TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 90/13/0137

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.1991
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

B-VG Art140 Abs5;
B-VG Art49;
EStG 1972 §23a Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der S KG gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Oktober 1989, Zlen. 6/1-1036/88-15, 6/1-1161/88-15 und 6/1-1184/88-15, betreffend Feststellung von Einkünften 1982 bis 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, einer Kommanditgesellschaft, fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt, die u.a. die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1982 und 1983 zum Gegenstand hatte. In seinem Bericht vom 24. Juni 1986 führte der Prüfer in Tz 16 u.a. aus, die für die Jahre 1982 und 1983 im Zuge der Betriebsprüfung errechneten Verlustanteile der Kommanditisten V und H seien gemäß § 23a EStG 1972 nicht ausgleichsfähig.

Das Finanzamt erließ am 5. August 1986 nach Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund der Prüfungsfeststellungen den Bescheid betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1982 und bezeichnete die darin ausgewiesenen Verluste der Gesellschafter V und H (in der Höhe von t S 3,490.315,-- bzw. S 370.039,--) als nicht ausgleichsfähig. Am selben Tag erging auch der Bescheid betreffend das Jahr 1983, in weichem der auf den Kommanditisten V entfallende Verlust von S 1,043.146,-- als nicht ausgleichsfähig bezeichnet wurde. Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Feststellungsbescheide, nicht aber gegen den die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Jahres 1982 verfügenden Bescheid Berufung, in der sie beantragte, die in den Bescheiden ausgewiesenen Verluste der Kommanditisten als ausgleichsfähig festzustellen.

Am 2. Dezember 1987 ergingen die Feststellungsbescheide hinsichtlich der Jahre 1984 und 1985, in denen die bei den oben bezeichneten Kommanditisten ausgewiesenen Verluste (1984: V S 2,288.620,--, H S 113.898,--; 1985: V S 3,824.802,--, H S 434.098,--) als nicht ausgleichsfähig bezeichnet wurden. Auch gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Sie ging davon aus, daß sich das Betriebsvermögen der Kommanditisten in den Streitjahren wie folgt dargestellt habe:

 

31.12.1981

31.12.1982

31.12.1983

 

S

S

S

V

-12,000.270,88

-9,951.712,22

-8,670.753,09

H

- 3,647.748,40

-3,897.540,20

-4,173.080,86

 

31.12.1994

31.12.1995

 

V

-7,859.373,17

-10.876.807,84

 

H

-4,690.596,61

- 5,506.387,33

 

Im Hinblick auf Abschnitt I Art. II des 1. AbgÄG 1987 sei § 23a Abs. 1 und 2 EStG 1972 in der Fassung des Art. I erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1982 anzuwenden. § 23a Abs. 1 verbiete den Ausgleich von Verlusten eines Kommanditisten und deren Abzug nach § 18 Abs. 1 Z. 4, soweit dadurch bei ihm negatives Betriebsvermögen entstehe oder sich erhöhe. Die in den Streitjahren ausgewiesenen Verluste seien mangels eines positiven Betriebsvermögens weder ausgleichs- noch vortragsfähig. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. § 23a EStG 1972 wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 1981 (AbgÄG 1981), BGBl. Nr. 620/1980, mit Wirkung ab 1982 in das Einkommensteuergesetz eingefügt.

1.2. Diese Bestimmung wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1985, G 139/85 u.a., als verfassungswidrig aufgehoben; gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 1986 in Kraft tritt.

1.3. Mit Abschnitt I Art. I des 1. AbgÄG 1987, BGBl. Nr. 80/1987, wurde die neue Fassung des § 23a in das EStG 1972 eingefügt, und zwar mit folgendem Wortlaut:

"Verluste bei beschränkter Haftung

§ 23a (1) Verluste eines Kommanditisten auf Grund seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft sind weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 abzugsfähig, soweit dadurch bei ihm negatives Betriebsvermögen entsteht oder sich erhöht. Die nicht ausgleichs- und abzugsfähigen Verluste sind mit Gewinnen späterer Wirtschaftsjahre zu verrechnen oder werden in Höhe der in einem späteren Wirtschaftsjahr geleisteten Einlagen, soweit diese die Entnahmen übersteigen, in diesem Jahr zu ausgleichs- und abzugsfähigen Verlusten. Die Gewinne und Verluste sind unter Berücksichtigung besonderer Vergütungen und Aufwendungen des Kommanditisten zu ermitteln.

(2) Scheidet ein Kommanditist mit negativem Betriebsvermögen gegen Abfindung in Geld- oder Sachwerten aus der Kommanditgesellschaft aus, so ist der Veräußerungsgewinn unter Beachtung des § 24 zu ermitteln. Scheidet der Kommanditist ohne Abfindung aus, so gilt der Betrag des negativen Betriebsvermögens, den er nicht auffüllen muß, abzüglich allfälliger Veräußerungskosten als Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24.

(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß für stille Gesellschafter, die als Mitunternehmer anzusehen sind, sowie für sonstige Mitunternehmer, soweit deren Inanspruchnahme für Schulden der Gesellschaft durch Vertrag ausgeschlossen ist."

1.4. Abschnitt I Art. II Z. 1 dieses Gesetzes enthielt im ersten Satz die Bestimmung, daß § 23a Abs. 1 und 2 EStG 1972 in der Fassung des Art. I erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1982 anzuwenden ist.

Dieser Satz wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1989, G 228/89-8, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung wurde mit Kundmachung des Bundeskanzlers vom 25. Oktober 1989 im BGBl. Nr. 522/1989, ausgegeben am 7. November 1989, kundgemacht.

