verwaltungsaufwand verhindert worden wäre.

In seiner gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen umfangreichen Berufung setzt sich der Beschwerdeführer zunächst ausführlich mit dem Begriff "offenbar mutwillig" auseinander. Nach Wiederholung der von ihm gestellten zwölf Fragen führt er im Besonderen aus, mit den Fragen 1) bis 4) habe er allein die geschäftsmäßige Behandlung der Eingaben erfahren wollen. Die Fragen 5) und 6) hätten sich auf keine Strafanzeige im engeren Sinn bezogen. Die Fragen 7) und 8) hätten sich gestellt, weil Obstlt. S in seinen Eingaben eine Strafanzeige angestrebt und disziplinäre Schritte gefordert hätte. Die Frage 9) habe sich auf den Antrag des Genannten bezogen, ihm die erforderliche Ermächtigung zu erteilen. Die Frage 10) habe kein Disziplinarverfahren betroffen. Die Frage 12) sei angestanden, nachdem die Behörde erster Instanz in der Meldung vom 10. Juni 1987 der belangten Behörde gemeldet hätte, daß sich ein Teil des vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhaltes als unrichtig erwiesen hätte. Durch die Beantwortung der Frage 12) habe der Beschwerdeführer von der Dienstbehörde erfahren wollen, ob die Sache mit den "unrichtigen Sachverhaltsdarstellungen" die abschließende Erledigung gefunden hätte. Schließlich könnte, was außerhalb der fiktiven Verjährung stehe, gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 mit einer "Belehrung" oder "Ermahnung" finalisiert werden, wobei keine Verjährung eintrete.

Die Dienstbehörde hätte ihre "Mutwillensbedenken" verifizieren und dazu den Beschwerdeführer hören müssen. Nach dem Auskunftspflichtgesetz müßten sowohl Tatsachen- als auch Rechtsauskünfte erteilt werden. Zum Vorwurf der "jahrelangen Flut von diversen Anbringen und Eingaben" führte der Beschwerdeführer aus, das Petitionsrecht verschaffe dem Einzelnen die im liberalen Geist grundrechtlich geschützte Freiheit, Anträge an die einzelnen Staatsorgane zu richten, ohne deswegen Rechtsnachteile befürchten zu müssen. Durch Leistungsverweigerung könne eine Rechtsposition, wie der Beschwerdeführer mehrfach erfahren hätte, genauso berührt sein. Das Auskunftsbegehren vom 30. Mai 1989 habe das Ziel verfolgt, die beeinträchtigte Rechtsposition des Beschwerdeführers wieder herzustellen. Schließlich hätte, was die Dienstbehörden befunden hätten, Obstlt. S die gegen den Beschwerdeführer ausgelegten und in Eingaben vom 1. und 3. Juni 1987 deponierten Vorwürfe unbegründet erhoben. Derartigen Vorwürfen hätte die Dienstbehörde entgegentreten müssen. Zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung des Beschwerdeführers bedürfe es der Kenntnis der AKTENVORGÄNGE, auf die sich sein Auskunftsbegehren bezogen habe.

Die Dienstbehörde habe die dem Beschwerdeführer auf sein Anbringen vom 25. April 1987 erteilte Auskunft völlig unrichtig interpretiert, zumal die genannten Eingaben vom

1. und 3. Juni 1987 nicht den Gegenstand des Begehrens des Beschwerdeführers darstellten und daher keine Beantwortung hätten finden können.

Die Dienstbehörde habe in ihrem Bescheid die nicht unerhebliche Belastung herausgestellt, die die Eingaben des Beschwerdeführers bedeuteten. Diese Belastung wäre beträchtlich geringer ausgefallen oder überhaupt nicht eingetreten, wenn man dem Beschwerdeführer nicht mit zweierlei Maß (Belehrung aus Anlaß der Nichtteilnahme an einem Abteilungsunterricht), Willkür (Belehrungen bezüglich der Verrechnung der Gefahrenzulage und der Vorlage einer Veränderungsmeldung) und Rechtsverweigerung (Devolutionsanträge und Auskunftsverweigerung hätten keine bescheidmäßige Erledigung erfahren) begegnet wäre. Die Behörde habe sich "mehrfach gesperrt", wenn der Beschwerdeführer AKTENEINSICHT oder Einsicht in den Personalakt beantragt hätte.

Weiters beantragte der Beschwerdeführer in der Berufungsschrift, die belangte Behörde möge das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich anweisen, das Gesamtpaket zu sichten und den Nachweis zu liefern,

1)

wann und in welcher Angelegenheit der Beschwerdeführer sich unbegründet (aus offensichtlichem Mutwillen) an die Behörde erster Instanz gewandt hätte und ob

2)

der Beschwerdeführer jemals - die Sache wolle zeitlich und inhaltlich benannt werden - aus Gründen der "mutwilligen Belastung" an die Dienstbehörde gewandt habe. Die dazu erstattete Meldung wolle dem Beschwerdeführer während des Ermittlungsverfahrens zugeleitet werden.

