TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/27 90/10/0026

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Veröffentlicht am 27.03.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §29 Abs1;
ApG 1907 §48 Abs2;
ApG 1907 §53;
AVG §56;
AVG §8;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1.) der A,

2.) der B, 3.) der C, 4.) der D, alle als Miteigentümer der öffentlichen Realapotheke zum "X" in Y, 5.) des Mag. pharm. E als Pächter gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 13. Juni 1989, Zl. 562.098/5-VI/15-1989, betreffend Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in F (mitbeteiligte Partei: Dr. med. G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 12. September 1988 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Mitbeteiligten gemäß § 29 Abs. 1 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG), die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in F.

Die Beschwerdeführer erhoben als Eigentümer und Pächter der öffentlichen Apotheke "X" (einer Realapotheke) in Y in Oberösterreich Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 13. Juni 1989 wies der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst diese Berufung als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Mitbeteiligte habe angegeben, daß die nächstgelegene öffentliche Apotheke (die Apotheke der Beschwerdeführer) von seiner Ordination 6012 m entfernt sei. Die Straßenmeisterei Y I habe eine Entfernung von 6,072 km angegeben. Nach dem Einspruch der Beschwerdeführer betrage diese Entfernung 5,4 km. Nach Ermittlungen der Bezirkshauptmannschaft Y liege eine Entfernung von 6,072 km vor, während die Österreichische Apothekerkammer eine maßgebliche Entfernung von 5971 m angenommen habe. Schließlich habe der Landeshauptmann von Oberösterreich die von der Gemeinde F berichtete Entfernung von 6004 m seinem Bescheid zugrundegelegt.

Auf Anordnung der belangten Behörde habe eine neuerliche Messung durch die Straßenmeisterei Y I stattgefunden. Danach betrage die Gesamtlänge 6005 m. Diese Strecke sei als die kürzeste, dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße, die ganzjährig von Kraftfahrzeugen befahrbar sei, bezeichnet worden, um von der Ordination des Mitbeteiligten bis zur öffentlichen Apotheke der Beschwerdeführer zu gelangen. Weiters sei festgestellt worden, daß auf dem Rückweg von der Apotheke zur Ordination wegen des Einbahnsystems von Y eine kürzere Straßenstrecke zur Verfügung stehe, die nur 5397,7 m lang sei. Die Beschwerdeführer hätten die Genauigkeit der Messung und die Richtigkeit der Auslegung, es sei nur die genannte längere Strecke zugrundezulegen, bestritten.

Die belangte Behörde gehe davon aus, daß die Behörde bei der Entscheidung über die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke von der Situation auszugehen habe, wie sie im Zeitpunkt der Bescheiderlassung auf Grund der geltenden Verordnungen nach der StVO gegeben sei. Einbahnregelungen sowie Regelungen hinsichtlich einer beschränkten Straßenbenützung nur durch Anrainer seien daher beachtlich, wie sie im Bescheiderlassungszeitpunkt vorlägen.

Es komme auf die Wegstrecke an, die ein Patient von der Ordination des Arztes zur Betriebsstätte der nächstgelegenen Apotheke zurücklegen müsse. Dabei sei selbstverständlich, daß der Patient die Strecke wähle, die er unter Einhaltung der StVO benützen dürfe.

Die Argumentation der Beschwerdeführer, daß auch der Rückweg von der Apotheke zur Ordination relevant sein könnte, sei völlig realitätsfremd und dem Sinn des ApG widersprechend, da nicht einzusehen sei, warum der Patient nach Besorgung des Medikamentes zum Arzt zurückgehen sollte. Diese Entfernung von der Apotheke zum Arzt sei daher unmaßgeblich.

