TE Vwgh Erkenntnis 1991/4/26 91/18/0014

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Veröffentlicht am 26.04.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs1;
StVO 1960 §55 Abs4;
StVO 1960 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. Helmut N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. November 1990, Zl. MA 70-11/11/90/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. April 1989 war der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, am 17. Juni 1988 um 10.32 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges in Wien 1., Operngasse 3, "eine auf der Fahrbahn angebrachte Sperrfläche befahren" und dadurch eine Übertretung des § 9 Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben, weshalb über ihn eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt worden war.

Dieser Berufungsbescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 10. November 1989, Zl. 89/18/0107, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im wesentlichen mit der Begründung aufgehoben worden, daß die belangte Behörde von der unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen sei, Sperrflächen seien von Sperrlinien begrenzt, weshalb der vom Beschwerdeführer schon während des Verwaltungsstrafverfahrens aufgezeigte Widerspruch in den Angaben des Meldungslegers (welcher in der Anzeige behauptet hatte, der Beschwerdeführer habe eine Sperrfläche befahren, und anläßlich seiner Einvernahme als Zeuge am 9. März 1989 erklärt hatte, er habe wahrgenommen, "wie der Angezeigte die Sperrlinie überfuhr") insofern nicht unerheblich sei, als der während des Berufungsverfahrens eingeholte Fahrbahnmarkierungsplan erkennen lasse, daß im Tatortbereich sowohl eine Sperrfläche als auch vor derselben eine ununterbrochene Linie vorgesehen seien. Es bestehe daher die Möglichkeit, daß der Beschwerdeführer nicht eine Sperrfläche befahren, sondern die davor befindliche Sperrlinie überfahren habe. Die belangte Behörde hätte daher dem unter diesem Gesichtspunkt wesentlichen Widerspruch in den Angaben des Meldungslegers Bedeutung beimessen müssen.

Nach einer entsprechenden Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erging sodann der Bescheid der belangten Behörde vom 26. November 1990, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen das dem Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 1989 zugrunde gelegene Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 31. Oktober 1988 neuerlich abgewiesen und dieses Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 bestätigt worden ist.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

In Erwiderung auf die einleitende Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe "entsprechende Feststellungen über den Helligkeits- und Auffälligkeitswert der Sperrfläche" unterlassen, ist darauf hinzuweisen, daß der Meldungsleger sowohl in der Anzeige als auch in seinem Bericht vom 16. September 1988 ausdrücklich erklärt hat, daß die in Rede stehende Sperrfläche "deutlich und gut sichtbar" gewesen sei. Der Beschwerdeführer hat zwar in seinem Schriftsatz vom 8. September 1988 behauptet, daß dies "unrichtig" sei, aber auch in der vorliegenden Beschwerde nicht geltend gemacht, daß er diese Sperrfläche zur Tatzeit nicht als solche wahrgenommen habe. Ferner ergibt sich aus dem Schreiben der Magistratsabteilung 46 vom 22. Februar 1989, daß die Sperrfläche "seit 13. 8. 1987 aufgebracht" ist und zuletzt am 9. Februar 1988, also weniger als vier Monate vor der Tat, kontrolliert worden ist, und die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend darauf hingewiesen, daß Sperrflächen nicht befahren werden dürfen und daher keiner besonderen Abnützung unterliegen. Der belangten Behörde kann daher keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften angelastet werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer beantragten Feststellungen über den Helligkeits- und Auffälligkeitswert der Sperrfläche nicht getroffen hat, zumal auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß die Erkennbarkeit der Sperrfläche zur Tatzeit (wie schon erwähnt, ca. 1/2 11 Uhr vormittags) durch irgendwelche besonderen Umstände beeinträchtigt gewesen sein könnte.

Da sich der Beschwerdeführer in der Folge gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde wendet, ist daran zu erinnern, daß dem Verwaltungsgerichtshof eine Kontrolle der Beweiswürdigung nur insoweit zusteht, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber, ob der Akt der Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Version und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Der Gerichtshof kann der belangten Behörde weder unter dem Gesichtspunkt der Schlüssigkeit noch wegen Unterlassung zusätzlicher erfolgversprechender Ermittlungen entgegentreten, wenn sie im Hinblick auf die durch das erwähnte

hg. Vorerkenntnis bedingte ergänzende Einvernahme des Meldungslegers zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der Beschwerdeführer eine Sperrfläche und nicht eine Sperrlinie überfahren hat, weil der Meldungsleger den durch seine Zeugenaussage vom 9. März 1989 entstandenen Widerspruch zu seinen sonstigen - übereinstimmenden - Angaben anläßlich seiner Befragung vom 1. März 1990 beseitigt und der Beschwerdeführer im übrigen in der Beschwerde gar nicht behauptet hat, (lediglich) die vor der Sperrfläche befindliche Sperrlinie überfahren zu haben.

Schließlich ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1989,

Zlen. G 52/89 u.a., erfolgte Aufhebung des § 55 Abs. 8 StVO 1960 auf den Beschwerdefall keine Auswirkungen hat, weil diese Aufhebung erst mit Ablauf des 30. September 1990 wirksam geworden ist und kein Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG vorliegt. Aus dem Umstand, daß bereits vor diesem Zeitpunkt ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig war, ergibt sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht, daß deshalb von einem derartigen Anlaßfall die Rede sein könnte, weil das mit dem gegenüber dem Beschwerdeführer ergangenen hg. Vorerkenntnis vom 10. November 1989 abgeschlossene Beschwerdeverfahren nicht den Anlaß für die erwähnte Aufhebung des § 55 Abs. 8 StVO 1960 gebildet und der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nicht ausgesprochen hat, daß die aufgehobene Bestimmung auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände (mit Ausnahme des Anlaßfalles) nicht weiterhin anzuwenden ist. Die in Rede stehende Sperrfläche war daher im Hinblick auf die im Beschwerdefall angesichts des Tatzeitpunktes (noch) maßgebende Regelung des § 55 Abs. 8 StVO 1960 mit ihrer Anbringung wirksam und daher vom Beschwerdeführer zu beachten, ohne daß es zum Wirksamwerden derselben einer Verordnung bedurfte. Daß die Anbringung dieser Sperrfläche entsprechend der Verhandlungsschrift der Magistratsabteilung 46 vom 11. Februar 1987 "probeweise" erfolgt ist, vermag daher unter der als gegeben anzunehmenden Voraussetzung, daß sie zur Tatzeit noch nicht entfernt war, nichts daran zu ändern, daß sie zur Tatzeit rechtswirksam war. Das im § 55 Abs. 9 leg. cit. vorgeschriebene Verfahren im Sinne des § 94 f hat nach der Aktenlage stattgefunden, weshalb nicht erörtert zu werden braucht, welche Rechtswirkungen mit dem Unterbleiben desselben verbunden wären.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Parteiengehör offenkundige notorische Tatsachen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180014.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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