TE Vfgh Erkenntnis 1988/9/26 B778/88

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Veröffentlicht am 26.09.1988
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Index

43 Wehrrecht
43/01 Wehrrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ADV §2 Z4
HeeresdisziplinarG §2
ADV §19 Abs3

Leitsatz

HeeresdisziplinarG; Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen verbotenen Verteilen einer Zeitschrift aufgrund von Befehlen, die für den Bf. (einen Grundwehrdiener) nicht unmittelbar iS des §2 Abs4 ADV bindend waren - Willkür

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Landesverteidigung) ist schuldig, dem Bf. zu Handen seines Vertreters die mit 11.000 S bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Über den Wehrmann Mag. B G wurde mit Disziplinarerkenntnis des Kommandanten der Stabskompanie des Pionier-Bataillons Nr. 3 vom 5. Februar 1988 die Disziplinarstrafe des "Ausgangsverbotes mit vollem Entzug des täglichen Ausgangs an drei Tagen" verhängt, weil er am 29. Dezember 1987 in der Schwarzenbergkaserne in Wals bei Salzburg Exemplare der Zeitschrift "Der Igel" verteilt hatte, obwohl er wußte, daß dies verboten sei.

1.2.1. Der dagegen von Mag. G ergriffenen Berufung gab der Kommandant des Pionier-Bataillons Nr. 3 mit Bescheid vom 15. Februar 1988, Z828-3170/01/88, gemäß §36 Abs2 HDG 1985 nicht Folge.

1.2.2. Begründend wurde ua. ausgeführt:

         " . . . Sie (haben) bewußt und mit Vorsatz gegen den

Befehl des Bundesministeriums für

Landesverteidigung/Armeekommando vom 14. März 1975,

Z12.148-2/75, und gegen den Befehl des Korpskommandos II vom

17. Dezember 1987, Z50.281-2221/20/87, verstoßen. . .

Sie begründen Ihre Berufung damit, daß Ihrer Meinung nach die gegen Sie verhängte Disziplinarstrafe und deren legistische Grundlage, der Korpskommandobefehl Z50.281-2221/20/87, gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen der Meinungs- und Pressefreiheit verstoßen. . .

Hiezu wird festgestellt, daß gemäß §7 Abs5 Z1 ADV Einwände gegen einen Befehl nur zulässig sind, wenn nach Ansicht des Untergebenen

-

der Befehl von einer unzuständigen Person oder Stelle erteilt worden ist oder - dessen Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

Da die Kompetenz von Armeekommandant und Korpskommandant zur Erlassung derartiger Befehle gegeben ist, kein Verstoß gegen strafgesetzliche Vorschriften vorliegt und auch kein diesbezüglicher Einwand von Ihrer Seite eingebracht worden war, war dieser Befehl einzuhalten."

1.3.1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des Mag. G an den VfGH, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, so auch im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG iVm Art2 StGG), geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Verwaltungsaktes, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

1.3.2.1. Der Kommandant des Pionier-Bataillons Nr. 3 als bel. Beh. legte die Administrativakten vor und erstattete eine Gegenschrift, worin er für die Abweisung der Beschwerde eintrat.

1.3.2.2. In der Gegenschrift heißt es ua. wörtlich:

" . . . Gemäß §13 Wehrgesetz 1978, BGBl. 150, werden die Allgemeinen Dienstvorschriften von der Bundesregierung mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates erlassen.

Der Kasernkommandant hat u.a. die Rechte des Liegenschaftseigentümers wahrzunehmen.

Der Dienst in Kasernen wird durch §19 der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV), BGBl. 43/1979, geregelt. Gemäß §19 Abs2 ADV hat der Kasernkommandant den inneren Wachdienst, den Bereitschaftsdienst und den Dienst vom Tag zu regeln und alle sonstigen für die militärische Ordnung und Sicherheit in seinem Dienstbereich erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nach §19 Abs3 ADV hat der Kommandant im Rahmen seines Aufgabenbereiches eine Kasernordnung zu erlassen, die insbesondere Vorschriften über den Gebrauch und die Verwahrung von Waffen und Munition im Kasernbereich, das Betreten und Befahren dieses Bereiches, Maßnahmen bei Dunkelheit sowie Vorschriften im Zusammenhang mit der Einnahme von Mahlzeiten zu enthalten hat. An Gebäuden, die dem Bundesheer gehören, ist das Anbringen von Plakaten und Ankündigungen nur zulässig, wenn dies von dienstlichem Interesse ist oder diese Plakate und Ankündigungen amtlichen Charakter haben (§19 Abs4 ADV).

