TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/14 91/08/0035

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Veröffentlicht am 14.05.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10. Jänner 1991, Zl. 27.777/6-5/1990, betreffend Festsetzung eines Aufteilungsschlüssels in der Krankenversicherung der Pensionisten gemäß § 73 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Parteien: 20 Sozialversicherungsträger. Deren Namen sind in der Kategorie TEXT in Anschluß an die Entscheidungsgründe aufgelistet), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen von S 11.120,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Am 13. Dezember 1990 beantragte der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (eingelangt bei der belangten Behörde am 14. Dezember 1990) die Erlassung eines Aufteilungsschlüssels hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung der Pensionisten für das Jahr 1989 gemäß § 73 Abs. 4 ASVG, worin für die Beschwerdeführerin ein Anteil am Beitragsaufkommen von 3,12972 v.H. vorgesehen war. In der Begründung dieses Antrages heißt es u.a., daß der Sektionsausschuß "Allgemeine Krankenversicherung" (des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger) am 28. November 1990 beschlossen habe, daß bei der belangten Behörde die Festsetzung dieses Schlüssels für die endgültige Aufteilung der Beiträge in der Krankenversicherung der Pensionisten für das Jahr 1989 beantragt werden solle. Unter Vorlage einer Abschrift dieses Beschlusses sowie von Tabellen, woraus u.a. die von den Pensionsversicherungsträgern bekanntgegebenen Angaben über den Pensionsaufwand, aufgeglieder auf die einzelnen Krankenversicherung der Pensionisten für das Jahr 1989 festsetzen.

2. Die belangte Behörde erließ mit Bescheid vom 10. Jänner 1991 einen dem Antrag des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger entsprechenden Aufteilungsschlüssel; danach entfällt auf die Beschwerdeführerin ein Anteil am Gesamtaufkommen der Beiträge in der Krankenversicherung der Pensionisten von 3,12972 v.H. Anstelle einer Begründung enthält dieser Bescheid den Hinweis, daß eine Begründung gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 entfalle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Von den dem Verfahren beigezogenen mitbeteiligten Versicherungsträgern hat lediglich die Tiroler Gebietskrankenkasse eine Äußerung erstattet, in welcher sie dem Beschwerdevorbringen beitritt; sie ist deshalb im Ergebnis nicht als mitbeteiligte Partei des Verfahrens im Sinne des § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 47 Abs. 3 VwGG anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1981, Zl. 81/08/0023, mit weiteren Hinweisen).

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

3.1. § 73 Abs. 1, 3 und 4 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung (d.h., zuletzt geändert durch die 44. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 609/1987), lautet:

"Beiträge in der Krankenversicherung der Pensionisten

§ 73.(1) Die Mittel für die Krankenversicherung der Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung der Arbeiter und aus der Pensionsversicherung der Angestellten mit Ausnahme der von der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen durchgeführten Pensionsversicherung der Arbeiter werden durch Beiträge aufgebracht. Dies gilt auch für die Mittel der Krankenversicherung für die gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 lit. d krankenversicherten Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz.

(3) Der von den Trägern der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz sowie von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu entrichtende Beitrag beträgt 10,3 v.H. des für das laufende Geschäftsjahr erwachsenden Aufwandes an Pensionen. Bei der Ermittlung des Beitrages ist von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft lediglich der Aufwand an Pensionen für die gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 lit. d krankenversicherten Personen heranzuziehen. Zum Pensionsaufwand zählen die Pensionen und die Pensionssonderzahlungen einschließlich der Zuschüsse und ausschließlich der Ausgleichszulagen.

(4) Die Beiträge nach Abs. 3 sind vorschußweise in monatlichen Raten in dem im Abs. 3 bezeichneten Hundertsatz der Summe des im vorangegangenen Kalendermonat erwachsenden Aufwandes an Pensionen (Pensionssonderzahlungen) dem Hauptverband zu überweisen. Der Ausgleich ist innerhalb der ersten sechs Monate des folgenden Kalenderjahres vorzunehmen. Der Hauptverband teilt die einlangenden Beiträge auf die zuständigen Träger der Krankenversicherung nach einem Schlüssel auf, der vom Bundesminister für soziale Verwaltung auf Antrag des Hauptverbandes unter Berücksichtigung des Verhältnisses, in welchem der Pensionsaufwand aller nach Abs. 1 beitragspflichtigen Träger der Pensionsversicherung auf die bei den einzelnen Träger der Krankenversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 lit. a oder d krankenversicherten Personen entfällt, festgesetzt wird."

3.2. Die Beschwerdeführerin macht (zusammengefaßt) geltend, daß dem Aufteilungsschlüssel, den die belangte Behörde festgesetzt habe, insoweit unrichtiges Datenmaterial zugrunde liege, als der für die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge der Pensionisten im Kleinwalsertal (ergänze: für die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels) heranzuziehende Pensionsaufwand ausgedrückt in Deutscher Mark anstatt richtigerweise zum Devisengeldkurs per 31. Dezember des betreffenden Kalenderjahres zum Kurs von 1:5 in Anwendung der Verordnung BGBl. Nr. 113/1970, betreffend die "Durchführung der Sozialversicherung im Zollausschußgebiet" umgerechnet worden sei.

