TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/14 86/05/0162

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Veröffentlicht am 14.05.1991
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §112 Abs2;
BauO NÖ 1976 §112;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §113;
BauO NÖ 1976 §2 Z6;
BauRallg;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) des FB und 2) der HB gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde S wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache (Beteiligte im Sinne des § 8 AVG: 1) EG und 2) HG), zu Recht erkannt:

Spruch

In Anwendung des § 42 Abs. 5 VwGG und des § 73 AVG wird auf Grund des Antrages der Beschwerdeführer den Beteiligten gemäß § 112 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 der Auftrag erteilt, das mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde S vom 13. April 1976 bewilligte viergeschoßige Gebäude im Bereich des vierten Geschoßes entsprechend der Schnittdarstellung im bewilligten Bauplan so auszuführen, daß auch das dritte (mittlere) Konstruktionsfeld zurückzuversetzen ist. Diese Abweichung vom Konsens ist binnen sechs Monaten ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu beseitigen. Als Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 63 Abs. 2 VwGG wird die Bezirkshauptmannschaft Gmünd bestimmt.

Die Stadtgemeinde S hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 5.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 28. Juli 1975 ersuchten die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beim Stadtamt S um die Erteilung der Baubewilligung für die Aufstockung und den Anbau eines Gebäudes auf den Grundstücken Nr. 20 und 21 der KG S.

Zu der für 5. August 1975 anberaumten mündlichen Verhandlung wurde auch der Erstbeschwerdeführer als Nachbar unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG geladen. In der Verhandlung wurde das Projekt kurz dahin beschrieben, daß in der Straßenfluchtlinie in einem Abstand von den gegenüberliegenden Wohn- und Geschäftsgebäuden von 8,55 m bis 12,30 m und 14 m an die linke Nachbargrundgrenze und an das bestehende Geschäfts- und Wohnhaus der Bauwerber angebaut werde. Der Erstbeschwerdeführer erhob Einwendungen gegen das Bauvorhaben mit der Begründung, daß die Bestimmungen der NÖ Bauordnung (BO) hinsichtlich der Gebäudehöhe nicht eingehalten werden, wobei er auf § 22 (BO) verwies. Er führte aus, daß sich in seinem Objekt S-gasse 10 ebenerdig ein Geschäftslokal und im ersten Stock sowie im ausgebauten Dachgeschoß eine Wohnung befinde. Der Sachverständige der Behörde vertrat die Auffassung, daß gegen die Erteilung der Bewilligung bei Einhaltung des Planes keine Bedenken bestünden. Er verwies darauf, daß nach § 22 BO eine Ausnahme gewährt werden könne, da eine nachteilige Beeinflussung des Stadtbildes nicht gegeben und eine Betriebs- und Büroerweiterung für den Baustoffgroßhandel unbedingt erforderlich sei. Ein Vergleichsversuch des Verhandlungsleiters ergab, daß der Erstbeschwerdeführer der Bauführung mit vier Vollgeschoßen dann zustimmen würde, wenn das letzte Geschoß entsprechend dem Lichteinfallswinkel zurückgesetzt werde. Dieser Vorschlag wurde von den Beteiligten mit der Begründung abgelehnt, daß das Projekt aus Gründen der Wirtschaftlichkeit so erstellt worden sei.

In einer Niederschrift vom 18. März 1976 wurde ergänzend zur Bauverhandlung festgehalten, daß der geringste Abstand der Gebäude "untereinander" (gemeint war offensichtlich der Abstand zwischen dem Gebäude des Erstbeschwerdeführers und der beteiligten Bauwerber) mit 8,95 m fixiert werde. Daraus folge, daß die Höhe des neu zu errichtenden Gebäudes bis zum zweiten Geschoß 9,45 m nicht überschreiten dürfe. Wörtlich heißt es dann: "Das oberste Geschoß ist entsprechend dem Lichteinfallswinkel zurückzusetzen." Offensichtlich wurde nach dieser Niederschrift der Bauplan abgeändert, ohne dies im Akt (durch einen Akentevermerk) festzuhalten.

Mit Bescheid vom 13. April 1976 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde S die beantragte Baubewilligung. Auf dem Bauplan wurde ausdrücklich festgehalten, daß er bei der kommissionellen Verhandlung am 5. August 1975 vorgelegen sei und im Sinne der Niederschrift vom 18. März 1976 genehmigt werde. In diesem Bauplan sind Grundstücke der beteiligten Bauwerber im Bereich der S-gasse dargestellt, wobei im nördlichen Bereich der S-gasse lediglich eine gerade Linie eingetragen ist, die Grundstücksverhältnisse jedoch nicht dargestellt sind, sodaß man durch die Anführung der Bezeichnung "Nachbar FB" den Eindruck gewinnt, die im nördlichen Bereich befindlichen Grundflächen befänden sich im Eigentum des Erstbeschwerdeführers (daß dies nicht der Fall ist, hat das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergeben). In dem erwähnten Lageplan ist eine Entfernung zwischen dem neu zu errichtenden Gebäude und den Grundgrenzen des Erstbeschwerdeführers mit 8,95 m kotiert. Nach der Grundrißdarstellung der Pläne sind im Erdgeschoß Schau- und Verkaufsräume vorgesehen, im ersten und zweiten Stock im wesentlichen Büroräume und im dritten Stock die Betriebsleiterwohnung sowie eine Schwimmhalle mit Sauna und Solarium. Die Schnittdarstellung (a-a) weist im Bereich des Gehsteiges eine Fronthöhe von 9,45 m auf. Im Bereich des vierten Geschoßes (dritter Stock) ist die Außenfront schräg zurücklaufend dargestellt, wobei die Schräge einem 45 gradigen Winkel entsprechen dürfte. Das zu errichtende Gebäude ist hinsichtlich seiner Außenwände ein Stahlbetonskelettbau mit vorgehängter Fassade, welche in einzelne Felder unterteilt ist. Im Akt erliegt sodann die Darstellung einer Ansicht S-gasse, welche mit 20. Dezember 1976 datiert ist, jedoch laut einem Vermerk auf dem Plan erst am 30. Juni 1977 bei der Behörde eingelangt sein soll. Nach der Darstellung des obersten Geschoßes sollen von den ursprünglich vorgesehenen insgesamt fünf Feldern zwei Felder nicht ausgeführt werden.

