TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/6 91/09/0033

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Veröffentlicht am 06.06.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;
BDG 1979 §105 Z1;
BDG 1979 §95 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
MRK Art6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 28. Jänner 1991, Zl. 59/11-DOK/90, betreffend Wiederaufnahme eines Disziplinarverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Bezüglich der Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0073, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 1. März 1990 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit diesem Bescheid war der das Disziplinarverfahren des Beschwerdeführers betreffende Wiederaufnahmsantrag des Beschwerdeführers im Instanzenzug als unzulässig zurückgewiesen worden.

Im fortgesetzten Verfahren und im nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid hatte sich die belangte Behörde daher mit dem in erster Instanz abgewiesenen Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers in merito auseinanderzusetzen. Zu diesem Zweck ordnete die belangte Behörde für den 28. Jänner 1991 eine Berufungsverhandlung an, vor deren Abhaltung der Beschwerdeführer noch einen schriftlichen Beweisantrag stellte, und in welcher die Sach- und Rechtslage mit dem Beschwerdeführer erörtert wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Jänner 1991 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, mit welchem der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers ABgewiesen worden war. Begründend führte die belangte Behörde nach einer umfassenden Darstellung des bisherigen Verfahrens aus, der Wiederaufnahmeantrag sei in erster Linie auf die Zeugen A und B gestützt. Diese Beweismittel seien indes für den Beschwerdeführer nicht im Sinne der §§ 69 Abs. 1 lit. b AVG und 105 BDG 1979 neu hervorgekommen, weil ihm bereits aus der Disziplinaranzeige, dem Einleitungsbeschluß und dem Verhandlungsbeschluß die Tatsache bekannt gewesen sei, daß ihm der pflichtwidrige Aufenthalt in Weinkellern in K angelastet werde. Da er den Aufenthalt in diesen Weinkellern nicht bestritten habe, sondern lediglich den Konsum von Alkohol, hätte er schon im erstinstanzlichen Verfahren die Möglichkeit gehabt, die Besitzer der Weinkeller als Zeugen namhaft zu machen, bzw. deren Ausforschung durch die Behörde zu beantragen. Damit versage die nunmehrige Darstellung des Beschwerdeführers, er habe aus den beiden Namen allein nicht schließen können, daß es sich hiebei um die Kellerbesitzer gehandelt habe, zumal ihm deren Adresse damals nicht bekannt gewesen sei und auch eine Berufsangabe gefehlt habe, aus der er auf die Identität dieser beiden Zeugen hätte schließen können. Der Umstand, daß die Anschrift der Zeugen dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen sei, stelle keinen Wiederaufnahmegrund dar. Trotz Unkenntnis der genauen Daten der beiden Zeugen habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, ihre Einvernahme zu beantragen, und zwar in der Form, daß er die Ausforschung der Besitzer der Weinkeller, in denen er sich pflichtwidrig aufgehalten habe, hätte begehren müssen. Es wäre dann Aufgabe der Behörde gewesen, die Zeugen auszuforschen. Das habe der Beschwerdeführer jedoch unterlassen, er habe auch während der Verhandlung in erster Instanz keine entsprechenden Anträge gestellt, sondern diesbezüglich überhaupt keine Ausführungen gemacht. Da es sich somit bei den angeführten Beweismitteln nicht um "nova reperta" im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG handle, sei die Berufung des Beschwerdeführers abzuweisen.

Was den Antrag auf Vernehmung von Revierinspektor Z (im Wiederaufnahmeantrag) und von Abteilungsinspektor R (im ergänzenden Beweisantrag vom 21. Jänner 1991) anlange, so stellten diese Begehren nur Beweisanträge für den Fall der Bewilligung der Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens dar, zumal sie im ursprünglichen Wiederaufnahmeantrag nicht genannt worden seien. Hierüber sei im angefochtenen Bescheid nicht abzusprechen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, "wegen Rechtswidrigkeit" erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, "wegen Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens bewilligt zu erhalten und nach Ergänzung des Beweisverfahrens die Abänderung der ausgesprochenen Entlassung in eine mildere Disziplinarstrafe zu erreichen", verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem in Rechtskaft erwachsenen Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 20. Dezember 1988 ist der Beschwerdeführer schuldig,

"1.

am 31. Oktober 1987 während eines Flughafen-Außendienstes von 15.00 bis 23.00 Uhr

a)

als Kraftfahrer des Einsatzfahrzeuges BG n2 'Gendarmerie Ost' mit dem Patrouillenkommandanten GrInsp P zweimal in K, Gemeinde E an der Fischa, einen Weinkeller aufgesucht und Alkohol konsumiert zu haben, ohne die Erreichbarkeit der Patrouille per Funk sicherzustellen,

b)

danach jeweils das Einsatzfahrzeug in alkoholbeeinträchtigten Zustand gelenkt,

2.

nach dem Einrücken vom Flughafen-Außenschutzdienst am 31. Oktober 1987, um 23.00 Uhr

a)

der Weisung des Postenkommandanten des Gendarmeriepostens F, AbtInsp G, der die beiden Beamten zur Dienststelle zurückfuhr, das Rauchen während der Fahrt im Dienstfahrzeug BG n1 zu unterlassen, nicht Folge geleistet,

b)

um etwa 23.20 Uhr nach dem Aussteigen aus dem PKW vor dem Gendarmerieposten F auf dem Weg zur Postenunterkunft seinen Vorgesetzten AbtInsp G mit den Worten: 'I hau di nieder, wos wüst, du RotzbuaÜ I erschlag diÜ I bring di umÜ' und kurz darauf im Stiegenhaus vor der Eingangstür nochmals in aggressiver Weise mit den Worten: 'I bring di um und wenn'S dös behaupten, was ich gesagt hab, dann klag ich Sie zivilrechtlichÜ' bedroht und dadurch seine rechtskräftige Verurteilung wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verschuldet und

c)

um ca. 23.45 Uhr desselben Tages die Aufforderung des Bezirksgendarmeriekommandanten AbtInsp H, sich einem Alkotest zu unterziehen, abgelehnt zu haben, weshalb er von der Bezirkshauptmannschaft F mit Straferkenntnis vom 22. März 1988, 3-P-863/1, wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 mit einer Geldstrafe in der Höhe von

