TE Vfgh Erkenntnis 1988/9/26 B146/88

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Veröffentlicht am 26.09.1988
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Tir GVG 1983 §2 Abs2

Leitsatz

Tir. GVG 1983; gesetzmäßige Annahme der Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Grundverkehrskommission zur Ausstellung einer Bestätigung nach §2 Abs2; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Zur Vorgeschichte genügt es, auf die Ausführungen des in der selben Sache ergangenen Erkenntnisses des VfGH vom 27. Feber 1987 B795/86 zu verweisen, mit dem der Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 20. Mai 1986 im ersten Rechtsgang wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben wurde.

2. Mit dem vorliegenden (Ersatz-)Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 12. Oktober 1987, Z LGv-1252/9-85, wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten neuerlich Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Grundverkehrsbehörde Ellmau vom 22. April 1985, betreffend die Erteilung einer Bestätigung nach §2 Abs2 Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69 (künftig: GVG), gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm §6 Abs1 GVG und §2 Abs1 leg.cit. wegen Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde Ellmau behoben.

3. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Bei der Beurteilung der für den Beschwerdefall ... relevanten Frage, ob der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde I. Instanz zu Recht annehmen konnte, daß die Voraussetzungen des §2 Abs2 GVG. 1983 zweifelsfrei gegeben sind (Vorliegen eines Rechtsgeschäftes im Sinne des §3 Abs1 GVG. an einem im §1 Abs2 leg.cit. genannten Grundstück), ist die erkennende Behörde zur Auffassung gelangt, daß dies nicht zweifelsfrei ('evident') feststeht. Dies aus folgenden Gründen:

Die vom Berufungswerber augenscheinlich angezogene Bestimmung des §879 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt in seinem Absatz 1, daß ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Als außer Streit gestellt erachtet kann auch werden, daß ein Rechtsgeschäft, dem die Zustimmung nach dem Grundverkehrsgesetz versagt worden ist, nichtig ist (vgl. §16 Abs1 GVG. 1983). Ebenso nichtig sind aber auch Rechtsgeschäfte, die eine Umgehung des Gesetzes ('rechtsgeschäftlicher Schleichweg', agere in fraudem legis) bewirken. ...

...

Das Tiroler Grundverkehrsgesetz bestimmt nunmehr in seinem §3 Abs1 lita GVG., daß jeder Eigentumserwerb durch Personen, die dem Kreis des §1 Abs1 Z.2 leg.cit. angehören, der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf. Nach litg der gleichen Gesetzesstelle bedarf jede Art der Begründung der Dienstbarkeit der Wohnung eines (Gebrauchs-)Rechtes an Grundstücken sowie die sonstige, nicht unter litf fallende Überlassung der Benützung von Grundstücken zugunsten von Personen, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z. 2 angehören, sofern durch die Überlassung dem Benützer eine ähnlich rechtliche und tatsächliche Stellung gegeben werden soll, wie einem Eigentümer oder Dienstbarkeitsberechtigten, der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung. ... Nach dem von der Berufungsbehörde festgestellten Sachverhalt erwirbt im vorliegenden Fall eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur wenige Wochen nach ihrer Gründung ein Wohnhaus in der KG. Ellmau, einer Gemeinde, bei der die Zahl der ausländischen Grundbesitzer eine Größenordnung von nahezu 10 % aufweist und das Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes die 4 ha-Grenze übersteigt. Statutenmäßig festgelegter Gesellschaftszweck ist gemäß §2 Abs1 des Gesellschaftsvertrages die Verwaltung, die Verwertung und das Leasing von Immobilien, wobei allerdings über allfällige - Gesellschaftsaktivitäten weder bei der Gemeinde noch bei der zuständigen Gewerbebehörde in dieser Hinsicht etwas in Erfahrung gebracht werden konnte ... Nach dem Ausweis der Verwaltungsakten wird das verfahrensgegenständliche Objekt schließlich seit Feber bzw. April 1983 von drei deutschen Staatsangehörigen als Zweitwohnsitz verwendet ...

In Ansehung dieser Sach- und Rechtslage konnte aber nach Meinung der erkennenden Behörde der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde I. Instanz nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß im vorliegenden Fall ein Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 GVG. 1983 gegeben ist, der zweifelsfrei nicht den Bestimmungen des GVG.

unterliegt. Scheint doch zum einen nicht mit hundertprozentiger

Sicherheit ausschließbar, daß hier nicht ... ein Ergebnis erzielt

werden könnte, das sonst nur beim genehmigungspflichtigen

Rechtserwerb gewonnen werden könnte, wobei aber dieser Weg vermieden

wird, um einem Untersagen des Rechtserwerbes zu entgehen; zum

anderen scheint nicht von vornherein ausgeschlossen, gleichgültig,

ob unter diesem Blickwinkel die Verwirklichung eines

Umgehungstatbestandes bejaht werden kann oder nicht, daß allenfalls

ein Sachverhalt verwirklicht werden soll ..., der dem

Genehmigungstatbestand des bereits zitierten §3 Abs1 litg GVG. 1983

zu subsumieren wäre. ... auch durch die auf Berufungsebene

durchgeführte mündliche Berufungsverhandlung konnten diese 'Zweifel'

nicht in einem ausreichendem Maße beseitigt werden, weil die

Gesellschafter der Käufergesellschaft trotz persönlicher Ladung zu

dem Verhandlungstermin nicht erschienen sind ... Bedenken bezüglich

des Vorliegens eines völlig zweifelsfreien Sachverhaltes scheinen schließlich auch auf Seiten einer Partei des Verwaltungsverfahrens zu bestehen, weil sich nur so die Beschreitung des Zivilrechtsweges auf Feststellung des Nichtvorliegens eines 'nichtigen' Kaufvertrages (vgl. das Verfahren 11 Cg 262/85 beim LG. Innsbruck) in - zumindest einsichtiger Weise erklären lassen würde.