Der Aktenlage nach blieb der Baubewilligungsbescheid unangefochten. In den Verwaltungsakten erliegt ein Schreiben des Erstbeteiligten an den Erstbeschwerdeführer vom 22. Februar 1975, in dem der Erstbeteiligte feststellte, daß er auf Grund des Einspruches des Erstbeschwerdeführers im letzten Geschoß teilweise eine Abschrägung des Bauwerkes vornehmen müsse, da ansonsten der 45-gradige Lichteinfallswinkel zum Teil nicht gegeben sei. Bei einer normalen Ausführung (bis zum Dach gerade) sei der Lichteinfallswinkel unwesentlich kleiner als bei einer geringen Abschrägung. Um den Neubau architektonisch und städtebaulich schön und sauber zu bauen, hätte der Erstbeteiligte sich bereit erklärt, als Abgeltung eine Pauschalsumme zu bezahlen. Der vom Erstbeschwerdeführer als Abgeltung vorgeschlagene Betrag von S 500.000,-- sei sicherlich sehr überhöht, sodaß der Erstbeteiligte leider gezwungen sei, bei seinem Neubau eine Abschrägung eines Teiles des obersten Geschoßes vorzunehmen. Nach weiteren Ausführungen erachtete der Erstbeteiligte die Forderung neuerlich als überhöht (eine solche Forderung wurde vom Erstbeschwerdeführer bestritten).

Am 25. Juli 1975 führte die Baubehörde erster Instanz eine Augenscheinsverhandlung zwecks Überprüfung der Bauausführung durch. Der Bausachverständige stellte fest, daß im dritten Stockwerk die Schrägführung der Außenfassade bzw. die Rückversetzung nur in den ersten beiden Feldern neben dem Altbau ausgeführt worden sei. Obwohl nach dem Schnitt 1:100 in der S-gasse das letzte Geschoß schräggeführt hätte ausgeführt werden sollen, sei jedoch der Lichteinfall für das gegenüberliegende Anrainerobjekt des Erstbeschwerdeführers in der Breite der Bauparzelle, also von drei Feldern des Gebäudes des Bauwerbers, gegeben. Der im Akt erliegende Auswechslungsplan über die Ansicht S-gasse vom 20. Dezember 1976 sei nicht genehmigt. Es sei daher zu empfehlen, über die Genehmigung des Auswechslungsplanes eine Bauverhandlung anzuberaumen. Die Beteiligten behaupteten die bauordnungsgemäße Ausführung und verwiesen darauf, daß aus dem Fassadenplan vom 20. Dezember 1976 ersichtlich sei, daß den von der Baubehörde gestellten Forderungen mit der Abschrägung von zwei Feldern entsprochen worden sei.

Mit Bescheid vom 27. Juli 1977 erteilte der Bürgermeister den Beteiligten den Auftrag, im dritten Stock die Schrägführung der Außenfassade bzw. die Rückversetzung in den ersten drei Feldern neben dem Altbau in Übereinstimmung mit der Baubewilligung auszuführen, da nur dadurch der entsprechende Lichteinfallswinkel gegenüber der Liegenschaft S-gasse 10 gegeben sei. Die Fortsetzung der Arbeiten in diesem betroffenen Teil des Vorhabens werde gemäß § 109 Abs. 4 BO untersagt und die Herstellung des konsensmäßigen Zustandes innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen verfügt, da die Planabweichung nachträglich nicht bewilligt werden könne. Dies wurde im einzelnen begründet.

Die von den Beteiligten erhobene Berufung wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 13. September 1977 ab. Der dagegen von den Beteiligten erhobenen Vorstellung gab die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 14. August 1978 Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Diese Aufhebung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Sachverständige der Gemeinde bei der Verhandlung am 25. Juli 1977 nicht angegeben habe, auf Grund welcher Untersuchungen oder Vorschriften der NÖ Bauordnung 1976 er eine Bauordnungswidrigkeit annehme. Die Aufsichtsbehörde habe eine Erhebung durchgeführt, wobei der technische Sachverständige nach Vorlage genauer Planunterlagen in seinem Gutachten vom 12. April 1978 die Frage unter Anwendung des § 47 der NÖ Bauordnung untersucht und keine Verletzung dieser Vorschrift durch das durchgeführte Bauvorhaben festgestellt habe. Nach Auffassung der Aufsichtsbehörde hätte daher die Berufungsbehörde bei der Prüfung der Frage, ob die Ausführung des Vorhabens hinsichtlich des geforderten Lichteinfallswinkels mit der Bewilligung übereinstimme, dies unter Anforderung der erforderlichen Planunterlagen sowie unter Anwendung der Vorschrift des § 47 BO untersuchen bzw. prüfen müssen.

Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Beschwerde der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 23. Juni 1981, Zl. 05/2718/78, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte zunächst die Parteistellung der Beschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten baupolizeilichen Auftragsverfahrens nach § 109 BO. Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, daß weder von den Baubehörden noch von der belangten Behörde ausreichende Feststellungen darüber getroffen worden seien, was Inhalt der rechtskräftig erteilten Baubewilligung gewesen sei. Der Gerichtshof verwies auf § 22 Abs. 4 BO, wonach die zulässige Höhe von Baulichkeiten an oder gegen Straßenfluchtlinien nicht mehr betragen darf, als der Abstand zwischen den beiden an der Verkehrsfläche liegenden Baufluchtlinien. Aus dem im Akt erliegenden, mit dem Vidierungsvermerk versehenen Einreichplan ergebe sich, daß die Höhe des Neubaues den Abstand zwischen den beiden an der Verkehrsfläche liegenden Baufluchtlinien erheblich überschreite. Daß es sich bei dem Neubau um eine Baulichkeit handle, die öffentlichen Zwecken und nicht bloß den privaten Zwecken der beteiligten Bauwerber diene, für die eine Ausnahme nach § 22 Abs. 5 des Gesetzes zu gewähren sei, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die belangte Behörde habe, ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht, ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes behob die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 9. März 1982 neuerlich den bei ihr angefochtenen Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit an die Gemeinde. Mit Bescheid vom 17. Juli 1982 behob der Gemeinderat sodann den Bescheid des Bürgermeisters und verwies seinerseits die Angelegenheit zurück an die Baubehörde erster Instanz.

Zu erwähnen ist noch, daß die Beschwerdeführer bereits mit Eingabe vom 31. Jänner 1978 den Antrag gestellt haben, der Gemeinderat der Stadtgemeinde S wolle einen Demolierungsbescheid des Inhaltes erlassen, daß das oberste Stockwerk des Bauwerkes gassenseitig derart abgetragen werde, daß der 45-gradige Lichteinfallswinkel voll erhalten sei. Diese Eingabe langte beim Stadtamt am 2. Februar 1978 ein.

Mit einem Schreiben vom 25. November 1982 urgierten die Beschwerdeführer bei der Baubehörde erster Instanz die Durchführung des baubehördlichen Auftragsverfahrens. Der Bürgermeister teilte ihnen daraufhin mit Schreiben vom 1. Dezember 1982 mit, daß sich der Bauakt derzeit beim Gebietsbauamt befinde und im Jänner 1983 eine Bauverhandlung abgehalten werde.

Mit Anbringen vom 14. Dezember 1982 beantragten die Beschwerdeführer beim Gemeinderat den Übergang der Entscheidungspflicht an diesen. Auf Grund eines Beschlusses des Gemeinderates wurde daraufhin am 5. Mai 1983 eine Verhandlung durchgeführt. Der bautechnische Amtssachverständige hielt zunächst fest, auf Grund welcher Unterlagen er die Frage der Konsensmäßigkeit bzw. Konsenswidrigkeit beurteile. Auf Grund dieser Unterlagen zog der Sachverständige den Schluß, daß sich im Hinblick auf die Schnittdarstellung und die Höhenangabe die Abschrägung des "Obergeschosses" auf die gesamte Länge des dreigeschoßigen Teiles des Bauvorhabens beziehe. Weiters stellte der Amtssachverständige fest, daß von insgesamt fünf in Richtung S-gasse weisenden Konstruktionsfeldern die drei westlichen nicht, die zwei östlichen durch Abschrägung teilweise zurückversetzt worden seien. Gegenüber dem Inhalt der Baubewilligung ergebe sich daher eine Abweichung dadurch, daß bei den drei westlichen Feldern die in dem genannten Schnitt festgehaltene Höhe und Form nicht eingehalten worden sei. Zur Frage einer nachträglichen Baubewilligung hielt der Sachverständige fest, daß ab dem westlichen Ende des Hauses der Beschwerdeführer die derzeitige Straßenfluchtlinie so zurückspringe, daß ein Straßenfluchtlinienabstand von mindestens 11,98 m und von da an breiter werdend gegeben sei. Ein rechtskräftiger Bebauungsplan für diesen Bereich liege nicht vor, sodaß die weiteren Überlegungen auf den derzeitigen Bestand bezogen würden. Im § 22 Abs. 4 BO werde festgelegt, daß die zulässige Höhe von Baulichkeiten an oder gegen Straßenfluchtlinien nicht mehr betragen darf, als der Abstand zwischen den Gebäuden an den Straßenfluchtlinien. Unter Zugrundelegung der Bauhöhe laut dem ursprünglich der Baubewilligung zugrunde gelegenen Einreichplan betrage diese bis zur Gebäudeoberkante 11,60 m. Diese Bauhöhe sei ab dem Rücksprung des Gebäudes der Beschwerdeführer in westlicher Richtung sicherlich genehmigungsfähig, nicht aber in jenem Bereich, der ihrem Haus gegenüber liege. Der Vertreter der Beteiligten brachte damals vor, daß die ursprüngliche Einreichung den Schnitt nicht enthalten habe und sich daher die Vidierung des Bürgermeisters nicht auf den Schnitt beziehen könnte. Nach der Bauverhandlung sei es zu einem Vergleichsversuch zwischen den Beschwerdeführern und den Beteiligten gekommen und der Sinn der Niederschrift sei gewesen, die Rechte der Anrainer hinsichtlich des Lichteinfalls zu gewährleisten. Es sei bei dieser Niederschrift nur die Abschrägung von zwei Feldern zur Diskussion gestanden, da die übrigen Anrainer gegen die Höherführung keinen Einwand erhoben hätten; der Plan hätte daher in der ursprünglichen Fassung nur hinsichtlich zweier Felder abgeändert werden müssen. Der Bescheidwille und der erklärte Wille der Parteien sei auf die Abschrägung von zwei Feldern ausgerichtet gewesen, sodaß der Bau daher konsensmäßig ausgeführt sei. Der Vertreter der Beschwerdeführer widersprach dieser Auffassung. Insbesondere verwies er darauf, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides unbestrittenermaßen der Einreichplan in der abgeänderten Form vorhanden gewesen sei und dies durch die Bestätigung des Bürgermeisters, die eine öffentliche Urkunde darstelle, ersichtlich sei.