S 8.000,-- rechtskräftig bestraft und ihm auch die Lenkerberechtigung mit Bescheid vom 9. Februar 1988, Zl. 10-F-87149, bis 1. März 1988 entzogen wurde."

Der vom Beschwerdeführer eingebrachte Wiederaufnahmeantrag bezog sich ausschließlich auf "neue Beweismittel" hinsichtlich des oben zu 1. genannten Schuldspruches; der Schuldspruch hinsichtlich der unter oben 2. genannten Fakten bliebe daher selbst im Falle eines Erfolges dieses Wiederaufnahmeantrages unberührt. Allerdings hätte es im letzteren Falle zu einer (vom Beschwerdeführer angestrebten) neuen Strafbemessung zu kommen, wobei der Beschwerdeführer hofft, der über ihn verhängten Strafe der Entlassung zu entgehen.

Der Beschwerdeführer läßt allerdings zu den anderen Anschuldigungspunkten anklingen, der Verwaltungsgerichtshof möge im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1990, G 73/89, mit welchem § 268 ZPO als verfassungswidrig aufgehoben worden ist, die Überprüfung der Bindungswirkung von Strafurteilen bzw. Straferkenntnissen auch im Disziplinarverfahren (§ 95 Abs. 2 BDG 1979) durch den Verfassungsgerichtshof anregen. Es ist diese Frage jedoch für die Erledigung der vorliegenden, ausschließlich die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffenden Beschwerde nicht präjudiziell; abgesehen davon ist dazu auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, zu verweisen, in welchem der Gerichtshof bereits näher begründet hat, warum er die Bindungswirkung für das Disziplinarrecht als verfassungskonform ansieht.

Gemäß § 105 BDG 1979 sind auf das Disziplinarverfahren, soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, mit bestimmten Ausnahmen die Regeln des AVG anzuwenden. Die Bestimmungen des AVG über die Wiederaufnahme des Verfahrens sind von dieser Anwendung nicht ausgenommen, sie werden nur (allerdings in einer für den vorliegenden Beschwerdefall nicht maßgeblichen Weise) durch § 116 BDG 1979 modifiziert.

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG (vor der Wiederverlautbarung des AVG mit BGBl. Nr. 51/1991: § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950) - die Z. 1 und 3 kommen im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen nicht in Betracht - ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer als neue Beweismittel in seinem Wiederaufnahmeantrag die Zeugen A und B (die beiden Kellerbesitzer) geltend gemacht. In seiner Beschwerde hält er daran fest, daß es sich bei diesen beiden Zeugen um im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG für den Erfolg seines Wiederaufnahmeantrages taugliche neue Beweismittel handle. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Es trifft vielmehr die Auffassung der belangten Behörde zu, daß es sich bei diesen beiden Zeugen nicht um "neue Beweismittel" im Sinne des Gesetzes gehandelt hat, und daß ihre Einvernahme im Disziplinarverfahren auch nicht ohne Verschulden des Beschwerdeführers unterblieben ist.

Unbestritten waren diese beiden Zeugen bereits der Disziplinarbehörde erster Instanz und nach der Aktenlage zumindest dem Namen nach auch dem Beschwerdeführer bereits vor seiner Verurteilung im Disziplinarverfahren erster Instanz bekannt (siehe dazu den Verhandlungsbeschluß sowie die Niederschrift über die Verhandlung vom 20. Dezember 1988). Es wäre daher nahe gelegen, schon damals der Frage nachzugehen, um wen es sich bei diesen beiden als Zeugen Angeführten handelte und zu welchem Beweisthema ihre allfällige Einvernahme vorgesehen war. Aber auch abgesehen davon ist nicht zu erkennen, was den Beschwerdeführer daran gehindert haben sollte, für den Fall, daß er sich von der Einvernahme der beiden Kellerbesitzer einen Entlastungsbeweis hinsichtlich des ihm gemachten Akoholisierungsvorwurfes erwarten konnte, die Ausforschung und Einvernahme dieser beiden Kellerbesitzer im Disziplinarverfahren zu beantragen, selbst wenn ihm deren Namen und Adressen mangels ausreichender Aktenkenntnis unbekannt geblieben waren. Dem Beschwerdeführer war sowohl die konkrete Existenz der angeblich neuen Beweismittel als auch die zu beweisende Tatsache bereits im Disziplinarverfahren bekannt, es kann daher keine Rede davon sein, daß er bei gehöriger Verfolgung seiner Interessen diese Beweismittel ohne sein Verschulden nicht geltend machen hätte können (vgl. dazu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 714 ff, angeführte Judikatur).

Bei dieser Rechts- und Sachlage kann auch keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin erkannt werden, daß die belangte Behörde über den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers ohne vorherige Einvernahme von Zeugen entschieden hat.

Da somit der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991090033.X00

Im RIS seit

06.06.1991

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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