TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 88/18/0323

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §19;
AVG §45 Abs3;
ZustG §4;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Oliver N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Mai 1988, Zl. MA 70-10/1848/87/Str, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem verurteilenden Teil wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Mai 1988 wurde das gegen den Beschwerdeführer ergangene erstbehördliche Straferkenntnis in seinem Punkt 1 behoben und das Verfahren in diesem Punkte gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt. Im übrigen wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 13. Oktober 1986 um

17.48 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Motorfahrrades in Wien 12, Lobkowitzbrücke Richtung Ullmannstraße 2. die auf der Fahrbahn deutlich sichtbar angebrachte Sperrfläche befahren und 3. in die Kreuzung mit der linken Wienzeile ohne anzuhalten eingefahren zu sein, obwohl die Verkehrslichtsignalanlage "rotes Licht" gezeigt habe. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 2. nach § 9 Abs. 1 StVO 1960 und zu 3. nach § 38 Abs. 5 leg. cit. begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen seinen verurteilenden Teil, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß im Hinblick auf den Tatzeitpunkt auf den vorliegenden Fall die Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung der 13. Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, anzuwenden ist, wobei die mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1989, G 52/89-12, G 53/89-12, G 54/89-10 und G 80/89-10 erfolgte Aufhebung der Bestimmung des § 55 Abs. 8 leg. cit. zufolge Art. 140 Abs. 7 B-VG außer Betracht zu bleiben hat. Es erübrigt sich daher die Untersuchung der Frage, ob der im Punkt 2 des angefochtenen Bescheides erwähnten Sperrfläche eine ordnungsgemäß kundgemachte Verordnung zugrundeliegt.

Im übrigen erweist sich die Beschwerde als berechtigt.

Der Beschwerdeführer bestritt die Begehung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung mit dem Vorbringen, er sei zum Tatzeitpunkt nicht am Tatort, sondern bei einem namentlich bezeichneten Freund gewesen, dessen Vernehmung als Zeugen er beantragte. Die Vernehmung dieses Zeugen wurde in der Folge auch durchgeführt, doch gelangte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu dem Ergebnis, daß aus dieser Zeugenaussage nicht abgeleitet werden könne, der Beschwerdeführer sei zum Tatzeitpunkt nicht am Tatort gewesen.

Der Beschwerdeführer macht nunmehr geltend, die belangte Behörde habe hinsichtlich des Ergebnisses dieser Zeugenvernehmung das Parteiengehör verletzt. Hätte ihm die belangte Behörde den Inhalt der Aussage dieses Zeugen ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht, hätte er eine andere (in der Beschwerde namentlich bezeichnete) Person zum Beweis seiner Abwesenheit vom Tatort zum Tatzeitpunkt namhaft machen können.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Bereits mit Schreiben vom 5. November 1987 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde unter Bekanntgabe seiner neuen Anschrift mit, daß er nicht mehr an seiner ursprünglichen Anschrift wohne. Dennoch wurde der Ladungsbescheid vom 21. März 1988, welcher zum Zwecke "Vorhalt weiterer Erhebungsergebnisse" ergangen war, dem Beschwerdeführer unter seiner ursprünglichen Anschrift zugestellt und dort postamtlich hinterlegt.

Da es sich an der Zustelladresse im Hinblick auf die der belangten Behörde bekanntgegebene Änderung der Wohnanschrift des Beschwerdeführers um keine geeignete Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz handelte, vermochte die postamtliche Hinterlegung der Sendung eine rechtswirksame Zustellung nicht zu begründen.

Mangels rechtswirksamer Zustellung des Ladungsbescheides vom 21. März 1988 wurde damit aber dem Beschwerdeführer auch entgegen § 45 Abs. 3 AVG nicht Gelegenheit gegeben, vom Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Zeugeneinvernahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Im Hinblick auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Parteiengehör Allgemein Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1988180323.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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