3.3. Bereits in seinem (das Jahr 1988 betreffenden) Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 90/08/0139, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der auch hier maßgebenden Umrechnungsfrage im Zusammenhang mit dem Pensionsaufwand für Pensionisten im Kleinwalsertal bei Ermittlung eines Aufteilungsschlüssels gemäß § 73 Abs. 4 ASVG zu befassen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem ausführlich begründeten Erkenntnis ausgesprochen, daß die Erlassung des Aufteilungsschlüssels gemäß § 73 Abs. 4 ASVG zutreffend mit Bescheid (und nicht mit Verordnung) der belangten Behörde zu erfolgen habe, daß neben dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger auch allen Krankenversicherungsträgern in diesem Verfahren Parteistellung (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 30. April 1991, Zl. 89/08/0188) und damit auch die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof zukomme und daß bei der Umrechnung des in Deutscher Mark ausgedrückten Pensionsaufwandes jeweils der von der Oesterreichischen Nationalbank gemäß § 2 Abs. 2 Devisengesetz festgelegte Wechselkurs und nicht die Verordnung BGBl. Nr. 113/70 zugrunde zu legen sei. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses, welches allen Parteien des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mittlerweile zugestellt worden ist, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Der Vollständigkeit halber sei weiters darauf hingewiesen, daß es der Beschwerdeführerin auch nicht deshalb an der Beschwerdelegitimation mangelt, weil ihr - wie aus den Verwaltungsakten zu entnehmen ist - hier der angefochtene Bescheid (ausdrücklich) nicht zugestellt, sondern nur zur Kenntnis gebracht wurde, zumal der Bescheid durch Zustellung an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger jedenfalls erlassen ist (zur Erlassung des Bescheides im Mehrparteienverfahren durch Zustellung an eine Partei vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Oktober 1969, Slg. Nr. 7667/A, und vom 16. Dezember 1982, Zl. 08/2264/80, u.a.) und gemäß § 26 Abs. 2 VwGG die Beschwerde auch schon vor der Zustellung des Bescheides an die Beschwerdeführerin erhoben werden konnte.

Die Beschwerdeführerin bringt hier zwar erstmals in ihrer Beschwerde vor, daß die belangte Behörde einen unrichtigen Wechselkurs angewendet habe; dem steht aber nicht das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen, weil ihr - wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich ist und anders als im vorzitierten Verfahren betreffend das Jahr 1988 - im Verwaltungsverfahren kein Parteiengehör gewährt worden ist, sodaß sie erstmals im Beschwerdeverfahren Gelegenheit hatte, ihre Einwendungen vorzubringen. Ob die Beschwerdebehauptungen zutreffen, vermag der Verwaltungsgerichtshof derzeit nicht zu beurteilen, weil dem angefochtenen Bescheid gemäß § 58 Abs. 2 AVG keine Begründung beigegeben wurde. Nach dieser Gesetzesbestimmung kann die Begründung eines Bescheides entfallen, wenn dem Rechtsstandpunkt einer Partei vollinhaltlich Rechnung getragen und auch über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten nicht abgesprochen wurde. Wenn die belangte Behörde von der ihr in § 58 Abs. 2 AVG eingeräumten Befugnis formell in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat, Einwendungen aber nur deshalb unterblieben sind, weil eine Partei im Verfahren entgegen § 45 Abs. 3 AVG nicht gehört worden ist, dann ist - wenn die im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen geeignet sind, für den Fall ihres Zutreffens eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun - der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen der Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften (hier: § 45 Abs. 3 AVG), bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Ergänzung zur Kategorie BETREFF: Die Namen der mitbeteiligten

Sozialversicherungsträger lauten: 1. Wiener Gebietskrankenkasse, 2. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3. Burgenländische Gebietskrankenkasse, 4. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 5. Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 6. Kärntner Gebietskrankenkasse, 7. Salzburger Gebietskrankenkasse, 8. Betriebskrankenkasse der Österreichischen Staatsdruckerei, 9. Betriebskrankenkasse der Austria Tabakwerke AG, 10. Betriebskrankenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe, 11. Betriebskrankenkasse der Semperit AG, 12. Betriebskrankenkasse der Neusiedler AG, 13.

Betriebskrankenkasse der Voest-Alpine Stahl Donawitz Gesellschaft mbH, 14. Betriebskrankenkasse Zeltweg der Voest-Alpine Maschinenbau Gesellschaft mbH, 15.

Betriebskrankenkasse der Voest-Alpine Stahlrohr-Kindberg Gesellschaft mbH, 16. Betriebskrankenkasse Böhler-Kapfenberg,

17. Betriebskrankenkasse der Firma X, 18. Versicherungsanstalt des Österreichischen Bergbaues, 19. Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen, 20. Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von Beweisen Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991080035.X00

Im RIS seit

14.05.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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