Über den Inhalt der Niederschrift vom 18. März 1976 wurden sodann der damalige Vertreter des planenden Architekten und der damalige Bürgermeister als Zeuge einvernommen. Der planende Architekt erklärte schließlich in einem Schreiben vom 13. Juni 1983, die Berechnungen betreffend Lichteinfallswinkel hätten ergeben, daß nur zwei Felder abzuschrägen seien. Entsprechend dieser Vereinbarung habe er den Auftrag gegeben, das Bauwerk gemäß den Plänen zu ändern und es seien auch die Polierpläne und die sonstigen baulichen Unterlagen so abgeändert worden, um die Abschrägung bei den zwei Feldern herzustellen.

Nach Gewährung des Parteiengehörs erließ der Gemeinderat sodann den auf § 109 Abs. 4 BO gestützten Auftrag, den konsensmäßigen Zustand herzustellen; es sei daher im obersten Stockwerk die Schrägführung der Außenfassade bzw. die Rückversetzung in den ersten drei Feldern neben dem Altbau entsprechend der Baubewilligung auszuführen. Dieser Auftrag wurde im einzelnen näher begründet.

Der dagegen von den Beteiligten erhobenen Vorstellung gab die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 1. August 1984 Folge und behob den letztinstanzlichen Gemeindebescheid ersatzlos. Die Gemeindeaufsichtsbehörde stützte sich hiebei auf ein im früheren aufsichtsbehördlichen Verfahren eingeholtes Gutachten, demzufolge die Beschwerdeführer durch das errichtete Gebäude unter Zugrundelegung der einschlägigen Bestimmungen des § 47 BO betreffend den erforderlichen Lichteinfallswinkel nicht in ihren Rechten verletzt worden seien.

Auf Grund der dagegen von den Beschwerdeführern eingebrachten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1985, Zl. 84/05/0200, diesen aufsichtsbehördlichen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Der Gerichtshof vertrat die Rechtsanschauung, daß im Hinblick darauf, daß das Gebäude in der Zwischenzeit zur Gänze ausgeführt worden sei, für ein Auftragsverfahren nach § 109 BO kein Raum gewesen sei. Auf diese gesetzliche Regelung könnte nämlich ein baupolizeilicher Auftrag nur dann gegründet werden, wenn die Bauführung noch nicht beendet ist. Unter Hinweis auf § 63 Abs. 1 VwGG verwies der Gerichtshof noch darauf, daß über den Demolierungsantrag der Beschwerdeführer vom 31. Jänner 1978 bisher noch nicht entschieden worden sei. Im Rahmen des nach § 112 BO durchzuführenden Verfahrens hätten die Baubehörden den Inhalt der seinerzeit erteilten Baubewilligung zu erforschen. Hinsichtlich dieses Antrages stehe den Beschwerdeführern die Möglichkeit offen, einen Devolutionsantrag an den Gemeinderat zu richten und in weiterer Folge, falls der Gemeinderat nicht fristgerecht entscheiden sollte, eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Wenn auch in diesem allenfalls durchzuführenden Verfahren keine formelle Bindung an das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bestehe, so möchte der Gerichtshof dennoch nicht verhehlen, daß er nach wie vor der Meinung sei, § 47 BO sei nicht unmittelbar anzuwenden, weil diese Bestimmung nur der Sicherung einer ausreichenden Belichtung und Belüftung neu zu schaffender Räume diene, nicht jedoch schon bestehende, in der Nachbarschaft befindliche Gebäude betreffe. Aus dieser Bestimmung könne daher entgegen der im Vorerkenntnis zitierten Judikatur der Nachbar kein subjektiv-öffentliches Recht ableiten. Allerdings werde bei der Auslegung der seinerzeit erteilten Baubewilligung - unter Beachtung von Zeugenaussagen sowie der vorgelegenen und allenfalls später vorgelegten planlichen Unterlagen - zu prüfen sein, ob in dem der Niederschrift vom 18. März 1976 enthaltenen Satz "Das oberste Geschoß ist entsprechend dem Lichteinfallswinkel zurückzusetzen" der Begriff des Lichteinfallswinkels im selben Sinne wie im § 47 BO gebraucht worden sei.

Unter Hinweis auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gab die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 6. März 1986 der Vorstellung neuerlich Folge.

Mit dem am 9. April 1986 bei der Stadtgemeinde S eingelangten Devolutionsantrag verwiesen die Beschwerdeführer auf die zuletzt erwähnten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und beantragten eine Entscheidung durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde S.

In ihrer beim Verwaltungsgerichtshof am 11. Dezember 1986 eingelangten Säumnisbeschwerde beantragten die Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof wolle in der Sache selbst entscheiden und aussprechen, daß die Bauführung im obersten Geschoß des gegenständlichen Bauwerkes konsenslos erfolgt und eine nachträgliche Baubewilligung nicht möglich sei und ein Abbruch der konsenswidrig erbauten Gebäudeteile zu erfolgen habe.

