TE Vwgh Erkenntnis 1991/7/3 90/14/0227

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Veröffentlicht am 03.07.1991
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §28;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
EStG 1972 §23;

Beachte

Besprechung in:ÖStZB 1992, 125;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Nöst, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 13. Februar 1990, Zl. 30.009-3/90, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezeichnete sich in seinen Abgabenerklärungen für 1985 als Industrieberater und wies neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb ab 1. Oktober 1985 aus. Gegen die erklärungsgemäß ergangenen Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1985 erhob er Berufung, weil die Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Ingenieurkonsulent entgegen der irrtümlichen Erklärung unter § 22 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 fielen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Berufsbefugnis nach dem Ziviltechnikergesetz. Er habe an der montanistischen Hochschule Bergwesen studiert (Diplomingenieur); eine "Ähnlichkeit" der ab 1. Oktober 1985 ausgeübten Tätigkeit mit dem Fachgebiet eines Ingenieurkonsulenten bzw. Zivilingenieurs für Bergwesen behaupte er allerdings gerade nicht. Da er infolge langjähriger leitender Tätigkeit in der Baustoffindustrie über Know-how, insbesondere Maschinenputze und Anhydrit-Fließestrich betreffend, verfügt habe, habe er nach Beendigung seines Angestelltenverhältnisses bei der Firma X. (mit 30. September 1985) dieses Know-how letzterer weiterhin im Rahmen eines Konsulentenvertrages ab 1. Oktober 1985 entgeltlich zur Verfügung gestellt. Gegenstand des Vertrages habe die "Pflege und Entwicklung bestehender Putz-und Anhydrit-Fließestrich-Rezepturen, Beratung hinsichtlich der Verarbeitung dieser Produkte, Entwicklung von Logistiksystemen, Einschulung des Betriebsleiters für die Mischanlage Y., Übernahme von Beratungsaufträgen für externe Unternehmungen im Auftrage von X" gebildet. Gegenüber dem Finanzamt habe er angegeben, daß die in Rede stehende Tätigkeit vor allem die technische Beratung in der Herstellung, Anwendung und im Vertrieb von Baustoffen betreffe. Nach den vorgelegten Rechnungen habe es sich im Streitjahr um Firmenbesprechungen, Berechnung einer Fußboden-Speicherheizung, Schulung von Estrichverlegern und Architekten bzw. Planern, Einstellung der Steuerung einer Mischanlage, Rezepturabstimmung, Anbotskontrolle, Expertisenausarbeitungen, Produktionsüberwachung, Besprechung mit der Bauleitung, Putzversuche, diverse Berichte und Sandmuster-Untersuchungen gehandelt. Diese den laufenden Produktionsprozeß betreffende Tätigkeit des Beschwerdeführers sei gewerblich und entspreche nicht dem Berufsbild eines Ziviltechnikers.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 24. September 1990, B 534/90, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtveranlagung zur Gewerbesteuer, auf Steuerbemessung gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 und auf Anwendung des § 4 Abs. 6 EStG 1972 verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 gehören zu den - nicht den gewerblichen Einkünften zuzurechnenden - Einkünften aus selbständiger Arbeit die Einkünfte aus freien Berufen. Das Gesetz bestimmt, daß dazu neben den Einkünften aus den wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeiten auch Einkünfte aus bestimmten taxativ aufgezählten Berufstätigkeiten und diesen ähnlichen Berufen gehören. Zu den namentlich den freien Berufen zuzuordnenden Tätigkeiten gehört auch die Tätigkeit der Ziviltechniker.

Der Beschwerdeführer hat sich zwar im Berufungsverfahren als Ingenieurkonsulent und in späteren Abgabenerklärungen als Zivilingenieur bezeichnet. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet er aber nicht mehr, daß es Zivilingenieure "für Verfahrenstechnik und Baustoffchemie" gebe; eine solche Ziviltechnikerbefugnis ist dem Ziviltechnikergesetz fremd (vgl. dessen § 4).

Strittig ist aber, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers der eines Ziviltechnikers ähnlich ist. Für die Abgrenzung, ob eine Tätigkeit gewerblich oder freiberuflich im abgabenrechtlichen Sinn ist, ist auf dem Boden der im Abgabenrecht anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Inhalt einer Tätigkeit ausschlaggebend. Von einer der Berufstätigkeit eines Ziviltechnikers ähnlichen Tätigkeit kann nur dann gesprochen werden, wenn die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, abgesehen von einer durch gehobene Vorbildung gekennzeichneten fachlichen Qualifikation, jener Tätigkeit entspricht, zu der die einschlägigen Vorschriften über den freien Beruf, zu dem die Ähnlichkeit angenommen werden soll, berechtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1989, Zl. 88/13/0064).

Zutreffend beruft sich die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1981, Zl. 13/2814/79. In diesem hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die laufende und unmittelbare Mitwirkung an der Erzeugung der für den Markt bestimmten Produkte keinesfalls zu den Berechtigungen, die den Ziviltechnikern vorbehalten sind, gehört. Gerade bei Erzeugungsbetrieben ist der unmittelbare Produktionsprozeß, zu dem auch die Auswahl (Planung) der für den jeweiligen Markt geeigneten Produkte, deren Qualitätsbestimmung sowie die Festlegung des Produktionsvolumens gehören, Kernstück der gewerblichen Tätigkeit, die ihrerseits sowohl technische als auch kaufmännische Aufgaben umfaßt und in aller Regel vom Produzenten selbst bzw. von seinen Angestellten ausgeübt wird. Die laufende Planung, Steuerung und Überwachung des Produktionsprozesses eines Erzeugungsbetriebes ist somit essentieller Teil der gewerbebetrieblichen Tätigkeit und wird auch dann nicht zu einer Tätigkeit, die dem Berufsbild eines Ziviltechnikers entspricht, wenn sie ausnahmsweise im Rahmen eines Werkvertrages (Konsulentenvertrages) ausgeübt wird.

Der Beschwerdeführer war vor Abschluß des Konsulentenvertrages mit der Firma X. bei dieser als Angestellter beschäftigt. Nach Auflösung des Dienstverhältnisses sollte er seinem bisherigen Dienstgeber im Streitjahr mindestens je drei Arbeitstage pro Woche zur Verfügung stehen, um diesem die weitere Nutzung seines Know-hows zu ermöglichen. Aus den vorgelegten Abrechnungen (Oktober, November) ergibt sich, daß dies im Streitjahr an je fünfzehn Arbeitstagen pro Monat tatsächlich der Fall war. Dieser beträchtliche zeitliche Umfang spricht dafür, daß der Beschwerdeführer nach wie vor - wenn auch auf anderer rechtlicher Grundlage - am laufenden Produktionsprozeß mitwirkte.

Obwohl dem Beschwerdeführer bereits in der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes unter Zitierung des oben erwähnten Erkenntnisses vom 14. Oktober 1981 vorgehalten worden war, daß er im unmittelbaren Produktionsprozeß tätig sei, hat er im Verwaltungsverfahren nie im einzelnen dargelegt, daß dies nicht zuträfe. Auch in seiner Beschwerde bestreitet er eine Mitwirkung am laufenden Produktionsprozeß nicht, sondern meint bloß, auf Grund des Konsulentenvertrages hätten darüber hinausgehende Verpflichtungen bestanden, insbesondere zur Übernahme von Beratungsaufträgen für externe Unternehmen. Es komme nicht nur auf die im Streitjahr ausgeführten Aufgabenstellungen an, sondern auch darauf, welche Leistungen von ihm hätten verlangt werden können.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Vertragsinhalt für die Beurteilung des Streitfalles zwar nicht unerheblich ist. Entscheidend ist aber, für welche tatsächlichen Tätigkeiten der Beschwerdeführer Einkünfte erzielt hat. Betrachtet man diese Leistungen, so war es nicht rechtswidrig, (zumindest überwiegend) von einer weiteren laufenden und unmittelbaren Mitwirkung eines ehemaligen Angestellten am Produktions- und Vertriebsprozeß (zu welchem auch die auftragsgemäße Beratung Dritter gehörte) auszugehen und deshalb eine gewerbliche Tätigkeit des nunmehrigen Konsulenten anzunehmen.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich darauf verweist, daß ihm die vereinbarte (beschränkte) Konkurrenzklausel nicht jegliche Aktivitäten für andere Unternehmen verbot, ist zu bemerken, daß allfällige hieraus erzielte Einkünfte nicht streitgegenständlich sind.

Worin ein Verfahrensmangel gelegen sein soll, wird vom Beschwerdeführer nicht dargetan; der Verwaltungsgerichtshof kann keine entsprechende Rechtswidrigkeit erkennen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990140227.X00

Im RIS seit

03.07.1991

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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