TE Vwgh Beschluss 1991/3/12 91/07/0017

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Veröffentlicht am 12.03.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52 Abs2;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Firma N & Co KG gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Jänner 1991, Zl. 512.652/05-I 5/90, betreffend Bestellung eines nicht amtlichen Sachverständigen (Mitbeteiligte Partei: Abwasserverband X), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Mai 1990, Zl. IIIa1-10.888/24, erteilte der Landeshauptmann von Tirol der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Klärschlammdeponie. Nach Spruchabschnitt VI dieses Bescheides wird die im Eigentum der Beschwerdeführerin liegende Teilfläche 5 aus Gp. 195/1 KG Y enteignet. Auf Grund der gegen diesen Bescheid seitens der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung holte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ein Gutachten des wasserbautechnischen Amtsachverständigen ein und brachte dieses mit Schreiben vom 4. Oktober 1990, den Verfahrensparteien zur Kenntnis. Auf Grund der in diesem Gutachten für erforderlich erachteten Projektsänderungen bzw. -ergänzungen wurde im letzten Satz dieses Schreibens seitens der Berufungsbehörde "darauf hingewiesen, daß die Änderung des gegenständlichen Projektes im Sinne der Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen eine WESENTLICHE Änderung wäre, die im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht bewilligt werden kann".

In der Folge bestellte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 16. Jänner 1991, Prof. Dr. A von der Universität B, Institut für angewandte Geologie, zum nichtamtlichen Sachverständigen für Fragen der Geologie und Hydrogeologie.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin erkennbar in dem Recht auf Unterlassung der bezeichneten Sachverständigen-Bestellung verletzt erachtet.

Die vorliegende Beschwerde ist nicht zulässig.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof ist somit unter anderem das Vorhandensein eines letztinstanzlichen Bescheides einer Verwaltungsbehörde, wobei für die Bescheidqualität eines Verwaltungsaktes seine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht ausschlaggebend ist. Entscheidend ist vielmehr, daß (für jedermann erkennbar) ein rechtsverbindlicher Abspruch normativen Inhaltes vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. NF Nr. 9458/A). Der Verwaltungsgerichtshof hat daher zu prüfen, ob es sich bei der von der belangten Behörde mit Bescheid erfolgten Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen um einen Bescheid im Sinn des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG handelt und ob bejahendenfalls dadurch in die verfahrensrechtliche Stellung der Beschwerdeführerin eingegriffen wird.

§ 63 AVG 1950 unterscheidet von den Bescheiden (Abs. 1) "nur das Verfahren betreffende Anordnungen" (Abs. 2), gegen die eine abgesonderte Berufung ausgeschlossen ist und welche daher auch vor dem Verwaltungsgerichtshof selbständig nicht angefochten werden können. Wenn auch die Abgrenzung zwischen verfahrensrechtlichen Bescheiden und Verfahrensanordnungen im Sinne des § 63 Abs. 2 leg. cit. im Einzelfall oft schwierig ist, so ist das Vorliegen einer nicht selbständig anfechtbaren Verfahrensanordnung jedenfalls immer dann zu verneinen, wenn durch den in Rede stehenden Verwaltungsakt die materielle Rechtslage gestaltet wird. Darüber hinaus wird die Abgrenzung zwischen verfahrensrechtlichen Bescheiden und Verfahrensanordnungen im Sinne des § 63 Abs. 2 leg. cit. in der Lehre in der Richtung versucht, daß letztere Verfügungen sind, die nur den Gang des Verwaltungsverfahrens regeln, während erstere über die sich aus den verfahrensrechtlichen Bestimmungen ergebenden formalrechtlichen Rechtsverhältnisse gestaltend oder feststellend absprechen, also die verfahrensrechtliche Rechtstellung der Parteien bestimmen (vgl. KOJA, Allgemeines Verwaltungsrecht, Seite 478 ff, und die dort zitierte weitere Literatur sowie die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1986, Zl. 86/04/0044, und vom 17. Mai 1988, Zl. 87/04/0277).

Wird nun, wie hier, ein nichtamtlicher Sachverständiger bestellt, so wird damit zwar über dessen verfahrensrechtliche Rechtsstellung rechtsgestaltend abgesprochen, die verfahrensrechtliche Rechtsstellung der Parteien des Verwaltungsverfahrens dadurch aber nicht berührt. Die Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen hat diesem gegenüber daher den Charakter eines verfahrensrechtlichen Bescheides, gegenüber den Parteien aber nur den Charakter einer gemäß § 63 Abs. 2 AVG 1950 nicht selbständig anfechtbaren Verfahrensanordnung (vgl. WALTER-MAYER, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4 Rz 364; zur "möglichen Doppelnatur gewisser Verfahrensanordnungen" vgl. auch FUNK, Der Verwaltungsakt im österreichischen Rechtssystem 1978, Seite 69 f).

Da somit der Beschwerdeführerin gegenüber der angefochtene Bescheid nicht erlassen wurde, war die Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. März 1991

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des BescheidcharaktersMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Verfahrensanordnungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991070017.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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