Die erfolgte Messung habe eine Entfernung von 6005 m ergeben. Daß die Messung nicht in der Straßenmitte hätte erfolgen sollen, hätte der Vertreter der Beschwerdeführer bereits während des Lokalaugenscheines vorbringen müssen. Eine völlige exakte (zentimetergenaue) Messung sei unmöglich. Eine objektiv bessere Feststellung der maßgeblichen Entfernung als eine Messung durch die zuständige Straßenmeisterei im Beisein der Parteien sei nicht möglich.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wenden sich die Beschwerdeführer gegen die angewendete Meßmethode, die sie bereits in ihrer Stellungnahme vom 18. April 1989 ausdrücklich angezweifelt hätten. Auch bei richtiger Anzeige des Meßrades ergebe sich dadurch, daß das mit der Hand geführte Rad nicht der kürzesten Strecke folge, ein zu hoher Betrag, der bereits bei einer Abweichung von 1 % um 60 m mehr ausmache. Es hätte eine Vermessung durch einen Geometer erfolgen müssen. Auch sei die Messung in der Straßenmitte und an den Kreuzungen unrichtig erfolgt.

Bei richtiger gramatikalischer Auslegung des § 29 Abs. 1 ApG sei als Ausgangspunkt der Entfernungsmessung nicht die Ordination des Arztes, sondern die Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke zu nehmen (arg: "und der Berufsitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist"). Hiefür hätte sich lediglich eine Entfernung von 5,3977 Straßenkilometern ergeben. Selbst wenn aber diese Auffassung nicht geteilt werden sollte, ergebe dennoch eine teleologische Auslegung des § 29 Abs. 1 ApG, daß der Gesetzgeber den Patienten eines Arztes nicht zumuten wolle, mehr als 12 km im Anschluß an den Ordinationsbesuch zur Besorgung von Medikamenten zurückzulegen. Sei es daher auf Grund außergewöhnlicher Umstände, wie z.B. wegen der in Y bestehenden Einbahnführung, der Fall, daß beide Strecken nicht gleich lang seien, sei bei der Prüfung des Bedarfes nach der Haltung einer ärztlichen Hausapotheke das arithmetische Mittel beider Strecken heranzuziehen. Dieses betrage im vorliegenden Fall 5,7015 Straßenkilomter.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die Beschwerdelegitimation der Miteigentümer als "Inhaber" der gegenständlichen Realapotheke im Sinne des § 53 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 ApG ist gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 86/08/0218 = ZfVB 1989/5/1397, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG Bezug genommen wird). Auch der Pächter dieser Apotheke ist nach der Rechtsprechung beschwerdelegitimiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1960, Zl. 478/55).

2.2. § 29 Abs. 1 ApG lautet:

"Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist."

2.3.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. März 1988, Zl. 87/08/0330 = ZfVB 1988/5/1739, ausgesprochen hat, gehört zum Begriffsinhalt des vom Apothekengesetzgeber gewählten Terminus "Straßen-" im § 29 ApG die damit verbundene Vorstellung von einer typischen Benützbarkeit, die den Kraftfahrverkehr miteinschließt, wobei im Hinblick auf die dauerhafte Gewährleistung der Arzneimittelversorgung zu Recht auf die grundsätzliche Ganzjährigkeit der Befahrbarkeit abgestellt wird. Im hg. Erkenntnis vom 17. März 1988, Zl. 87/08/0244 = ZfVB 1988/5/1738, wurde ausgesprochen, daß die im § 29 Abs. 1 ApG genannten "Straßenkilomter" auf einer Straße zu messen sind, die grundsätzlich ganzjährig und nicht auf die Anrainer beschränkt dem Kraftfahrverkehr dient... Ob die gesetzlichen Voraussetzungen, die zur Erlassung der Verordnung geführt haben, allenfalls bereits weggefallen waren, ist im gegebenen Zusammenhang irrelevant, da es auf die im genannten Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegebene Unzulässigkeit der Benützung der Straße durch den allgemeinen Kraftfahrverkehr ankommt.

2.3.2. Die belangte Behörde hat diese Grundsätze zu Recht auf den vorliegenden Fall einer (teilweisen) Einbahnregelung übertragen, wenn sie ausführt, daß Einbahnregelungen sowie Regelungen hinsichtlich einer Beschränkung der Straßenbenützer nur auf den Anrainerverkehr mit jenem Regelungsinhalt beachtlich sind, wie er im Bescheiderlassungszeitpunkt vorliegt.

