TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/15 90/19/0501

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Veröffentlicht am 15.04.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs6;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §45 Abs3;
VStG §24;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. August 1990, Zl. MA 63-I 1/90, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 89/08/0252, verwiesen, mit dem der damals angefochten gewesene Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 21. Juli 1989 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war; dies mit der Begründung, daß die belangte Behörde spruchmäßig lediglich zum Ausdruck gebracht habe, daß die Arbeitnehmer "von diesem Gerüst" mehr als 2 m abstürzen hätten können, nicht jedoch, daß eine solche Absturzmöglichkeit bei den vom Spruch betroffenen "Gerüstlagen (Gerüstbelägen)" gegeben gewesen wäre.

2. Im daraufhin - das vorgenannte Erkenntnis war bei der belangten Behörde am 8. März 1990 eingelangt - ohne Vornahme weiterer Verfahrensschritte fortgesetzten Verfahren, bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis vom 27. Juni 1988 im Umfang des Spruchpunktes 2. - hinsichtlich des Spruchpunktes 1. war das Straferkenntnis bereits mit dem insoweit unbekämpft gebliebenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 1989 behoben und das Strafverfahren in dieser Hinsicht eingestellt worden - gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges mit der Maßgabe, daß der erste und der zweite Satz des Spruches zu lauten haben:

"Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der N. Gesellschaft m.b.H., die Komplementärin der A. & E. N. KG ist, zu verantworten, daß am 24. September 1987 Arbeitnehmer dieser Kommanditgesellschaft auf der Baustelle in Wien, M-Gasse 20, auf einem Gerüst beschäftigt wurden, bei welchem jene Gerüstlage (Gerüstbeläge), auf der zwei Arbeitnehmer mit Ausbesserungsarbeiten an der Fassade tätig waren, nicht mit einer Fuß- und Brustwehr sowie alle anderen Gerüstlagen (Gerüstbeläge) nicht mit einer Mittel- und Fußwehr ausgestattet waren, obwohl von allen Gerüstlagen (Gerüstbelägen) Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen hätten können.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 46 Abs. 6 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983."

Gleichzeitig wurde in Anwendung des § 51 Abs. 4 VStG die gemäß § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, (ASchG) zu Spruchpunkt 2. verhängte Strafe auf

S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe acht Tage) herabgesetzt und gemäß § 64 VStG der erstinstanzliche Kostenbeitrag auf S 800,-- ermäßigt. Zu den Kosten des Berufungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer kein Beitrag vorgeschrieben (§ 65 VStG).

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf "Nichtbestrafung" sowie in seinem Recht "auf Anwendung des § 21 VStG im Sinne eines Absehens von der Strafe" verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Vorweg ist auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, es wäre das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs. 5 VStG (idF vor der Novelle 1990, BGBl. Nr. 358) einzustellen gewesen, "da die gesamte Frist für die Entscheidung der Berufungsbehörde in beiden Verfahren mehr als ein Jahr betragen hat".

1.2. Nach der vorzitierten, im Beschwerdefall noch anzuwendenden Bestimmung - die entsprechende Vorschrift des § 51 Abs. 7 VStG idF der Novelle 1990 trat erst mit 1. Jänner 1991, also einem Zeitpunkt in Kraft, zu dem das der Beschwerde zugrunde liegende Verfahren bereits abgeschlossen war - gilt der angefochtene Bescheid als aufgehoben und ist das Verfahren einzustellen, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb eines Jahres ab Einbringung der Berufung erlassen wird. Wurde die Berufungsentscheidung innerhalb der Jahresfrist erlassen, diese aber - wie hier - durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben (vgl. oben I.1.), so ist der Berufungsbehörde nach der ständigen Judikatur dieses Gerichtshofes neuerlich eine Frist, und zwar von einem Jahr ab Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses an sie eingeräumt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1984, Slg. Nr. 11.621/A). Da der belangten Behörde das Vorerkenntnis Zl. 89/08/0252 am 8. März 1990 zugestellt worden ist, war im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheides am 28. August 1990 die der belangten Behörde (neuerlich) zur Verfügung stehende Frist von einem Jahr noch nicht abgelaufen.