Mit Verfügung vom 16. Dezember 1986 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und erteilte der belangten Behörde den Auftrag, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 17. März 1987 teilte der Bürgermeister dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß der Gemeinderat den Beschluß gefaßt habe, sich im Hinblick auf die komplizierte Materie und die oftmalig einander widersprechenden Entscheidungen außerstande zu sehen, in diesem Bauverfahren eine Entscheidung zu treffen. Die Verwaltungsakten wurden vorgelegt.

Mit Verfügung vom 20. Juli 1988 ersuchte der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde, zu bestimmten Fragen betreffend die Zweitbeschwerdeführerin Stellung zu nehmen, sowie Unterlagen vorzulegen, u.a. einen dahin ergänzten Lageplan, daß die den Grundstücken der Bauwerber und dem Bauvorhaben der Bauwerber in der S-gasse gegenüberliegenden Grundstücke und Gebäude sowie die in einem Bebauungsplan festgesetzten Straßenfluchtlinien und Baufluchtlinien (unter Angabe der Abstände) eingezeichnet werden, und den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan (samt Text) vorzulegen. Weitere ergänzende Unterlagen verlangte der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 28. Juli 1988.

In ihrer Äußerung vom 22. August 1988 führten die Beschwerdeführer u.a. aus, daß mit dem seit Oktober 1987 gültigen Bebauungsplan eine Baulinie festgelegt worden sei, nach der eine Baubewilligung keinesfalls in Frage komme, da diese Baulinie mit dem gegenständlichen Bau nicht in Einklang zu bringen sei. Ein Ausschnitt des Bebauungsplanes wurde dieser Äußerung angeschlossen.

In ihrem Schriftsatz vom 5. September 1988 vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß der Erstbeschwerdeführer als Bevollmächtigter für seine Ehefrau im Verwaltungsverfahren deren Rechte wahrgenommen habe. Außerdem habe die Zweitbeschwerdeführerin vom Inhalt der erstinstanzlichen Baubewilligung volle Kenntnis gehabt, weil sie in ihrem Demolierungsantrag ausdrücklich auf den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid Bezug genommen habe. Die Zweitbeschwerdeführerin habe aber auch am Verwaltungsverfahren persönlich teilgenommen, wie etwa aus der Niederschrift vom 5. Mai 1983 hervorgehe. Ein ergänzter Lageplan werde in dreifacher Ausfertigung übersandt. Auch der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan waren dem Verwaltungsgerichtshof in Ablichtung vorgelegt worden.

In ihrer Äußerung vom 21. November 1988 führten die Beteiligten aus, daß sie sich bezüglich der Rechtsstellung der Zweitbeschwerdeführerin der Auffassung der belangten Behörde anschlössen. Andernfalls wäre ihr Säumnisbeschwerdeantrag kostenpflichtig zurückzuweisen. Es wäre dann Aufgabe der Baubehörde, mit der Zweitbeschwerdeführerin das Bauverfahren neu aufzurollen. Schon jetzt werde das Gutachten eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen vom 30. Oktober 1988 zum Beweise dafür vorgelegt, daß das strittige Bürogebäude den Bebauungsvorschriften entspreche. Insbesondere habe der Zivilingenieur nach Vermessung des Naturstandes und des Bebauungsplanes feststellen können, daß die eingetragene Baulinie straßenseitig nicht überragt werde und daher Nachbarrechte nicht verletzt würden. Sollte der Verwaltungsgerichtshof bei nachprüfender Kontrolle der konsensmäßigen Errichtung des Gebäudes die neuen Bebauungspläne seiner Entscheidung zugrundelegen, so möge er feststellen, daß bei Neudurchführung des Verfahrens mit einer Baubewilligung zu rechnen wäre. Abschließend wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde keine Folge zu geben und den Beschwerdeführern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1991 wurde den Beschwerdeführern und den Beteiligten die Stellungnahme der belangten Behörde vom 5. September 1988 samt Lageplan zur Kenntnis gebracht. In ihrer Äußerung vom 4. März 1991 nahmen die Beschwerdeführer hiezu Stellung und bestritten die Richtigkeit der Darstellung im Lageplan nicht. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte ausdrücklich, auf die Zustellung ihr bisher nicht zugestellter Bescheide zu verzichten. Die Beteiligten äußerten sich zunächst nicht. Nach Akteneinsicht und Ausfolgung der Beschwerde und Äußerungen der Beschwerdeführer hat der Vertreter der Beteiligten in einem als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz vom 30. April 1991 zum maßgeblichen Sachverhalt und zur Rechtslage ergänzend Stellung genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß die Beschwerdeführer bereits an einem durchgeführten baupolizeilichen Auftragsverfahren als Parteien teilgenommen haben, welches zu dem in der Sachverhaltsdarstellung erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1985, Zl. 84/05/0200, geführt hat. In diesem Erkenntnis vertrat der Gerichtshof, wie schon erwähnt, die Auffassung, daß im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt - Abschluß der Bauführung - für ein Auftragsverfahren nach § 109 BO kein Raum mehr war, sodaß diesbezüglich dem Antrag der Beschwerdeführer nicht hätte entsprochen werden können. Gerade in diesem Erkenntnis verwies der Verwaltungsgerichtshof aber auch darauf, daß die Beschwerdeführer schon am 31. Jänner 1978 einen Demolierungsantrag gestellt hätten, der allerdings entgegen seiner Bezeichnung einen Antrag auf Erlassung eines Bauauftrages zur Beseitigung von Konsenswidrigkeiten enthalte. Im Rahmen des nach § 112 BO durchzuführenden Verfahrens hätten die Baubehörden den Inhalt der seinerzeit erteilten Baubewilligung zu erforschen. Obwohl diese Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes für das nunmehrige Verfahren nicht bindend im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG sind, wie schon damals ausdrücklich festgehalten wurde, hat der Gerichtshof jedenfalls auch schon damals die Zweitbeschwerdeführerin als berechtigt erachtet, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, obwohl ihr der Baubewilligungsbescheid gar nicht zugestellt worden ist. Mit ihrem Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages hat die Zweitbeschwerdeführerin gewissermaßen auf eine gesonderte Zustellung des Baubewilligungsbescheides verzichtet und inhaltlich die Wirkungen des Baubewilligungsbescheides auch gegen sich gelten lassen (dies kommt in ihrer Äußerung vom 4. März 1991 klar zum Ausdruck). Diese Auffassung scheint auf Grund des Verhaltens der Zweitbeschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof zutreffend, zumal es hier nicht um die Erlassung eines Beseitigungsauftrages für das gesamte Bauwerk geht, sondern lediglich um die Durchsetzung der konsensgemäßen Ausführung eines Teiles des obersten Geschoßes des ansonsten baubehördlich jedenfalls bewilligten Gebäudes. Die in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 1983, Zl. 82/05/0162, BauSlg. Nr. 50, angestellten Erwägungen betreffend den Rechtsanspruch eines übergangenen Nachbarn auf Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages bezogen sich auf einen anderen Sachverhalt und eine andere Rechtslage (§ 113 BO). Auch die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin erweist sich daher nicht nur als zulässig - über ihren Devolutionsantrag ist ja jedenfalls kein Bescheid ergangen -, sondern war der Antrag auch einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen.

