TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/5 91/18/0009

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Veröffentlicht am 05.06.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §103 Abs2;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §52 lita Z13b;
VStG §40 Abs1;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 12. November 1990, Zl. Ib-292-170/89, betreffend Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 12. November 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Zulassungsbesitzer der Behörde auf Verlangen vom 9. Oktober 1989 nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Aufforderung Auskunft erteilt zu haben, von wem das dem Kennzeichen nach bestimmte Fahrzeug (Pkw) am 13. August 1989 um 12.50 Uhr auf der Schwarzachtobelstraße in Bildstein, auf Höhe des ehemaligen Gasthauses Löwen, in Fahrtrichtung Alberschwende gelenkt wurde, bzw. habe er die Person nicht benannt, die diese Auskunft erteilen könne. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 begangen, weshalb gemäß § 134 KFG über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Nach der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, das Aufforderungsschreiben nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 sei dem Beschwerdeführer am 13. Oktober 1989 durch Hinterlegung zugestellt und das Antwortschreiben des Beschwerdeführers am 30. Oktober 1989 bei der Post aufgegeben worden. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gerügt, daß die zweiwöchige Frist, die ihm zur Beantwortung der Lenkererhebung im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 zur Verfügung gestanden sei, nicht am 13. Oktober, sondern frühestens am 25. Oktober 1989 begonnen habe, da er in der Woche vom 9. Oktober bis zum 15. Oktober 1989 urlaubsbedingt abwesend gewesen sei. Darüberhinaus habe er nie eine Ankündigung eines zweiten Zustellversuches von der Post erhalten. Die Berufungsbehörde sei der Ansicht, daß der seinerzeitige Zustellvorgang insoweit dem Gesetz entsprechend vorgenommen worden sei, als dem Zustellorgan kein gesetzwidriges Verhalten nachgewiesen werden könne. Die Berufungsbehörde habe den Postbeamten, der zum seinerzeitigen Zeitpunkt die betreffende Zustellung vorgenommen habe, als Zeugen einvernommen und dabei den Eindruck gewonnen, daß dieses Zustellorgan die Zustellungen gewissenhaft vornehme. Es handle sich dabei um einen erfahrenen Zusteller, der nach Ansicht der Berufungsbehörde auch im gegenständlichen Fall die Zustellung sicherlich ordnungsgemäß durchgeführt habe. Eine Einvernahme der Hausmeisterin der Wohnhausanlage, in der der Beschwerdeführer wohne, habe ebenfalls nichts Gegenteiliges ergeben. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens immer wieder vorgebracht, er sei in der besagten Woche ortsabwesend (in Paris) gewesen. Allerdings habe er der Berufungsbehörde weder den Namen des Hotels bekannt geben noch eine Hotelrechnung oder ähnliches zum Beweis seiner Ortsabwesenheit vorlegen können. Nach Ansicht der Berufungsbehörde müßte es zumindest möglich sein, den Namen des Hotels, in dem man rund 1 Woche genächtigt habe, auch im nachhinein zu eruieren. Die Berufungsbehörde gehe auf Grund dessen davon aus, daß die Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der besagten Zustellung, das sei in der Zeit vom 10. bis zum 13. Oktober 1989, nicht derart gewesen sei, daß er von diesem Zustellvorgang nicht rechtzeitig habe Kenntnis erlangen können. Die Hausmeisterin der Wohnanlage, welche von der Berufungsbehörde als Zeugin einvernommen worden sei und dabei einen durchaus glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe, habe jedenfalls von einer solchen Ortsabwesenheit nichts gewußt. Daß in dieser Woche sein Briefkasten "vollgestopft" gewesen sei, sei der Hausmeisterin ebenfalls nicht aufgefallen. Die belangte Behörde ging daher davon aus, der Beschwerdeführer sei innerhalb der Frist von 2 Wochen der Aufforderung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 nicht nachgekommen.

Ferner wertete die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer - verspätet - erteilte Auskunft aus näher dargelegten Gründen als nicht den Tatsachen entsprechend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die Erstbehörde habe es unterlassen, ihm die Möglichkeit einer schriftlichen oder mündlichen Rechtfertigung einzuräumen. Dadurch sei ihm eine Instanz genommen worden, da er im Berufungsverfahren keinesfalls die Möglichkeit gehabt habe, die Rechtfertigung in der selben Weise nachzuholen. Eine solche Gleichstellung wäre bestenfalls dann erreicht, wenn die Berufungsbehörde - wie von ihm gefordert - eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt hätte.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer insoweit im Recht, als es zweifellos einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 40 Abs. 1 VStG bildete, daß das erstbehördliche Straferkenntnis erlassen wurde, ohne dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben. Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird eine derartige Verletzung des Parteiengehörs im Zuge des Verwaltungsverfahrens aber dann saniert, wenn der Beschuldigte durch die ihm hiezu von der Behörde zweiter Instanz gebotene Gelegenheit in seinem Recht auf Rechtfertigung nach Lage der Sache und in Ansehung der Entscheidung der Behörde nicht ungünstiger gestellt wird, als dies bei einem vor der Behörde erster Instanz gewährten Parteiengehör der Fall gewesen wäre (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 923 f, zitierte diesbezügliche hg. Judikatur; den im hg. Erkenntnis vom 30. November 1967, Slg. N.F. Nr. 7235/A geprägten gegenteiligen Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof in der Folge in dieser Allgemeinheit nicht aufrecht erhalten).