2.1. Der angefochtene Bescheid wurde nach den Beschwerdebehauptungen der Beschwerdeführerin zu Handen ihres steuerlichen Vertreters am 30. Oktober 1989 zugestellt und somit erlassen. Gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG tritt die Aufhebung am Tage der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt, was im Falle des oben zitierten Erkenntnisses vom 5. Oktober 1989 nicht geschehen ist. Unter "Tag der Kundmachung" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nicht jener Tag zu verstehen, mit welchem die Kundmachung datiert ist, sondern der Tag der Herausgabe und Versendung des Stückes des Bundesgesetzblattes, das die Verlautbarung der Kundmachung enthält (siehe das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1961, Slg. Nr. 5507/A), im vorliegenden Falle also am 7. November 1989. Da der angefochtene Bescheid noch vor diesem Zeitpunkt erlassen wurde, hat die belangte Behörde mit Recht § 23a EStG 1972 in

der Fassung des 1. AbgÄG 1987 auf die Streitjahre angewendet, zumal es sich bei der Beschwerdeführerin nicht um einen Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG gehandelt hat.

2.2. Das Schwergewicht der Ausführungen in der Beschwerde geht dahin, daß § 23a EStG 1972 verfassungswidrig sei.

Zu diesen Ausführungen ist insgesamt zu sagen, daß der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen ist, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu erkennen. Soweit in den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen die Anregung gesehen werden kann, der Verwaltungsgerichtshof möge gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des § 23a EStG 1972 in der Fassung des 1. AbgÄG 1987 stellen, ist festzuhalten, daß sich der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Beschwerdeausführungen zu einer derartigen Antragstellung nicht veranlaßt sieht.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 22. Juni 1989, B 1275/87-12, keine amtswegige Gesetzesprüfung des § 23a EStG 1972 (selbst) beschlossen hat, obwohl sich auch in jenem Fall die belangte Behörde auf diese Gesetzesstelle in der Fassung der

1. AbgÄG 1987 gestützt hatte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zudem bereits in seinem Erkenntnis vom 12. September 1989, Zl. 88/14/0188, mit dieser Gesetzesstelle befaßt und begründet, warum er sich nicht zu einer Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlaßt gesehen hat. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen.

2.3. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, der angefochtene Bescheid widerspreche dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1985, ist zu erwidern, daß die belangte Behörde nicht dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder die mit diesem Erkenntnis aufgehobene Gesetzesstelle "anzuwenden" hatte, sondern die Bestimmung des § 23a EStG 1972 in der Fassung des 1. AbgÄG 1987. 2.4. Die Beschwerdeführerin erblickt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß auf das im vorliegenden Fall wesentliche Tatbestandsmerkmal, inwieweit durch die Verluste ein negatives Betriebsvermögen "sich erhöht" habe, nicht eingegangen worden sei. Die im § 4 EStG 1972 definierten Begriffe seien "falsch angewendet" worden, "was zum rechtswidrigen Ergebnis führte". Ob ein negatives Betriebsvermögen sich erhöhe, könne nur durch Vergleich des Betriebsvermögens im Sinne des § 4 EStG 1972 festgestellt werden. Eine diesbezügliche Sachverhaltsfeststellung sei unterblieben.

Mit diesen allgemein gehaltenen Ausführungen vermag die Beschwerdeführerin keine unrichtige Rechtsanwendung aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat im angefochenen Bescheid das Betriebsvermögen der Kommanditisten in den Streitjahren dargestellt. Gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen enthält die Beschwerde keine konkrete Ausführung, sodaß nicht zu erkennen ist, warum diese Feststellungen unrichtig sein sollen. Den Beschwerdeausführungen kann nicht gefolgt werden, soweit sie der belangten Behörde ein unrichtiges Verständnis von Begriffen unterstellt. Nach der Regelung des § 23a Abs. 1 erster Satz EStG 1972 sind Verluste des Kommanditisten nicht ausgleichs- oder abzugsfähig, soweit DADURCH bei ihm negatives Betriebsvermögen entsteht oder sich erhöht. Es ist daher darauf abzustellen, ob zum Zeitpunkt der Verlustzuweisung positives

Betriebsvermögen vorhanden war oder nicht (siehe Reichel, Die Einkommensteuer III B, § 23a EStG 1972, Tz 3; Quantschnigg, Zur Änderung des § 23a EStG 1972, ÖStZ 1987, Seite 144 ff), und nicht - wie die Beschwerdeführerin offenbar meint - darauf, ob sich das negative Betriebsvermögen gegenüber dem Vorjahr erhöht hat. .2.5. Die Beschwerdeführerin wendet ein, hinsichtlich des Jahres 1982 habe kein Wiederaufnahmsgrund bestanden.

Auf diese Ausführungen brauchte schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil der die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend das Jahr 1982 verfügende Bescheid vom 5. August 1986 in Rechtskraft erwachsen ist. Die Berufung vom 4. September 1986 richtet sich nur gegen den Sachbescheid.

2.6. Unberechtigt ist der Vorwurf, die belangte Behörde habe mit diesem Sachbescheid gegen § 307 Abs. 2 BAO verstoßen. Nach dieser Gesetzesstelle darf eine seit Erlassung des früheren Bescheides eingetretene Änderung der Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf eine allgemeine Weisung des Bundesministeriums für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der Partei berücksichtigt werden. Der von der belangten Behörde bestätigte Feststellungsbescheid betreffend das Jahr 1982 stützt sich nicht auf eine derartige Änderung der Rechtsauslegung, sondern beruht auf § 23a EStG 1972 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des 1. AbgÄG 1987. 2.7. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich des in der Beschwerde enthaltenen Eventualantrages an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung des § 23a EStG 1972 als verfassungswidrig ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, daß die Abtretung von Beschwerden durch den Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmungen nicht möglich ist.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. W i e n , am 22. März 1991

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990130137.X00

Im RIS seit

19.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten