TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/25 90/07/0085

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Veröffentlicht am 25.06.1991
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Index

81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr.Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der B Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. März 1990, Zl. 512.315/07-I5/89, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. Juni 1988 erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der ihr zur Kenntnis gebrachten gutächtlichen Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen sowie des Amtssachverständigen für technische Angelegenheiten des Sonderabfallgesetzes gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes den Auftrag, innerhalb von vier Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides die auf den Grundstücken Nr. 1504/1, 1504/2, 1504/3, 1505 und 1506, alle KG H, vorgenommenen Ablagerungen von Abfällen aus der Textilerzeugung und -verarbeitung, Papier- und Plastikabfällen und Kartonagen zu entfernen. In der Begründung dieses Bescheides führte der LH aus,

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die Beschwerdeführerin betreibe auf den obgenannten Flächen seit Jahren konsenslos eine Deponie;

auf dieser würden Abfälle aus der Textilerzeugung und -verarbeitung, Papier- und Plastikabfälle sowie ein hoher Anteil an Kartonagen gelagert;

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die aus den im Jahre 1987 gesetzten Sonden am 12. November 1987 von der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt entnommenen Grundwasserproben wiesen eine derartige Belastung durch Müllsickerwäser auf (CSB von 260 mgO2/l und BSB von 220 mgO2/l, wobei die Grenzwerte nach der im Jahre 1981 erlassenen Richtlinie des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft für die Begrenzung von Abwasseremissionen lauteten: CSB = 75 mg/l, BSB5 = 20 mg/l), daß nicht einmal eine Einleitung in einen Vorfluter zulässig erscheine, geschweige denn eine Versickerung stattfinden dürfte;

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diese stark organisch belasteten Sondenwässer deuteten auf eine massive Verunreinigung des Grundwassers durch Sickerwässer aus der Deponie hin;

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infolge Fehlens jeglicher Abdichtungsmaßnahmen gegenüber dem Untergrund sowie Fehlens jeglicher Einrichtung zur Sammlung und Erfassung von Sickerwässern sei auch weiterhin mit einer starken Beeinträchtigung des Grundwassers zu rechnen;

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da diese Gewässereinwirkungen auch nachträglich nicht wasserrechtlich bewilligungsfähig seien, hätte die Entfernung und ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle verfügt werden müssen.

Der gegen diesen Bescheid durch die Beschwerdeführerin (insbesondere unter Hinweis auf wesentlich geringere Belastungswerte des Sickerwassers) erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. In der Begründung führte sie - gestützt auf umfangreiche Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen - im wesentlichen aus:

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Infolge der überwiegend biologisch abbaubaren, organischen Abfallstoffe unterlägen diese in einem Schüttkörper den natürlich ablaufenden Auslaugungs- und Abbau- bzw. Umbauprozessen;

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unter den klimatischen Bedingungen Österreichs resultierten daraus mehr oder minder stark belastete Sickerwässer in Deponiekörpern;

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die Untersuchungsergebnisse zeigten signifikant verunreinigte Grundwasserwerte: So entsprächen die bei der Beprobung vom 12. November 1987 erhobenen Werte etwa mechanisch gereinigtem häuslichem Abwasser und die bei der Beprobung am 6. Juli 1988 erhobenen Werte etwa teilbiologisch gereinigtem Abwasser; im Vergleich zu naturbelassenem Grundwasser, das nach § 30 WRG 1959 primär der Trinkwasserversorgung dienen solle, stelle dies eine "exorbitante Kontamination" dar;

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im öffentlichen Interesse müßte daher diese Altlast saniert werden, um künftig jede Gefahr einer Kontamination hintanzuhalten.

Zu den von der Beschwerdeführerin im Zuge des Ermittlungsverfahrens vorgelegten Privatgutachten führte die belangte Behörde aus, daß

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bereits die (oben dargestellte) Analysenauswertung der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt eindeutig Müllsickerwässer nachgewiesen habe,

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die gemessenen CSB- und BSB5-Konzentrationen im Grundwasser weit über jenen Werten lägen, die in natürlichen Gewässern einschließlich des Grundwassers zu beobachten wären,

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die vom Privatgutachter der Beschwerdeführerin vorgenommene Eluat-Untersuchung deshalb als nicht ausreichend eingestuft werden könne, da derartige Auslaugversuche ohne Gesamtanalysen des Materials und und ohne repräsentative Prüfung des biochemischen Abbauverhaltens der organischen Abfallstoffe nicht aussagekräftig seien und

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der gegenständliche Typus der sogenannten Reaktordeponie (nach den Richtlinien für Abfalldeponien der Bundesministerien für Umwelt, Jugend und Familie sowie für Land- und Forstwirtschaft) basisgedichtete und -entwässerte Deponien (Kombinationsdichtung) auf hydrologisch geeigneten Standorten verlange, diese Voraussetzungen jedoch nicht vorlägen. Die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Abdeckung der Altlast mit mineralischer Dichtung oder Folie würde das Reaktionspotential des Materiales lediglich konservieren bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Abdichtung undicht werde und durch neuerlichen Zutritt von Wasser die Abbauprozesse wiederum in Gang kämen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Unterbleiben des ihr erteilten Auftrages, subsidiär auf Setzung einer angemessenen Leistungsfrist verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Rücksicht auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides vor dem 1. Juli 1990 hatte die belangte Behörde das Wasserrechtsgesetz 1959 in der vor der Novelle BGBl. Nr. 252/1959 geltenden Fassung anzuwenden.

Gemäß § 32 Abs. 1 WRG 1959 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, der üblichen Gemeingebrauch (§ 8) sowie die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung gelten bis zum Beweis des Gegenteiles nicht als Beeinträchtigung.

Gemäß Abs. 2 lit. c dieses Paragraphen bedürfen der Bewilligung im Sinne des Abs. 1 insbesondere Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird.

Zur Ablagerung kommende Abfallstoffe in Verbindung mit einer Lagerung unter freiem Himmel führen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dazu, daß im Deponiekörper mit Inhaltsstoffen angereicherte Sickerwässer entstehen. Da diese ohne Vorkehrungen entsprechender Maßnahmen in das Grundwasser gelangen würden - was auch für die hier gegenständliche Deponie auf Grund der eingeholten Gutachten feststeht -, unterliegt ein Deponievorhaben der Bewilligungspflicht gemäß § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1991, Zl. 90/07/0128).

Zu den einzelnen Ausführungen in der Beschwerde ist im Lichte der dargestellten Rechtslage festzuhalten:

Zum Vorbringen, daß die belangte Behörde nicht dargetan habe, wie hoch die Verunreinigung sei bzw. aus welchen Komponenten sich diese Verunreinigung des Grundwassers zusammensetze, ist darauf hinzuweisen, daß bereits die Niederösterreichische Umweltschutzanstalt in ihren Analyseauswertungen Müllsickerwässer nachweist. Die im November 1987 festgestellten Sickerwasserwerte entsprechen etwa mechanisch gereinigtem häuslichem Abwasser und die im Juli 1988 erhobenen Werte noch immer in unzureichendem Maß nur teilbiologisch gereinigtem Abwasser. Sohin stellt die Einbringung der Deponiesickerwässer in das naturbelassene Grundwasser - nach den Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssacherverständigen der belangten Behörde - eine "exorbitante Kontamination" dar. Infolge dieser das bloß geringfügige Einwirkungsausmaß (vgl. § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959) wesentlich übersteigenden Einwirkung war eine zusätzliche Prüfung, aus welchen Komponenten sich diese Verunreinigung zusammensetzt, entbehrlich. Im übrigen beweisen die Grundwasseruntersuchungen nach den Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen der belangten Behöre den in der Deponie stattfindenden biochemischen Abbau der Textil- sowie Papier- und Kartonagenabfälle.

Soweit die Beschwerde ausführt, daß die Meßergebnisse nicht zur Gänze der Deponie zugeordnet werden könnten, da diese Ergebnisse durch Schlammaufbringungen und natürliche Faulungsprozesse verfälscht wären, ist zu bemerken, daß nach den gutächtlichen Ausführungen des Amtssachverständigen der belangten Behörde derartige zusätzliche Einwirkungen zwar nicht ausgeschlossen werden können, unabhängig jedoch davon die Umwelt- und Gewässerbelastung der gegenständlichen Deponie auf Grund der ausführlichen Sonden- und Sickerwässeranalysen als erwiesen angesehen werden kann. Es erübrigt sich damit ein weiteres Eingehen auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen.

Soweit die Beschwerde meint, daß durch die Deponiesickerwässer die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet würde und daher eine bloß geringfügige Einwirkung vorläge ist auf die oben wiedergegebene Judikatur zu verweisen, wonach die Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 immer dann gegeben ist, wenn - wie im gegenständlichen Fall - bereits nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer gerechnet werden muß.

Gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Da unter einer "eigenmächtigen Neuerung" im Sinne des § 138 Abs. 1 leg. cit. die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen ist, für die eine wasserrechtliche Bewilligung - sofern sie dieser überhaupt zugänglich sind - einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. aus letzter Zeit die hg. Erkenntnisse vom 12. Februar 1991, Zl. 90/07/0128, und vom 21. Dezember 1989, Zl. 89/07/0105), ist die belangte Behörde zu Recht von der Anwendbarkeit des § 138 leg. cit. auf den Beschwerdefall ausgegangen. Dabei ist es für ein Einschreiten der Wasserrechtsbehörde nach den §§ 32 Abs. 2 lit. c und 138 Abs. 1 leg. cit. ohne Bedeutung, ob bereits eine Grundwasserverunreinigung durch eine eigenmächtige Neuerung (Maßnahme) eingetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1985, Zlen. 84/07/0393, 0394).

Im gegenständlichen Fall hat sich auf Grund der eingeholten Gutachten die Nichtbewilligungsfähigkeit der gegenständlichen Abfallagerung erwiesen. Zu den Beschwerdeausführungen, wonach eine "Sanierung" der Altlast durch Abdeckung der Deponie insofern erfolgen könne, als "man einerseits Sonden zur Kontrolle des Eindringens von Wasser in die Deponie anbringt und andererseits in diesem Fall eben die Abdeckung erneuert bzw. ausbessert", ist festzuhalten, daß der Amtssachverständige der belangten Behörde schlüssig ausgeführt hat, daß eine derartige Abdeckung das Reaktionspotential des Materiales lediglich bis zu dem Zeitpunkt konserviere, wo die Abdeckung undicht werde und durch neuerlichen Zutritt von Wasser die Abbauprozesse wiederum in Gang kämen.

Soweit die Beschwerde die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug zu nehmen (vgl. unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053): Danach schließt § 45 Abs. 2 AVG eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. ob sie unter anderem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfestellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen.

Im Gegenstand hat die belangte Behörde zum Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin ein Gutachten und in der Folge zum weiteren Berufungsvorbringen noch ein Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen eingeholt. Diesen Gutachten zufolge wurden - auch unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse der Wasserrechtsbehörde erster Instanz - abfallbedingte belastete Sickerwässer im Deponiekörper und daraus resultierende signifikante Belastungen des Grundwassers nachgewiesen. Derartige Einwirkungen wären daher zwar nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 bewilligungspflichtig, sind jedoch im Gegenstand mit Rücksicht auf die mangelnde Ausgestaltung der Deponie sowie ihre Lage (hier: im nördlichen Waldviertel, wo es nach den gutächtlichen Ausführungen des Amtssachverständigen der belangten Behörde oft kaum möglich sei, Grundwasser in nennenswerter Menge für höherwertige Zwecke zu beschaffen) nicht bewilligungsfähig. Es ist daher deren Beseitigung geboten. Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie diese ausführlich und schlüssig begründeten Ausführungen ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat.

Soweit die Beschwerde die Räumungsfrist von vier Monaten ab Rechtskraft des Beiseitigungsauftrages als zu kurz erachtet, ist darauf hinzuweisen, daß bereits die vom LH beigezogenen Amtssachverständigen in ihrem Gutachten vom 25. April 1988 auf Grund der Gegebenheiten die ordnungsgemäße Beseitigung des Deponiegutes bis 31. Juli 1988 forderten. Ergänzend stellte der wasserbautechnische Amtssachverständige der belangten Behörde fest, daß im Hinblick auf die vorhandene Kubatur die eingeräumte Frist von vier Monaten als "mehr als angemessen" erachtet werde. Mit diesen Ausführungen hat sich die Beschwerdeführerin im bisherigen Verfahren nicht auseinandergesetzt. Soweit in der Beschwerde auf die Schwierigkeiten bei den Zu- und Abtransportmöglichkeiten, weiters die Möglichkeiten der Endlagerungen der Alttextilien und den Zeitraum, der zur Untersuchung des Mülls durch einen allfälligen Mülldeponiebetreiber erforderlich sei, sowie auch sonstige Probleme bei der Müllentsorgung Bezug genommen wird, ist auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot hinzuweisen, sodaß ein Eingehen auf dieses Vorbringen unterbleiben mußte.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990070085.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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