2.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß die belangte Behörde den Ersatzbescheid nur erlassen hätte dürfen, wenn sich aufgrund des Ermittlungsverfahrens ergeben hätte, daß der nunmehr präzisierte Vorwurf "wahr wäre". Ein solches Ermittlungsverfahren sei aber nicht durchgeführt worden, weshalb keine Verfahrensergebnisse vorlägen, welche die Tatanlastung rechtfertigten. Insbesondere ergebe sich aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates nicht, daß die Gerüstlage, auf der die Arbeitnehmer angetroffen worden seien, höher als 2 m gewesen sei, und die Arbeitnehmer daher mehr als 2 m von dieser Gerüstlage hätten abstürzen können.

2.2. Laut der Anzeige des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten vom 6. Oktober 1987 wurden am 24. September 1987 anläßlich einer Überprüfung der Baustelle in Wien, M-Gasse 20, näher bezeichnete Mängel festgestellt, nämlich: "1) Sämtliche Enden der Gerüstlagen in Höhen von mehr als 2 m über dem Gehsteig waren nicht mit Absturzsicherungen versehen ..... 2) Bis auf eine Gerüstlage, auf der zwei Arbeitnehmer mit Ausbesserungsarbeiten an der Fassade beschäftigt waren, waren sämtliche Gerüstlagen nicht mit Mittel- und Fußwehren versehen. Auf der eingangs erwähnten Gerüstlage fehlte dafür die Fuß- und Brustwehr ....". Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ergibt sich nach Auffassung des Gerichtshofes aus den vorstehend wiedergegebenen Punkten 1) und 2) eindeutig, daß die Anzeige ausschließlich Gerüstlagen in einer Höhe von mehr als 2 m über dem Gehsteig betraf und daher auch jene, auf der zwei Arbeitnehmer angetroffen wurden, dieses Merkmal aufwies. Dieser Anzeigen-Sachverhalt war Gegenstand der an den Beschwerdeführer gerichteten "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 12. Februar 1988; der Beschwerdeführer hat dazu in seiner Eingabe vom 20. März 1988 Stellung genommen, ohne diesen Sachverhalt konkret zu bestreiten. In dem nach Vornahme weiterer Ermittlungsschritte erlassenen Straferkenntnis vom 27. Juni 1988 hat die Erstbehörde den in der Anzeige dargestellten Sachverhalt als maßgeblichen Sachverhalt festgestellt und in den Spruchpunkten 1. und 2. umschrieben. In der dagegen erhobenen Berufung finden sich dazu keinerlei Einwände. Bei dieser Sachlage hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, nach Zustellung seines aufhebenden Erkenntnisses Zl. 89/08/0252 an sie ohne weitere Verfahrensschritte den Ersatzbescheid mit dem nunmehr statt auf "Gerüst" auf "Gerüstlage (Gerüstbeläge)" abgestellten Spruch zu erlassen, keine rechtlichen Bedenken.

3.1. Der Beschwerdeführer behauptet, die "anderen" Gerüstlagen (gemeint offensichtlich jene, auf denen vom Arbeitsinspektor keine Arbeitnehmer angetroffen worden waren) seien "nicht von Belang, weil an diesen auch nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht gearbeitet wurde". Der Beschwerdeführer sei für diese Gerüstlagen aber auch deshalb nicht verantwortlich, weil das Gerüst nicht von ihm, sondern von einem anderen (namentlich genannten) Unternehmen errichtet worden sei. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage.

3.2. Wie sich aus § 46 Abs. 6 erster Satz AAV

- "Gerüstbeläge, die über Gewässern liegen oder von denen Arbeitnehmer mehr als 2 m abstürzen können, müssen mit Brust- und Fußwehren gesichert sein; dies gilt auch für Öffnungen im Gerüstbelag" - ergibt, ist das Gebot der hier vorgeschriebenen Sicherung nicht davon abhängig, daß dauernd oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (hier: im Zeitpunkt der Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat) auf jeder Gerüstlage gearbeitet wird; vielmehr ist danach jede Gerüstlage, die der Durchführung von Arbeiten durch die Arbeitnehmer an der betreffenden Baustelle zu dienen bestimmt ist, und auf der demnach der Aufenthalt von Arbeitnehmern zur Vornahme von Arbeiten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, von dem gesetzlichen Sicherungsgebot erfaßt.

Was den unter 3.1. zweitgenannten Einwand anlangt, ist der Beschwerde entgegenzuhalten, daß - worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend hingewiesen hat - Normadressat des § 46 Abs. 6 AAV nicht der Errichter des Gerüstes, sondern der Arbeitgeber der auf dem Gerüst tätigen Arbeitnehmer ist.

