TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/26 90/18/0275

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Veröffentlicht am 26.04.1991
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Index

20/04 Erbrecht einschließlich Anerbenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ASVG §293;
AVG §45 Abs2;
BSVG §141;
HöfeG Tir §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Johann N gegen den Bescheid der Landeshöfekommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 5. November 1990, Zl. LHK-56/8-89, betreffend Abweisung eines Ansuchens um Aufhebung der Hofeigenschaft gemäß § 7 Abs. 1 des Tiroler Höfegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landeshöfekommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 5. November 1990 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Bewilligung der Aufhebung der Hofeigenschaft des geschlossenen Hofes "Gansleit" in EZ. 129 I KG X gemäß § 7 des Tiroler Höfegesetzes, LGBl. Nr. 47/1900 in der geltenden Fassung, abgewiesen.

Nach einer Wiedergabe der im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Tiroler Höfegesetzes und der dazu ergangenen hg. Judikatur vertrat die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß die Frage zu beantworten sei, ob die Höhe des auf dem in Rede stehenden geschlossenen Hof erzielbaren Einkommens, also der Ertrag des Hofes, als ausreichend für eine angemessene Familienerhaltung im Sinne des Tiroler Höfegesetzes anzusehen sei. Aus dem von der Berufungsbehörde eingeholten und in der Begründung des Berufungsbescheides wiedergegebenen Gutachten des Sachverständigen geht hervor, daß sich aus der Forstwirtschaft, Tierhaltung, "Entschädigung Skipiste", Bergbauernzuschuß, Bewirtschaftungsprämie, Jagdpacht und Mietwert der Wohnung ein landwirtschaftliches Gesamtnettoeinkommen für den geschlossenen Hof des Beschwerdeführers in der Höhe von S 173.988,--, sohin ein monatliches Nettoeinkommen von S 14.499,-- ergebe. In einem weiteren Gutachten wurde aufgezeigt, daß als Alternative zur Milchviehhaltung mit einem möglichen Nettoeinkommen von S 89.688,-- aus der Schafhaltung ein Gesamteinkommen von S 92.694,-- erzielbar wäre. Im Falle der Schafhaltung mit Lämmermast würde sich also der jährliche Ertrag des geschlossenen Hofes des Beschwerdeführers auf S 176.994,-- belaufen. Wenn man bedenke, daß das durchschnittliche landwirtschaftliche Einkommen je Betrieb in der Zone III und IV inklusive den öffentlichen Zuschüssen im Jahre 1988 S 150.000,-- betrage (vgl. den Bericht über die Lage der Tiroler Land- und Forstwirtschaft 1988/89), so sei nach Ansicht der Berufungsbehörde durchaus der Schluß gerechtfertigt, daß der geschlossene Hof des Beschwerdeführers mit seinem jährlichen Ertrag von S 176.994,-- geeignet sei, die (angemessene) Erhaltung einer fünfköpfigen Familie zu gewährleisten. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß beispielsweise der von der Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter bzw. für Bauern bekanntgegebene Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage bei einer fünfköpfigen Familie mit jährlich S 136.766,-- beziffert worden sei und sohin das auf dem in Rede stehenden Hof erzielbare jährliche Familieneinkommen von S 176.994,-- diesen Richtsatz bei weitem übersteige. Es solle auch nicht unerwähnt bleiben, daß der mittlere Verdienst der Arbeitnehmer in Tirol inklusive der Sonderzahlungen im Jahre 1989 monatlich S 16.159,-- brutto betragen habe (Quelle:

Beitragsgrundlagenstatistik der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol); ein Landwirt mit durchschnittlichen Fähigkeiten könne auf dem gegenständlichen Hof immerhin ein monatliches Einkommen von S 14.749,50 - allerdings netto - erzielen. Wenn man schließlich noch den sich für den Hofeigentümer bietenden Vorteil des Bezuges von Hofprodukten ("Selbstversorgung") berücksichtige, der durch den Wegfall jeglicher Handelsspannen im Durchschnitt mit 100 % der Erzeugerpreise angenommen werden könne und sohin zu einer wesentlichen Verbilligung der Haushaltsführung beitrage, so zeige sich nach Auffassung der Berufungsbehörde in augenscheinlicher Weise, daß der in Rede stehende Hof auch weiterhin die Eignung zur (angemessenen) Erhaltung einer bäuerlichen Familie aufweise und sohin die Voraussetzungen für die Aufhebung der Hofeigenschaft gemäß § 7 Abs. 1 des Tiroler Höfegesetzes im vorliegenden Fall nicht gegeben seien.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 des Tiroler Höfegesetzes, LGBl. Nr. 47/1900 in der geltenden Fassung, ist über Einschreiten des Eigentümers auf Aufhebung der Hofeigenschaft zu erkennen, wenn ein geschlossener Hof durch Abtrennung oder geänderte Zweckbestimmung einzelner Bestandteile, durch Elementarereignisse oder durch andere Umstände die Eignung zur Erhaltung einer Familie überhaupt dauernd verliert.

Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, daß für den Fortbestand der Eigenschaft als geschlossener Hof die weitere Eignung desselben zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Familie entscheidend ist, wobei die Erfüllung dieser Voraussetzung an den unter den heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gegebenen bäuerlichen Lebensverhältnissen zu messen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1986, Zl. 86/18/0054).

Die Frage, ob die Erträgnisse eines geschlossenen Hofes zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Familie ausreichen, kann nur auf der Basis der nach objektiven Kriterien zu ermittelnden Höhe des finanziellen Aufwandes zur angemessenen Erhaltung einer Familie dieser Größe beantwortet werden; es muß also feststehen, welcher finanzielle Aufwand erforderlich ist, um eine fünfköpfige Familie unter Bedachtnahme auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen zu erhalten.

Die belangte Behörde ist zwar unter Zugrundelegung eines Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, daß der in Rede stehende Hof "im Falle der Schafhaltung mit Lämmermast" einen jährlichen Ertrag in der Höhe von S 176.994,-- erzielen würde, hat aber nicht zu erkennen gegeben, welcher finanzielle Aufwand ihrer Auffassung nach für die angemessene Erhaltung einer fünfköpfigen Familie erforderlich ist. Es kann daher auch nicht beurteilt werden, ob die Schlußfolgerung der belangten Behörde zutrifft, wonach der Hof des Beschwerdeführers "geeignet ist, die (angemessene) Erhaltung einer fünfköpfigen Familie zu gewährleisten". Wenn die belangte Behörde diese Annahme unter Hinweis auf einen Bericht über die Lage der Tiroler Land- und Forstwirtschaft 1988/89 darauf zu stützen versucht hat, "daß das durchschnittliche landwirtschaftliche Einkommen je Betrieb in der Zone III und IV inklusive den öffentlichen Zuschüssen im Jahre 1988 S 150.000,-- beträgt", so muß ihr entgegengehalten werden, daß ein durchschnittliches Jahreseinkommen nichts über den finanziellen Bedarf zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Familie aussagt, wozu noch kommt, daß damit nicht einmal geklärt ist, wie viele Personen von diesem Einkommen erhalten werden müssen. Auch der lediglich "der Vollständigkeit halber" von der belangten Behörde gegebene Hinweis darauf, daß der erwähnte Ertrag des geschlossenen Hofes den von der Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter bzw. für Bauern bekanntgegebenen Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage bei einer fünfköpfigen Familie in der Höhe von S 136.766,-- "bei weitem übersteigt", vermag nicht zu überzeugen, weil dem Tiroler Höfegesetz nicht entnommen werden kann, daß bei der Beantwortung der Frage, ob der Ertrag eines geschlossenen Hofes für die angemessene Erhaltung einer fünfköpfigen Familie ausreicht, von diesem Richtsatz auszugehen ist. Auch der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, wonach der "mittlere Verdienst der Arbeitnehmer in Tirol inklusive den Sonderzahlungen im Jahre 1988 monatlich S 16.159,-- brutto ... betragen hat", kann nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, daß der mit dem geschlossenen Hof des Beschwerdeführers erzielbare Ertrag von ca. S 14.750,-- (netto) genügt, um eine fünfköpfige Familie angemessen zu erhalten, weil auch mit diesem Durchschnittseinkommen des einzelnen Arbeitnehmers nichts über die Höhe des finanziellen Bedarfes für die angemessene Erhaltung einer fünfköpfigen Familie ausgesagt wird, und auch bei dieser bloßen Einkommensangabe völlig offen bleibt, wie viele Personen davon erhalten werden müssen. Schließlich ist der Hinweis der belangten Behörde auf "den sich für den Hofeigentümer bietenden Vorteil des Bezuges von Hofprodukten ('Selbstversorgung')" zu unbestimmt, um daraus zwingende Schlußfolgerungen hinsichtlich der in Rede stehenden Voraussetzungen für die Entscheidung über die Aufhebung der Hofeigenschaft ziehen zu können, zumal unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigengutachtens bei diesen Erwägungen der belangten Behörde wohl nur Produkte in Frage kommen, die aus der Tierhaltung des geschlossenen Hofes des Beschwerdeführers gewonnen werden können.

Nach Auffassung des Gerichtshofes reicht daher die von der belangten Behörde gegebene Begründung nicht aus, um davon ausgehen zu müssen, daß der Ertrag des geschlossenen Hofes des Beschwerdeführers für die angemessene Erhaltung einer fünfköpfigen Familie ausreicht, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers hinsichtlich der Stempelgebühr war abzuweisen, weil für die in zweifacher Ausfertigung vorzulegende Beschwerde, die Vollmacht sowie eine erforderliche Ausfertigung des angefochtenen Bescheides insgesamt nur S 450,-- an Stempelgebühr zu entrichten war.

Schlagworte

Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990180275.X00

Im RIS seit

26.04.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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