2.3.3. Zu Recht wendet sich die belangte Behörde auch gegen die Auslegung der Beschwerdeführer, es komme im Fall von Einbahnsystemen nicht auf die von der Ordination zur Apotheke zurückzulegende Strecke, sondern - ausschließlich - auf jene von der Apotheke zur Ordination (die im Beschwerdefall unter sechs Straßenkilometern betragen würde) an. Allein, die belangte Behörde unterliegt demselben Irrtum, wenn sie ihrerseits ausführt, relevant sei nur die Wegstrecke, die ein Patient von der Ordination zur Betriebsstätte der nächstgelegenen Apotheke zurücklegen müsse, die Entfernung von der Apotheke zur Ordination, in dieser Richtung gemessen, sei unbeachtlich. Mit dem Argument der belangten Behörde, es sei nicht einzusehen, warum der Patient nach Besorgung des Medikamentes zum Arzt zurückgehen sollte, wird das Wesen der durch die Apothekengesetznovelle 1984 äußerst formalisierten Umschreibung des Bedarfes nach einer ärztlichen Hausapotheke und der jeweils zu versorgenden Gebiete verkannt. Der Gesetzgeber hat dabei nicht auf die Entfernung, gemessen nach der Luftlinie abgestellt, weil es bei der primär der Wohnbevölkerung dienenden Versorgung mit Heilmitteln auf die tatsächliche Erreichbarkeit der Heilmittelabgabestelle bei einem vertretbaren Zeitaufwand ankommt. Dabei wurde der Terminus "Straßenkilomter" und nicht etwa "Wegstrecke" gewählt, dem die Vorstellung einer für Straßen typischen Benützbarkeit, die den Kraftfahrverkehr miteinschließt, zugrundeliegt. Als Anknüpfungspunkt wurde formalisiert der Verkehrsaufwand des Patienten, der unmittelbar am Ort der Ordination des Arztes

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die sich gemäß § 29 Abs. 1 ApG in einer Ortschaft (vgl. zu diesem Begriff das hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 89/10/0022 - 0024, 0030) ohne öffentliche Apotheke befinden muß - wohnt, gewählt. Auf die durch die geographischen und verkehrsmäßigen in unendlicher Vielfalt gegebenen Verhältnisse im Einzelfall konnte eine generelle, den Bedarf typisierende Regelung nicht Bedacht nehmen. Die

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typisierende - Regelung besagt, daß dem Patienten, der gedachter Weise am Ort des Arztes wohnt, eine Strecke von mehr als sechs Straßenkilometern in einer Richtung nicht zugemutet werden soll. Darauf, wie lange die konkreten Straßenstrecken konkreter Patienten vom Wohnort zum Arzt und von der Apotheke nach Hause sind - die allein schon danach sehr divergieren können, ob der Patient innerhalb oder außerhalb des Umkreises von sechs Straßenkilometern von der öffentlichen Apotheke wohnt

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kommt es nicht an.

Soll also durch die gegenständliche Regelung in einer Ortschaft ohne öffentliche Apotheke der Bedarf nach einer weiteren Arzneimittelabgabestelle für eine - gedacht - Bevölkerung, die am Ort der Ordination wohnt, berücksichtigt werden, dann sind dafür sehr wohl die Verkehrsbewegungen in beide Richtungen, von der Ordination zur öffentlichen Apotheke und von dieser zurück an den Wohnort, dessen Schwerpunkt idealtypisch am Ort der Ordination angenommen wird, von Bedeutung. Hat man es nun mit einer (teilweisen) Einbahnregelung zu tun, dann wird eine sachgerechte Lösung darin bestehen müssen, daß auf beide Strecken Bedacht genommen und ihre Summe halbiert wird.

Dies haben die Beschwerdeführer zutreffend dargetan. Das diesbezügliche Meßergebnis liegt im Beschwerdefall unbestritten unter sechs Straßenkilometern.

2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990100026.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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