Hinsichtlich der anzuwendenden Rechtslage sei bemerkt, daß sowohl nach Art. II der Novelle zur Bauordnung LGBl. 8200-1 als auch nach Art. II Abs. 2 der Novelle LGBl. 8200-6 anhängige Verfahren nach den neuen Vorschriften zu Ende zu führen sind. Im Beschwerdefall war also die Bauordnung in der Fassung der zuletzt genannten Novelle der Entscheidung zugrundezulegen.

Nach § 112 Abs. 1 BO hat der Eigentümer einer Baulichkeit dafür zu sorgen, daß diese in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche die Standfestigkeit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden können, zu beheben.

Nach § 112 Abs. 2 Satz 1 BO hat die Baubehörde dann, wenn der Eigentümer einer Baulichkeit seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nachkommt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden ist, unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß als Baugebrechen im Sinne dieser Bestimmung nicht nur eine Verschlechterung des ursprünglichen Bauzustandes, sondern auch ein Widerspruch zu einem Baubewilligungsbescheid, also eine Bauordnungswidrigkeit im Sinne des § 2 Z. 6 BO, angesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Jänner 1987, Zl. 86/05/0128, BauSlg. Nr. 853). Auf die Erlassung eines derartigen baupolizeilichen Auftrages steht im Falle der Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte dem Nachbarn ein Rechtsanspruch zu. Das bedeutet, daß dann, wenn die Behauptungen der Beschwerdeführer zutreffen, sie zu Recht die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages beantragten. Entgegen ihrer Meinung kommt freilich ein baupolizeilicher Auftrag nach § 113 Abs. 3 BO schon deshalb nicht in Betracht, weil im Beschwerdefall ihren Antragsgegnern eine baubehördliche Bewilligung ja erteilt worden ist, worauf der Verwaltungsgerichtshof schon in dem Erkenntnis vom 10. Dezember 1985 verwiesen hat.

In einem baupolizeilichen Auftragsverfahren nach § 112 BO hat der Verwaltungsgerichtshof, anders als in einem Verfahren nach § 113 Abs. 2 Z. 3 BO, nicht zu prüfen, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung in Betracht kommt oder nicht. Nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle hat die Baubehörde den Abbruch nur anzuordnen, wenn für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und (lit. a) die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist.

Nach § 118 Abs. 8 BO genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. In den Verfahren nach den §§ 10, 108 und 110 kommt Anrainern jedoch keine Parteistellung zu. Die Zustellung einer Bescheidausfertigung hat an alle Parteien zu erfolgen, selbst wenn sie trotz Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind. Nach § 118 Abs. 9 BO werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1)

den Brandschutz;

2)

den Schutz vor Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

              3)              die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

              4)              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Schon im Baubewilligungsverfahren hatte der Erstbeschwerdeführer mit seiner Einwendung betreffend die Gebäudehöhe sohin zu Recht ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend gemacht.

Die maßgeblichen Vorschriften über die Höhe der Baulichkeiten enthält § 22 BO. § 22 Abs. 4 BO bestimmt, daß die zulässige Höhe von Baulichkeiten an oder gegen Straßenfluchtlinien nicht mehr betragen darf als der Abstand zwischen den beiden an der Verkehrsfläche liegenden Baufluchtlinien. Hievon können Ausnahmen gewährt werden, wenn es

              1)              zur Pflege des Ortsbildes und zur Wahrung des Charakters der Bebauung in Schutzzonen, erhaltenswerten Altortgebieten und in zusammenhängend bebauten Ortsgebieten erforderlich ist, oder

              2)              die Geländebeschaffenheit erfordert.

