TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/24 90/03/0272

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Veröffentlicht am 24.04.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §5 Abs4 lita idF 1991/207;
StVO 1960 §5 Abs4 litb idF 1991/207;
VStG §6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatpräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 11. Oktober 1990, Zl. 8V-314/11/90, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 bestraft, weil er am 2. Juli 1989 um 17.20 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf einem näher bezeichneten Straßenstück in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß beim Beschwerdeführer anläßlich einer Messung des Atemluftalkoholgehaltes ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,88 bzw. 0,92 mg/l gemessen worden sei. "Dieser Umstand" (gemeint: die Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung) sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Der Beschwerdeführer habe sich dahin verantwortet, daß sich seine Begleiterin in einem kritischen Gesundheitszustand befunden habe. Da er der Meinung gewesen sei, sie müsse sofort nach Hause gebracht werden, habe er sie trotz des Konsums von Alkohol sofort nach Hause geführt. Seiner Meinung nach wäre ein Rettungswagen nicht zeitgerecht gekommen, hätte die Begleiterin einen gesundheitlichen Schaden erleiden können und wäre das Abwarten der Rettung mit Lebensgefahr für sie verbunden gewesen. Dem hielt die belangte Behörde das schlüssige Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen entgegen, wonach Schmerzen, Übelkeit und Angstzustände, wie sie im Rahmen der nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Begleiterin vorliegenden Erkrankung (Uteruskarzinom) vorkommen könnten, keine schwere unmittelbare Gefahr für das Leben bedeuteten. Durch Herbeiholen von Rettung oder Arzt hätte die Hilfe adäquat bzw. noch schneller erfolgen können. Da im Hause des Zeugen B (wo der vom Beschwerdeführer behauptete "Anfall" seiner Begleiterin aufgetreten sein soll) ein Telefon vorhanden gewesen sei, wäre dem Beschwerdeführer ein Anruf bei der Rettung zumutbar gewesen. Es sei daher kein Notstand im Sinne des § 6 VStG vorgelegen. Abgesehen davon sei auch auf die insoferne wechselnde Verantwortung des Beschwerdeführers hinzuweisen, als er anläßlich der Beanstandung an Ort und Stelle lediglich ausgeführt habe, Alkohol konsumiert zu haben, mit keinem Wort allerdings auf den Gesundheitszustand seiner Begleiterin und somit auf einen Notstand hingewiesen habe. Nach Ansicht der belangten Behörde sei es somit eindeutig erwiesen, daß der Beschwerdeführer aus freien Stücken die in Rede stehende Fahrt angetreten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 3. Dezember 1990 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1991, G 274-283/90 und Folgezahlen, wurden der zweite Satz des Absatzes 4a ("Im Falle einer Untersuchung der Atemluft nach Abs. 2a lit. b hat eine Vorführung nach Abs. 4 zu unterbleiben.") sowie die Wortfolge "von 0,4 bis 0,5 mg/l" in Absatz 4b des § 5 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung der 13. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof sprach aus, daß die aufgehobenen Bestimmungen auch in jenen Rechtsachen nicht mehr anzuwenden sind, in denen vor dem 27. Februar 1991, 10.30 Uhr, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde.

Somit ist auch im Beschwerdefall die bereinigte Rechtslage der verwaltungsgerichtlichen Prüfung des angefochtenen Bescheides zugrunde zu legen. Damit ist für den Beschwerdeführer jedoch nichts gewonnen: Da er keine Zweifel am Ergebnis der Atemalkoholuntersuchung geäußert hat, ist nicht erkennbar, daß die Anwendung der verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen für seine Rechtsstellung nachteilig war (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 1991, B 1402/89).

Der Beschwerdeführer beruft sich im Hinblick auf den von ihm behaupteten "bedrohlichen Gesundheitszustand" seiner Begleiterin auf Notstand bzw. Putativnotstand. Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß die belangte Behörde seiner Rechtfertigung, er habe die Fahrt wegen des bei seiner Begleiterin aufgetretenen Leidenszustandes unternommen, den Glauben versagte. Mit der von ihr getroffenen Feststellung, daß der Beschwerdeführer die in Rede stehende Fahrt "aus freien Stücken" angetreten habe, setzte die belangte Behörde einen Akt der freien Beweiswürdigung. Diese ist jedoch nur insoweit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Auf dem Boden dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit der Beweiswürdigung wahrzunehmen. Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, bei seiner Anhaltung durch den Meldungsleger nicht auf den nunmehr behaupteten Notstand aufgrund des Gesundheitszustandes seiner Begleiterin hinzuweisen. Aus der Unterlassung eines solchen Hinweises konnte die belangte Behörde den Schluß ziehen, daß der Beschwerdeführer NICHT aufgrund des Gesundheitszustandes seiner Begleiterin zur Fahrt veranlaßt wurde. Nach der Lebenserfahrung wäre nämlich damit zu rechnen gewesen, daß der Beschwerdeführer andernfalls auf den von ihm als lebensbedrohend eingeschätzten Gesundheitszustand seiner Mitfahrerin und auf die Dringlichkeit der Hilfeleistung hingewiesen hätte, zumal die Atemluftuntersuchung nach der Aktenlage erst rund eine Dreiviertelstunde nach dem Lenken des Fahrzeuges erfolgte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990030272.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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