Das Korpskommando II hat mit Befehl vom 17. Dezember 1987, Z50.281-2221/20/87, angeordnet, daß in die bestehenden Kasernordnungen aller Kasernen als zusätzlicher Punkt anzuführen ist:

'Verbreitung von Druckwerken:

Sowohl der entgeltliche Vertrieb und die untentgeltliche Verteilung als auch das Aushängen und Anschlagen von nichtdienstlichen Druckwerken aller Art in militärischen Liegenschaften ohne Genehmigung der Kasernkommandanten ist verboten.'

Das Kasernkommando Schwarzenbergkaserne hat mit Befehl vom 4. Jänner 1988, Z 0029-1500/88 (im Akt Z20.856/393-2.10/88 inliegend), die entsprechende Änderung der Kasernordnung durchgeführt.

Gemäß §2 Z4 ADV gelten iS der ADV als Befehle alle von Vorgesetzten gegenüber Untergebenen getroffenen Anordnungen (Gebote und Verbote) zu einem bestimmten Verhalten. Der Befehl des Korpskommandos II vom 17. Dezember 1987 hat ein bestimmtes Verhalten des Soldaten (d.h. nur mit Genehmigung des Kasernkommandanten Druckwerke in militärischen Liegenschaften zu verbreiten) zum Inhalt und stellt sich daher als Befehl iS des §2 ADV dar.

. . . der Kasernkommandant (hat) u.a. alle für die militärische Ordnung und Sicherheit in seinem Dienstbereich erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zu den für die militärische Ordnung und Sicherheit zu treffenden erforderlichen Maßnahmen zählt (es) u.a. auch, Regelungen hinsichtlich der Verbreitung von Druckwerken zu erlassen. Im Anlaßfall hat der Kasernkommandant in Vollziehung des Befehles des Korpskommandos II vom 17. Dezember 1987 die Kasernordnung entsprechend abgeändert. . .

"

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH verletzt ein verwaltungsbehördlicher Bescheid das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht ua. dann, wenn die bescheiderlassende Behörde Willkür übte, indem sie sich etwa gehäuftes Verkennen der Rechtslage zu Schulden kommen ließ (vgl. VfSlg. 8783/1980, 9024/1981, 9824/1983, 10129/1984, 10520/1985 uvam.). Dies trifft hier zu:

2.2.1. Dem Bf. wurde zur Last gelegt, am 29. Dezember 1987 je einem Befehl des Armeekommandos und des Korpskommandos II zuwidergehandelt zu haben (s. dazu Abschnitt 1.2.2.).

2.2.2. Entgegen der - gar nicht näher begründeten Rechtsauffassung der bel. Beh. sind aber diese beiden dem Disziplinarbescheid zugrundegelegten Befehle ganz offenkundig nicht als Anordnungen zu verstehen, die den Bf. iS des §2 Z4 ADV unmittelbar binden und (zu einem bestimmten Verhalten) verpflichten. Denn der ("bis zu den Truppenkörpern und Kasernenkommanden zu verteilen(de)") Befehl des Armeekommandos vom 14. März 1975 richtet sich nach seinem klaren und unmißverständlichen Wortlaut (s. Einleitungssatz S 1 und letzter Absatz S 4) nicht an Grundwehrdiener selbst - so also auch nicht an den Bf. - , sondern an Militärdienststellen, denen (erst) aufgetragen wird, im militärischen Bereich (im Zusammenhang mit negativem wehrpolitischen Schrifttum) Präventivmaßnahmen zu treffen. Die Nichtbeachtung dieses Verwaltungsaktes kann dem Bf. folglich nicht angelastet werden. (Daß er den Befehl des Armeekommandos vollziehende und sich an Grundwehrdiener unmittelbar wendende Maßnahmen mißachtet habe, wurde ihm im Disziplinarverfahren nicht vorgeworfen).

Der zweite im angefochtenen Bescheid relevierte Befehl des Korpskommandos II wieder trägt lediglich den (zur Erstellung einer Kasernordnung verhaltenen (: §19 Abs3 ADV)) Kasernkommandanten eine Ergänzung dieser (Kasernen-)Vorschriften (über "nicht dienstliche Druckwerke") auf, ein Auftrag, der vom Kommandanten der Schwarzenbergkaserne erst am 4. Jänner 1988 befolgt wurde. Der - hier bedeutsame - ergänzende Teil der Kasernordnung, der - anders als der sich (nur) an die Kasernkommandanten wendende Befehl des Korpskommandos - (auch) für den Bf. gilt, gehörte darum zur Tatzeit (29. Dezember 1987) noch gar nicht dem Rechtsbestand an.

2.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die bel. Beh. allein schon deshalb, weil sie diese Sach- und Rechtslage insgesamt mehrfach grob verkannte, (den angefochtenen Bescheid mit Verfassungswidrigkeit belastende) objektive Willkür iS der zitierten Rechtsprechung zu verantworten hat.

Der Berufungsbescheid war darum aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 1.000 S enthalten.

2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Militärrecht, Geltungsbereich einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B778.1988

Dokumentnummer

JFT_10119074_88B00778_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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