4.1. Der Beschwerdeführer rügt des weiteren, daß ihm die belangte Behörde nach Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses Zl. 89/08/0252 keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe; sie habe ihn "nicht einmal davon verständigt, ob sie das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn überhaupt weiterführt" und ihn auch nicht aufgefordert, weitere Beweisanbote und weiteres Vorbringen zu erstatten, um sich zu rechtfertigen. Die belangte Behörde habe daher den Grundsatz des Parteiengehörs in krasser Weise verletzt.

4.2. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Da die belangte Behörde - wie bereits dargetan, unbedenklicherweise - im fortgesetzten Verfahren keine (weiteren) Ermittlungen vornahm, gab es auch kein "Ergebnis der Beweisaufnahme", das dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht hätte werden können. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kam schon deshalb nicht in Betracht.

5.1. Nach Meinung des Beschwerdeführers wäre es wesentlich gewesen, zu erforschen und festzustellen, womit die Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Betretung beschäftigt gewesen seien. Seien sie nämlich mit der Demontage beschäftigt gewesen, so fehlte es am Tatbestand. Dazu hätte die belangte Behörde den Zeugen Z. vernehmen müssen; dies wäre geeignet gewesen, den "wahren" Sachverhalt festzustellen.

5.2. Wie in der Beschwerde im gegebenen Zusammenhang selbst ausgeführt, wurde der Vorgenannte, ein auf der besagten Baustelle tätig gewesener Arbeitnehmer, bereits von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz, und zwar am 9. Mai 1988 zu dem vom Beschwerdeführer genannten Beweisthema als Zeuge einvernommen. Z. hat dazu unter anderem - hier von Relevanz - ausgesagt, er habe ein Schutznetz angebracht, das aber etwa zwei Stunden vor der Erhebung durch das Arbeitsinspektorat entfernt worden sei, "da die Arbeit an diesem Gesimse am gleichen Tag noch beendet war". Damit hat der Zeuge aber nicht - worauf das Beschwerdevorbringen abzielt - zum Ausdruck gebracht, daß schon zwei Stunden vor Erscheinen des Arbeitsinspektors mit dem Abbau des Gerüstes begonnen worden sei. Der Hinweis auf die Entfernung eines Schutznetzes und die Beendigung der Arbeiten noch "am gleichen Tag" schließen keineswegs aus, daß die Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor (noch) mit - wie in der Anzeige ausgeführt - "Ausbesserungsarbeiten an der Fassade beschäftigt waren". Wenn die belangte Behörde die zuletzt genannten Angaben als maßgeblichen Sachverhalt feststellte, so liegt dieser Sachverhaltsannahme eine Beweiswürdigung zugrunde, die nicht als unschlüssig zu erkennen ist. Sie basiert aber auch nicht auf einer - wie vom Beschwerdeführer behauptet - unzureichenden Beweisaufnahme, da die belangte Behörde angesichts der ihr vorliegenden Beweisergebnisse, vor allem auch einer schon von der Erstbehörde aufgenommenen Aussage des Arbeitnehmers Z. als Zeuge, von einer neuerlichen Vernehmung des Genannten als entbehrlich absehen durfte.

6.1. Zur subjektiven Tatseite bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde - wie bereits vorher im Verwaltungsstrafverfahren - vor, er habe die Baustelle insofern beaufsichtigt, als er das Gerüst als mangelhaft errichtet erkannt und daraufhin dem Vorarbeiter Z. den Auftrag zur Vervollständigung des Gerüstes gemäß den Sicherheitsvorschriften erteilt habe. Mit dieser Anordnung habe der Beschwerdeführer den Entlastungsbeweis i.S. des § 5 Abs. 1 VStG erbracht. Eine weitere, über diesen Auftrag an einen bisher stets zuverlässigen Arbeitnehmer hinausgehende Kontrolle sei ihm aufgrund der äußerst kurz dauernden Arbeit an dem Gerüst "überhaupt nicht möglich" gewesen.