Unter diesen Umständen kann nach Meinung der erkennenden Behörde aber wohl nicht mehr davon ausgegangen werden, daß das Vorliegen der im §2 Abs2 GVG. 1983 für eine Entscheidungsfindung durch den Vorsitzenden geforderten Voraussetzungen evident ist. ...

Der Vorsitzende hat sohin sachverhaltsbezogen eine Entscheidung getroffen, die sich seiner Zuständigkeit entzieht."

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, an den VfGH gerichtete Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Die Bf. behaupten zunächst, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, weil "die Zielrichtung der Zweifel der bel. Beh. nicht konform mit der gesetzlichen Bestimmung des §2 Abs2 GVG." ginge. Die bel. Beh. wende die Bestimmung des §1 Abs2 GVG in denkunmöglicher Weise an, weil sie unterstelle, daß die Rechtserwerberin dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 GVG angehöre. Zu dieser - unrichtigen - Annahme komme die bel. Beh. dadurch, daß sie eine Vorfrage löse, zu deren Lösung sie nicht berechtigt sei, weil diese Vorfrage bereits rechtskräftig durch ein Versäumungsurteil des Landesgerichtes Innsbruck entschieden worden sei; für die Lösung dieser Vorfrage bleibe im Verwaltungsverfahren aber kein Raum, weil die Entscheidung des zuständigen Gerichtes für die Verwaltungsbehörden bindend sei.

Die Bf. erachten sich zudem im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt, weil die Rechtserwerberin eine Ges.m.b.H. sei, deren Gesellschaftsvermögen sich ausschließlich in österreichischen Händen befinde, sodaß sie zweifelsfrei nicht dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 GVG angehöre; da des weiteren das Grundstück im Sinne der Bestimmung des §1 Abs2 litb GVG im Bauland liege, bestehe auch insoferne kein Grund für die Annahme, daß der vorliegende Kaufvertrag der Bestimmung des §1 Abs2 GVG nicht entspreche, sodaß die bel. Beh. das Gesetz denkunmöglich angewendet habe.

4.2. Die bel. Beh. verweist hingegen zunächst darauf, daß die Beantwortung der Frage, ob ein genehmigungspflichtiger Tatbestand nach §3 Abs1 litg GVG vorliege, nicht unter rein formalrechtlichen Gesichtspunkten erfolgen dürfe; vielmehr habe hier eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Platz zu greifen, wozu auf das Erkenntnis des VfGH VfSlg. 10946/1986 verwiesen werde. Solange nicht geklärt sei, auf Grund welchen Rechtstitels die ausländischen Staatsangehörigen das vom Kaufvertrag betroffene Objekt benutzten, sei die Ausstellung einer sogenannten Negativbestätigung nicht möglich, weil eben nicht "zweifelsfrei" feststehe, ob ein nach dem GVG genehmigungspflichtiger Tatbestand vorliege. Eine Bindung an eine gerichtliche Entscheidung, deren prozessuale Grundlage allein der Parteiendisposition unterliegt (Versäumungs- und Anerkenntnisurteil), im Vorfragenbereich könne nicht eintreten. Die Bejahung einer derartigen Bindungswirkung erscheine auch in Ansehung der im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätze der Offizialmaxime und der materiellen Wahrheit als nicht vertretbar, da ja die Verwaltungsbehörden - anders als im Zivilprozeß - dazu verpflichtet seien, den wirklichen und entscheidungsrelevanten Sachverhalt, auch ohne Rücksicht auf allfällige gegenteilige Äußerungen der Beteiligten, festzustellen. Dazu komme, daß die Rechtskraft eines Urteiles, wie sich aus §411 ZPO ergebe, nur zwischen den Streitteilen, nicht aber "inter omnes" wirke.

4.3. Der VfGH sieht keinen Anlaß, der Ansicht der bel. Beh. zur Frage der Bindung der Grundverkehrsbehörde an das von den Bf. ins Treffen geführte Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. Juli 1985, Z11 Cg 262/85, entgegenzutreten. Aus diesem geht lediglich hervor, daß das Landesgericht Innsbruck mit Versäumungsurteil festgestellt hat, daß der Kaufvertrag zwischen den Vertragsparteien "nicht mit Nichtigkeit behaftet" sei, sondern einen rechtswirksamen Titel zum Erwerb des Eigentumsrechtes darstelle. Im angefochtenen Bescheid wird - zu Recht - der Schluß gezogen, daß das Erwirken dieses Versäumungsurteiles sinnvollerweise nur dahin gedeutet werden kann, daß auch inter partes Zweifel an der Rechtswirksamkeit des zwischen den Vertragspartnern geschlossenen Vertrages bestanden haben, was bereits ausschließe, daß der Vorsitzende der Grundverkehrskommission eine nach §2 Abs2 GVG geforderte "Zweifelsfreiheit" annehmen konnte. Im übrigen genügt es, auf die Ausführungen des - beiliegenden - Erkenntnisses des VfGH vom 28. Juni 1988, B872/87 = VfSlg. 11769/1988, zu verweisen; diesen ist lediglich hinzuzufügen, daß der angefochtene Bescheid verfahrensrechtlicher Natur ist, sodaß eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums schon deshalb nicht in Frage kommt.

4.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Behörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B146.1988

Dokumentnummer

JFT_10119074_88B00146_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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