(Die weitere Bestimmung bezüglich Hangbebauungen kommt hier nicht in Betracht.)

Gemäß § 22 Abs. 5 BO kann die Baubehörde bei Baulichkeiten, die öffentlichen Zwecken, wie religiösen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung oder technischen Zwecken dienen, Ausnahmen hinsichtlich der Bebauungshöhe und Bebauungsdichte gewähren, wenn eine nachteilige Beeinflussung des Orts- und Landschaftsbildes nicht gegeben ist und die Belichtung anderer Gebäude dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Bei den Bauklassen I bis VIII darf nach § 22 Abs. 6 BO die Anzahl der Vollgeschoße nicht größer sein als die Nummer der jeweiligen Bauklasse. Die Gebäudehöhe darf die im Bebauungsplan festgelegte Bebauungshöhe bis zur Bauklasse VII jeweils um höchstens 1 m, bei Giebelfronten um höchsten 4 m überschreiten.

In dem dem Baubewilligungsbescheid zugrundeliegenden Lageplan ist nun die Entfernung zwischen dem zu bewilligenden Gebäude und dem gegenüberliegenden Gebäude der Beschwerdeführer mit 8,95 m kotiert, was nach § 22 Abs. 4 BO zur Folge hat, daß die zulässige Gebäudehöhe gleichfalls nicht mehr betragen dürfte. Nun zeigt freilich der im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingeholte Lageplan, daß die Liegenschaft der Beschwerdeführer in Wahrheit nur 8,55 m (geringste Entfernung) vom Gebäude der Beteiligten entfernt ist. Das würde bedeuten, daß die zulässige Gebäudehöhe maximal 8,55 m betragen dürfte. Der Erstbeschwerdeführer hat sohin bei der Verhandlung am 5. August 1975 zu Recht Einwendungen gegen die Gebäudehöhe vorgebracht. Wenn der Sachverständige der Baubehörde damals die sich aus den Plänen ergebende Gebäudehöhe im Hinblick auf § 22 Abs. 5 BO als zulässig erachtete, so trifft dies nicht zu, wie schon der Gesetzestext erkennen läßt (vgl. in diesem Zusammenhang auch das in der Sachverhaltsdarstellung genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1981). Die Baulichkeit weist keine Widmungen aus, die öffentlichen Zwecken im Sinne der angeführten Gesetzesstelle dienen. Schon in dem erwähnten Erkenntnis vom 23. Juni 1981 hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, daß kein Zweifel daran bestehe, daß im Beschwerdefall die zulässige Gebäudehöhe offensichtlich überschritten worden ist. Die Baubehörde hätte daher die Bauwerber auffordern müssen, ihr Projekt dahingehend abzuändern, daß die maximal zulässige Gebäudehöhe nicht überschritten wird, und zwar auch dann, wenn der Erstbeschwerdeführer keine Einwendungen erhoben hätte. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Ergebnis des in der Niederschrift vom 18. März 1976 festgehaltenen Kompromisses zwischen dem Standpunkt der Bauwerber und dem der Nachbarn als rechtswidrig zu beurteilen, wenngleich die Nachbarn unter den dort genannten Voraussetzungen einer Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe offensichtlich zugestimmt haben. Der Inhalt dieser Niederschrift ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für die nunmehr zu beurteilende Rechtsfrage einer Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer unerheblich, weil diese Vereinbarung, wie der Schnittdarstellung entnommen werden kann, in den bewilligten Bauplänen Niederschlag gefunden hat. Demnach sollte die Straßenfront des obersten (vierten) Geschoßes abgeschrägt ausgeführt werden, wie schon in der Sachverhaltsdarstellung festgehalten worden ist. Ob diese Darstellung hinsichtlich des gesamten obersten Geschoßes dem Ergebnis laut Niederschrift vom 18. März 1976 ("Das oberste Geschoß ist entsprechend dem Lichteinfallswinkel zurückzusetzen") entspricht, war nicht näher zu prüfen, weil eine andere Betrachtungsweise zu einem Widerspruch zur Schnittdarstellung in dem genehmigten Bauplan führen müßte. Im übrigen wurde aber in der Niederschrift ausdrücklich festgehalten, daß das oberste Geschoß entsprechend dem Lichteinfallswinkel zurückzusetzen ist, nicht aber, daß nur ein Teil des obersten Geschoßes zurückzusetzen sei. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß auf einer Ablichtung dieser Niederschrift sich ein mit 13. Juli 1977 datierter Vermerk befindet, daß gegen die Darstellung im Plan vom Dezember 1976 vom damaligen Bausachverständigen "kein Einwand" erhoben werde. Eine solche Äußerung eines Sachverständigen vermag nämlich die erforderliche baubehördliche Bewilligung nicht zu ersetzen, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß es derselbe Sachverständige war, der das bezüglich § 22 Abs. 4 BO eindeutig rechtswidrige Projekt als genehmigungsfähig erachtet hat. Der Verwaltungsgerichtshof kommt sohin auf Grund der vorliegenden Verwaltungsakten zu derselben Auffassung, wie sie der bautechnische Amtssachverständige des zuständigen Gebietsbauamtes in der Verhandlung am 5. Mai 1983 vertreten hat. Dieser Amtssachverständige stellte damals weiters unbestritten fest, daß die zwei östlichen Konstruktionsfelder teilweise zurückversetzt worden sind, sodaß diesbezüglich eine Konsenswidrigkeit nicht gegeben ist. Hinsichtlich der drei westlichen Felder, innerhalb derer auch nach dem Plan die Schnittdarstellung liegt, ist dagegen eine Konsenswidrigkeit gegeben, wie sie auch der Amtssachverständige schon festgestellt hat. Der Amtssachverständige meinte damals, daß ab dem westlichen Ende des Hauses der Beschwerdeführer die derzeitige Straßenfluchtlinie so zurückspringe, daß ein Fluchtlinienabstand von mindestens 11,98 m und von da an breiter werdend gegeben sei. Nach dem vom Verwaltungsgerichtshof ergänzend eingeholten Lageplan beträgt dieser Abstand 10,90 m, was in diesem Zusammenhang nur der Vollständigkeit halber festgehalten sei. Aus welchen Gründen diese Feststellungen der Aktenlage nicht entnommen werden können, wie der Vertreter der Beteiligten behauptete, ist für den Gerichtshof nicht erkennbar. Einer rechtskräftigen Feststellung einer Baubehörde, daß sich die Abschrägung in der Schnittdarstellung auf die gesamte Länge des Geschoßes erstreckt, bedarf es entgegen der Meinung der Beteiligten nicht.