Im vorliegenden Fall ist nach Lage der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten nicht erkennbar, inwiefern der Beschwerdeführer dadurch, daß er erst im Berufungsverfahren die Möglichkeit hatte, seine Rechtfertigung vorzubringen, schlechter gestellt wurde. Auch die Beschwerde vermag diesbezüglich nichts Konkretes vorzubringen.

Soweit der Beschwerdeführer die in freier Beweiswürdigung gewonnene Annahme der belangten Behörde bekämpft, die am 13. Oktober 1969 vorgenommene Hinterlegung der in Rede stehenden Postsendung sei dem Gesetz gemäß erfolgt, bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Er übersieht dabei allerdings, daß diese der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur insoweit unterliegt, als vom Verwaltungsgerichtshof nur zu überprüfen ist, ob die Beweiswürdigung auf vollständiger sachverhaltsmäßiger Grundlage erfolgte und schlüssig ist, d.h. mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut in Einklang steht. Ob aber der Akt der Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z. B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Im Rahmen der derart eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes ist aber die zur Annahme der belangten Behörde führende Beweiswürdigung, die Zustellung am 13. Oktober 1989 sei dem Gesetz gemäß erfolgt, auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Es trifft zwar zu, daß im angefochtenen Bescheid Feststellungen darüber fehlen, wann das Ersuchen im Sinne des § 21 Abs. 2 Zustellgesetz vom Zusteller im Briefkasten des Beschwerdeführers hinterlegt wurde, doch bewirkt dieser Mangel keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit, weil sich dieser Zeitpunkt einerseits unzweifelhaft aus dem im Akt befindlichen Rückschein ergibt und vom Beschwerdeführer dieser Zeitpunkt im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens auch nie ernsthaft in Frage gestellt wurde, sodaß die belangte Behörde keinen Anlaß hatte, darauf besonderes Gewicht zu legen. Daß die belangte Behörde davon ausgeht, es sei jedenfalls im Briefkasten des Beschwerdeführers hinterlegt worden, ergibt sich schlüssig aus der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung, die Zustellung sei ordnungsgemäß erfolgt, in Verbindung mit dem diesbezüglichen Akteninhalt.

Aktenwidrig ist der Beschwerdevorwurf, im angefochtenen Bescheid fehlten jegliche Feststellungen über die Schuld. Die belangte Behörde führte vielmehr ausdrücklich aus, das Verschulden des Beschwerdeführers müsse "als schwer (Vorsatz) gewertet werden".

Schließlich vermag der Beschwerdeführer auch mit seinem Vorbringen, die Bezeichnung des Tatortes der Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG vom 9. Oktober 1989 sei insoferne ungenügend gewesen, als "ohne verschiedene historische und geographische Nachforschungen" nicht festgestellt werden könne, wo sich das "ehemalige Gasthaus Löwen" befinde, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich wiederholt ausgesprochen hat, ist Gegenstand einer Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 die Frage nach jener Person, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Fahrzeug gelenkt oder vor einem bestimmten Zeitpunkt das Fahrzeug abgestellt hat, sodaß vom Zweck der Regelung her die Angabe des Abstellortes entbehrlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1989, Zl. 89/09/0183). Die Aufnahme des Ortes in die Aufforderung, an dem zum fraglichen Zeitpunkt das Kraftfahrzeug gelenkt wurde, war sohin im vorliegenden Fall überflüssig. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Umschreibung dieses Ortes in der Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 für den Beschwerdeführer nachvollziehbar war, weil, auch wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, dadurch Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt wurden.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die an ihn gerichtete schriftliche Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 2 Wochen beantwortet, als frei von Rechtsirrtum. Da somit schon aus diesem Grund das Tatbild des § 103 Abs. 2 KFG 1967 erfüllt ist, erübrigt es sich zu prüfen, ob auch die Annahme der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer verspätet erteilte Auskunft sei überdies unrichtig gewesen, zutrifft. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatortSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelHeilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180009.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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