6.2. Da es sich bei der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt handelt, greift die im § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verankerte widerlegbare Schuldvermutung zu Lasten des Täters Platz: Dieser hat von sich aus sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Dem vom Beschwerdeführer in dieser Hinsicht erstatteten Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren mangelte indes die Eignung darzutun, daß er ein - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für erforderlich erachtetes - dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet habe, von dem mit gutem Grund erwartet werden könne, daß es die tatsächliche Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherstelle. Die Erteilung einer Weisung an einen (zuverlässigen) Arbeitnehmer, das Gerüst den Sicherheitsvorschriften entsprechend zu "vervollständigen", reicht dazu schon deshalb nicht aus, weil eine wirksame Kontrolle sich auch auf die Einhaltung der erteilten Weisungen zu erstrecken hat. Das Argument, im Beschwerdefall sei eine Überprüfung der Befolgung der vom Beschwerdeführer erteilten Weisung nicht möglich gewesen, da die Arbeiten auf der Baustelle schon kurz darauf beendet worden seien, ist vom Ansatz her verfehlt. Um von einem den betrieblichen Erfordernissen angepaßten, wirksamen Kontrollsystem sprechen zu können, muß dieses unabhängig von der Dauer der Arbeiten an einer bestimmten Baustelle bzw. auf einem bestimmten Gerüst funktionieren, m.a.W. die Beachtung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auch in Fällen lediglich kurzzeitiger Arbeiten gewährleisten.

7.1. Der Beschwerdeführer meint schließlich, im Beschwerdefall lägen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände die Gründe für eine Anwendung des § 21 VStG vor. Entgegen der Annahme der belangten Behörde sprächen mehrere Gründe dafür, "um von einem nur geringfügigen Verschulden, wenn überhaupt von einem schuldhaften Handeln zu sprechen". Der Beschwerdeführer verweist hiezu auf folgende Umstände:

Errichtung des Gerüstes durch ein befähigtes und befugtes Unternehmen; Aufforderung durch den Beschwerdeführer selbst, den Mangel am Gerüst zu beseitigen; Übertragung des Verbesserungsauftrages an einen zuverlässigen und eingeschulten Vorarbeiter; kurze Dauer der Arbeiten, so zwar, daß eine Überprüfung der Ausführung des Verbesserungsauftrages gar nicht möglich gewesen sei.

7.2. Gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Ist eines der beiden Kriterien nicht erfüllt, so kommt eine Anwendung dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1987, Zl. 87/10/0024). Wenn somit nicht vom Vorliegen eines geringfügigen Verschuldens ausgegangen werden kann, bedarf es keiner Erörterung der Frage mehr, ob die Folgen der Übertretung unbedeutend gewesen seien.

Keiner der unter 7.1. angeführten, vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gesichtspunkte vermag das Vorliegen eines bloß geringfügigen Verschuldens darzutun. Die Tatsache, daß das Gerüst von einem vom Arbeitgeber verschiedenen Dritten errichtet worden ist, ändert nichts an der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Erstgenannten für Mängel im Grunde des § 46 Abs. 6 AAV; ebenso wie den Arbeitgeber der besagte Umstand nicht i.S. des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG zu entlasten vermag, ist dieser auch nicht geeignet, das Verschulden des Arbeitgebers an einem Verstoß gegen § 46 Abs. 6 AAV als geringfügig erscheinen zu lassen. Daß der Beschwerdeführer selbst die Beseitigung festgestellter Mängel am Gerüst angeordnet und mit den dazu erforderlichen Maßnahmen einen zuverlässigen und geschulten Vorarbeiter betraut hat, war Teil der ihm obliegenden - allerdings, wie gezeigt, unzureichenden - Kontrolltätigkeit; das Ergreifen von Maßnahmen im Rahmen einer gesetzlichen Verpflichtung kann aber nicht zur Geringfügigkeit des Verschuldens führen. Was die angebliche Unmöglichkeit der Kontrolle der Ausführung der vom Beschwerdeführer getroffenen Anordnung infolge der kurzen Dauer der Arbeiten anlangt, so wurde unter 6.2. dargelegt, daß es sich bei der insoweit fehlenden Überprüfung der Befolgung einer erteilten Weisung tatsächlich um einen grundlegenden Mangel im Kontrollsystem handelt, das ohne Rücksicht auf die Dauer der Arbeiten die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherzustellen hat. Daß aber ein derartiger Mangel das Verschulden an der Verletzung des § 46 Abs. 6 AAV nicht auf ein geringfügiges zu reduzieren geeignet ist, bedarf keiner weiteren Darlegungen.

Da somit bereits das erste Kriterium des § 21 Abs. 1 erster Satz VStG nicht erfüllt ist, hat die belangte Behörde von dieser Bestimmung im Beschwerdefall zu Recht nicht Gebrauch gemacht.

8. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als zur Gänze unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

9. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

10. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Parteiengehör Allgemein Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190501.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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