Die Zulässigkeit des Bauvorhabens hinsichtlich der drei westlich gelegenen Konstruktionsfelder dürfte der planende Architekt darin erblickt haben, daß er einen 45-gradigen "Lichteinfallswinkel" lediglich auf Fenster des Hauses der Beschwerdeführer bezogen hat, also nicht auf ihr Grundstück als solches.

Nach den im Akt erliegenden Plänen ist mit hinreichender Sicherheit festzustellen, daß sich auch Teile des dritten Konstruktionsfeldes, also des mittleren im Bereich der Fassade, unmittelbar gegenüber der Liegenschaft der Beschwerdeführer befinden.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich eindeutig, daß im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführer im obersten Geschoß die Bauführung konsenslos erfolgt ist, soweit hier eine Abweichung von der Schnittdarstellung gegeben ist, also im Sinne der bisherigen Ausführungen die drei westlichen Konstruktionsfelder in der ursprünglich vorgesehenen Höhe belassen und nicht zurückgesetzt ausgeführt wurden. Wie weit für diese Bauausführung die nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung möglich wäre, war im Rahmen des Auftragsverfahrens nach § 112 BO, wie dargetan, nicht zu prüfen. Die Beschwerdeführer haben nun zwar in ihrem Antrag den Abbruch der konsenswidrig erbauten Gebäudeteile begehrt, ihren Beschwerdeausführungen ist jedoch zu entnehmen, daß sie damit ausschließlich die Rückversetzung des in der Mitte angeordneten Konstruktionsfeldes erreichen wollten. Bei dieser Situation durfte der Verwaltungsgerichtshof gar nicht prüfen, ob den Beschwerdeführern hinsichtlich der gesamten Abweichung vom Bauplan ein subjektiv-öffentliches Recht zugebilligt werden könnte, bedeutet doch im allgemeinen die Einwendung einer unzulässigen Gebäudehöhe, daß regelmäßig im gesamten Frontbereich, also nicht nur unmittelbar gegenüber der Liegenschaft der Nachbarn, die zulässige Gebäudehöhe nicht überschritten werden darf, was im übrigen ja schon die Baubehörde von Amts wegen zu prüfen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich daher auf einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag bezüglich des mittleren Konstruktionsfeldes betreffend das oberste Geschoß zu beschränken. Hiebei wird nicht übersehen, daß nach dem nunmehr geltenden Bebauungsplan in diesem Bereich alternativ die Bauklassen II und III festgesetzt worden sind, weil sich auch danach keine Änderung hinsichtlich der tatsächlichen, aber auch der vorgesehenen Straßenbreite ergibt; dies kann daher zu keiner anderen Beurteilung im Sinne des § 22 Abs. 4 BO führen. Der Gerichtshof hat auch nicht übersehen, daß die Beschwerdeführer seinerzeit in ihrem Demolierungsantrag einen eingeschränkteren Auftrag begehrten, nämlich das oberste Stockwerk derart abzutragen, daß der 45-gradige Lichteinfall voll erhalten ist, denn im seinerzeit durchgeführten baupolizeilichen Auftragsverfahren war von einer solchen Beschränkung keine Rede. Zu bemerken ist noch, daß die von den Beteiligten in ihrer Äußerung vom 21. November 1988 vorgelegte Stellungnahme eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen zwar feststellt, daß die "Baulinie" nicht überragt werde, jedoch keine Aussage zu den hier maßgeblichen Fragen enthält.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war sohin der auf § 112 Abs. 2 BO gestützte Auftrag spruchgemäß zu konkretisieren. Die festgesetzte Erfüllungsfrist ist zur technischen Ausführung ausreichend und berücksichtigt die wirtschaftlichen Gesichtspunkte der Beteiligten.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich noch veranlaßt darauf hinzuweisen, daß es Sache der Baubehörde erster Instanz sein wird, auch bezüglich der weiteren konsenswidrigen Abweichung mit der Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages vorzugehen, sollte nicht eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung erwirkt werden. Diese Möglichkeit hat der bautechnische Amtssachverständige in der Verhandlung am 5. Mai 1983 bejaht. Hiebei ist freilich zu beachten, daß nunmehr im Bebauungsplan Festsetzungen erfolgten, die eine andere Betrachtungsweise zulassen könnten. Diese Fragen waren jedoch im Hinblick auf die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegebenen Beschränkungen nicht näher zu erörtern.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 im Rahmen des gestellten Antrages.

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1986050162.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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