TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/24 90/03/0165

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Veröffentlicht am 24.04.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;
VStG §47 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheiddes Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Mai 1990, Zl. IIb2-V-8288/1-1990, betreffend eine Übertretung des Kraftfahrgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel richtete am 19. September 1989 an den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG die Aufforderung, der Behörde binnen zwei Wochen bekanntzugeben, wer das Fahrzeug am 26. August 1989 um 23,55 Uhr auf der B 170 aus Richtung Kirchberg kommend durch das Ortsgebiet von Brixen i.Th. in Richtung Westendorf gelenkt habe, wobei eine Geschwindigkeitsüberschreitung und eine Mißachtung einer Anhaltung durch einen Gendarmeriebeamten bei der Seilbahn "Hoch-Brixen" erfolgt sei.

Fristgerecht gab der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11. Oktober 1989 durch seinen anwaltlichen Vertreter bekannt, das Fahrzeug sei vom Geschäftskollegen J., wohnhaft an einer bestimmten Adresse in Sterzing (Südtirol), gelenkt worden.

Daraufhin wurde - ohne Vornahme weiterer Erhebungen über das Zutreffen der vom Beschwerdeführer behaupteten Angaben - der Beschwerdeführer mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 31. Oktober 1989 einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG (Nichterteilung der Lenkerauskunft) schuldig erkannt und bestraft, wogegen er rechtzeitig Einspruch erhob.

Mit Verfahrensanordnung vom 22. November 1989 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen vier Wochen als Beweis dafür, daß die von ihm in der Auskunft vom 11. Oktober 1989 genannte Person das Fahrzeug gelenkt habe, eine notarielle oder gerichtlich beglaubigte Erklärung des angegebenen Lenkers vorzulegen. Als geeignetes Beweismittel käme auch eine polizeiliche An- oder Abmeldebestätigung, bei einer Hotelnächtigung ein Auszug aus dem Fremdenbuch in Frage. Schließlich könnten auch inländische Personen namhaft gemacht werden, die vom Aufenthalt und dem Lenken des Kraftfahrzeuges durch diese Person wissen.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom 4. Jänner 1990 gab der Beschwerdeführer bekannt, er habe sogleich ein Schreiben an den genannten Lenker gerichtet. Dieses habe jedoch nicht zugestellt werden können, da die Person zwischenzeitig nach Bozen verzogen sei. Die dortige Anschrift sei noch nicht zu eruieren gewesen. Um eine Frist von einem Monat werde ersucht. Mit Schreiben vom 18. Jänner 1990 teilte der Beschwerdeführer auf Grund einer Aufforderung der Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG mit, er habe die Anschrift in Bozen noch nicht ermitteln können.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 30. Jänner 1990 wurde der Beschwerdeführer abermals einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG (Nichterteilung einer ausreichenden Auskunft) schuldig erkannt und über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt. Die Begründung beschränkte sich im wesentlichen darauf, daß der Beschwerdeführer keine ausreichende Auskunft erteilt habe.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung. Die Erstbehörde veranlaßte in der Folge die Klärung der Einkommensverhältnisse und der Sorgepflichten des Beschwerdeführers über den Gendarmerieposten Brixen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Mai 1990 wurde die Berufung abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 103 Abs. 2 KFG aus, der Beschwerdeführer habe zwar einen Lenker genannt, aber sodann der weiteren Aufforderung (Verfahrensanordnung vom 22. November 1989) nicht entsprochen, da er der Behörde lediglich mitgeteilt habe, daß der angebliche Lenker nach Bozen verzogen sei und eine Anschrift in Bozen nicht habe ermittelt werden können. Da der angebliche Lenker auch vom Beschwerdeführer nicht habe gefunden werden können, sei keine ausreichende Lenkerauskunft erteilt worden. Im übrigen sei gemäß § 103 Abs. 2 KFG die Auskunftspflicht darauf gerichtet, wer das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt habe. Die Angabe der Örtlichkeit sei nicht erforderlich. Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zunächst veranlaßt festzustellen, daß die Vorgangsweise der Behörde erster Instanz, wenn eine im Ausland wohnhafte Person als Lenker genannt wird, sofort mit einer Strafverfügung wegen Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG gegen den Zulassungsbesitzer vorzugehen, nicht den Intentionen des § 47 VStG entspricht.

Wie die Lenkerauskunft vom 11. Oktober 1989 zeigt, hat der Beschwerdeführer entgegen seiner Behauptung in der Beschwerde nicht von der im § 103 Abs. 2 KFG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, jene Person zu nennen, die die Auskunft im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG erteilen kann, wenn er selbst hiezu nicht imstande ist, sondern eine bestimmte Person als Lenker bezeichnet. Seine von der aktenwidrigen Annahme, er habe eine Person genannt, die Auskunft geben könne, ausgehenden Darlegungen gehen daher ins Leere.

Es trifft zwar zu, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der betroffene Zulassungsbesitzer im Rahmen der bestehenden Mitwirkungspflicht verhalten werden kann, wenn er eine nur im Ausland zu erreichende Person als Lenker benennt, die Lenkereigenschaft der genannten Person z.B. durch Beibringung einer schriftlichen Erklärung des angeblichen Lenkers unter Beweis zu stellen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0152). Im vorliegenden Fall wurde jedoch vom Beschwerdeführer in der Folge mitgeteilt, daß er an die als Lenker genannte Person zwar ein Schreiben gerichtet habe, dieses aber nicht habe zugestellt werden können, weil die Person von Sterzing nach Bozen verzogen sei und es bisher nicht gelungen sei, die neue Anschrift zu ermitteln. Bei dieser Sachlage wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, den Beschwerdeführer aufzufordern, die diesbezüglich behauptete Korrespondenz, insbesondere auch die Postrelation, vorzulegen, um daraus Schlüsse in der Richtung ziehen zu können, ob die vom Beschwerdeführer genannte Person an der von ihm angegebenen Adresse überhaupt existent und wohnhaft war. Verzog diese Person nämlich in der Zwischenzeit, so könnte dies unter Umständen für die Verschuldensfrage von Bedeutung sein.

Diese Ausführungen zeigen, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es seien die Aufforderung im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG sowie die Strafverfügung und das Straferkenntnis offensichtlich nicht von mit einer entsprechenden Approbationsbefugnis ausgestatteten Person unterfertigt worden, sodaß auch keine taugliche Verfolgungshandlung gegen ihn gesetzt worden sei, verstößt er gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot, da er im Verwaltungsverfahren diesbezüglich nichts vorgebracht hat und die belangte Behörde demgemäß auch anhand der Aktenlage keine Veranlassung hatte, in dieser Richtung amtswegige Ermittlungen zu pflegen. Es ist daher auf diese Einwendungen unabhängig davon, ob dem Vorbringen Berechtigung zukäme, vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht näher einzugehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1991, Zlen. 90/02/0176, 0196). Im Zuge des weiteren Verwaltungsstrafverfahrens wird jedoch von der belangten Behörde darauf einzugehen sein.

Der angefochtene Bescheid war daher im Hinblick auf die obigen Ausführungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Über den in dieser Verordnung für den Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag hinaus kann für ergänzende Schriftsätze kein zusätzlicher Zuspruch erfolgen. Das Mehrbegehren für einen solchen war daher abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990030165.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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