Unter Berufung auf § 17 AVG 1950 beantragte der Beschwerdeführer weiters

1)

die beiden Eingaben des Obstlt. S vom 1. und 3.Juni 1987,

2)

die im Gegenstand von der Behörde erster Instanz der belangten Behörde übermittelte Stellungnahme und

3)

den Erlaß der belangten Behörde vom 31. Juli 1987 sowie alle sonstigen in das "Berufsverfahren" eingebrachten Akte in Ablichtung zu übersenden. Sollte den Anträgen nicht oder nur zum Teil nachgekommen werden, beantrage er darüber bescheidmäßig zu befinden. Geforderte Beharrlichkeit könne nicht als offensichtliche Mutwilligkeit gedeutet werden. Hätte sich der Beschwerdeführer nicht mit legitimen Anbringen eingestellt und seine Sache mit Nachdruck vertreten, würden die "Anlandungen" keine für ihn sprechende Position gefunden haben.

Gegen die Ausführungen im bekämpften Bescheid, wonach eine fernmündliche Rückfrage beim zuständigen Sachbearbeiter unter Umständen zur Klärung der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen geführt hätte und überdies unnötiger Verwaltungsaufwand verhindert worden wäre, führt der Beschwerdeführer in der Berufung aus, der Sachbearbeiter sei ihm nicht bekannt gewesen; selbst wenn er ihn jedoch gekannt hätte, so wäre er zu einer fernmündlichen Auskunft über die zwölf Fragen nicht mächtig und auch nicht kompetent gewesen. Auch der Hinweis auf den großen Zeitraum zwischen den Auskunftsbegehren und den Vorfällen im Jahr 1987 spreche nicht für den "Mutwillen" des Beschwerdeführers, weil ihm erst am 9. Jänner 1989 zur Kenntnis gelangt sei, daß

a) Obstlt. S am 1. und 3. Juni 1987 die Behörde erster Instanz um die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers gebeten habe,

b) das Verlangen deponiert worden sei, Maßnahmen nach § 109 BDG 1979 zu setzen und

c) daß sie in der Eingabe des Beschwerdeführers vom 25. April 1987 "unrichtige Sachverhalte" gefunden hätten. Aus dem Aktenstück, das der Beschwerdeführer am 9. Jänner 1989 erhalten habe, sei nicht ersichtlich gewesen, welche Behandlung die genannten Eingaben vom 1. und 3. Juni 1987 bei der Dienstbehörde gefunden hätten. Daher sei seine Auskunftsbitte legitim. Die Behörde habe aufgrund bloßer Vermutungen und Schlußfolgerungen die Feststellung getroffen, der Beschwerdeführer wäre offenbar mutwillig um das Auskunftsbegehren eingekommen. Es sei das Parteienrecht des Beschwerdeführers, den Inhalt des Gesetzes bestmöglich auszuloten.

Die am 4. Juli 1989 beim Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich eingelangte Berufung des Beschwerdeführers wurde der belangten Behörde am 18. Juli 1989 mit den Akten vorgelegt.

Über die am 18. Juni 1990 eingelangte Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG leitete der Verwaltungsgerichtshof am 1. August 1990 das Vorverfahren ein, ohne daß die belangte Behörde in der achtwöchigen gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist den Bescheid erlassen hätte. Vielmehr führte sie in ihrer Gegenschrift aus, die belangte Behörde sehe weiterhin keine zwingenden Gründe, in solchen Angelegenheiten des Beschwerdeführers, die kein berechtigtes rechtliches Interesse seiner Person und keinen sinnvollen Zweck - außer einer anscheinend querulatorisch bedingten Mutwilligkeit - erkennen ließen, in irgendeiner Form gegenüber dem Auskunftswerber zu reagieren. Sie beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Da somit die belangte Behörde den Bescheid nicht fristgerecht nachgeholt hat, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 20 Abs. 4 B-VG sieht vor, daß alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen haben, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

Dementsprechend bestimmt § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987, daß die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen haben, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung sind Auskünfte nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies nur insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist gemäß § 4 leg.cit. auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen.

Aufgrund dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz im bekämpften Bescheid berechtigt war, die vom Beschwerdeführer begehrten Auskünfte nicht zu erteilen, weil sie "offenbar mutwillig" verlangt worden sind.

Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, eine anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist (§ 4 letzter Satz Auskunftspflichtgesetz).

Da es sich im Beschwerdefall um Rechtsverhältnisse zwischen dem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber und dem Beamten handelt, findet das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984-DVG Anwendung, nach dessen § 1 Abs. 1 die Vorschriften des AVG mit den nachstehenden Abweichungen anzuwenden sind. Nach § 7 DVG sind Ordnungs- und Mutwillensstrafen über Beamte des Dienststandes nicht zu verhängen; statt dessen ist zum Zweck einer allfälligen Ahndung des Verhaltens als Pflichtverletzung das Erforderliche zu veranlassen.

Obwohl demnach § 35 AVG nicht unmittelbar im gegenständlichen Verfahren nach dem Auskunftspflichtgesetz anwendbar ist, kann diese Norm zur Auslegung der Bestimmung des § 1 Abs. 2 letzter Satz Auskunftspflichtgesetz herangezogen werden, da nach § 7 DVG nur die Ahndung von Ordnungs- und Mutwillenstatbeständen abweichend geregelt ist. Gemäß § 35 AVG kann gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen ..., die Behörde eine

Mutwillensstrafe ... verhängen.

Die Verhängung einer Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen. Wer "offenbar mutwillig" die Tätigkeit der Behörde IN WELCHER WEISE IMMER in Anspruch nimmt, soll mit der in § 35 AVG vorgesehenen Mutwillensstrafe geahndet werden können. Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewußtsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer AUS FREUDE AN DER BEHELLIGUNG DER BEHÖRDE handelt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1973, Slg. NF Nr. 8448/A). Dieser Begriff des offenbaren Mutwillens ist auch für die hier anzuwendende Bestimmung des § 1 Abs. 2 letzter Satz Auskunftspflichtgesetz heranzuziehen.

Davon ausgehend ergibt sich im Beschwerdefall, daß der vom Beschwerdeführer bekämpfte Bescheid der Behörde erster Instanz im Ergebnis zu Recht dem Antrag des Beschwerdeführers wegen offenbarer Mutwilligkeit keine Folge gegeben hat. Zu Recht hat die Behörde nämlich im vorliegenden Auskunftsbegehren eine Fortsetzung der jahrelangen Flut gleichartiger Anbringen und Eingaben des Beschwerdeführers erblickt, die zu einer nicht unerheblichen Belastung der befaßten Behörden geführt haben, wie sich aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt. Für den Verwaltungsgerichtshof zeigt sich die Mutwilligkeit des Vorgehens des Beschwerdeführers überdies aus der Vielzahl der von ihm erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerden betreffend Akteneinsicht und Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz.

So mußte der Verwaltungsgerichtshof bereits mit seinem Beschluß vom 14. November 1988, Zl. 88/12/0188, eine Säumnisbeschwerde betreffend eine Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz vom 12. Februar 1988 zurückweisen. Dessen ungeachtet hat der Beschwerdeführer aber zu

Zl. 89/01/0191 betreffend sein Auskunftsbegehren vom 25. Jänner 1988, welches über Devolutionsantrag vom 15. Oktober 1988 an die belangte Behörde gelangt war, und wegen des gleichen Sachverhalts zu Zl. 89/12/0239 eine neuerliche Säumnisbeschwerde am 17. Oktober 1989 eingebracht. Die erstgenannte Beschwerde wurde mit hg. Beschluß vom 21. Juni 1989, die Zweitgenannte mit Beschluß vom 15. Jänner 1990 zurückgewiesen. Der Zurückweisungsgrund war in allen diesen Fällen der gleiche. Schon daraus, daß der Beschwerdeführer, obwohl seine diesbezüglichen Beschwerden wiederholt zurückgewiesen werden mußten, es neuerlich unternommen hatte, zuletzt eine auf den gleichen Sachverhalt gestützte weitere Säumnisbeschwerde an den Gerichtshof zu erheben, zeigt sich die Mutwilligkeit seiner Prozeßhandlungen in bezug auf das Auskunftspflichtgesetz. Daraus läßt sich erkennen, daß der Beschwerdeführer offensichtlich im Bewußtsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens immer wieder die Behörden und den Gerichtshof mit gleichartigen Anträgen behelligt.

Es darf im übrigen auch nicht übersehen werden, daß Anträge nach dem Auskunftspflichtgesetz wie der gegenständliche offenbar keinen anderen Zweck verfolgen als Akteneinsicht durch eine Vielzahl von Fragestellungen zu erzwingen. Dazu wird auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag Zl. 87/12/0151, 0152 betreffend Akteneinsicht verwiesen. Die Auskunftspflicht nach dem Auskunftspflichtgesetz ist aber nicht geeignet, um eine Akteneinsicht durchzusetzen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 88/14/0198).

Die Berufung des Beschwerdeführers mußte daher abgewiesen werden.

Die weiteren Anträge des Beschwerdeführers in der Berufung, insbesondere auf Gewährung der Akteneinsicht, mußten vom Verwaltungsgerichtshof als Berufungsbehörde zurückgewiesen werden, da sie nicht Gegenstand des vom Beschwerdeführer bekämpften erstinstanzlichen Bescheides sind. Die Berufungsbehörde ist in dieser Funktion zur bescheidmäßigen Absprache über diese Verfahrensanträge nicht zuständig.

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1988.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990120214.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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