TE Vwgh Beschluss 1991/8/14 91/17/0039

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Veröffentlicht am 14.08.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §36 Abs2;

Beachte

Besprechung in:AnwBl 12/1991, S 920, 921;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, in der Beschwerdesache des X in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in G gegen die Steiermärkische Landesregierung, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Kanalanschlußgebühr, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und den ihr angeschlossenen Beilagen, weiters aus dem Schreiben der belangten Behörde vom 14. Mai 1991 und den diesem angeschlossenen Beilagen, aus dem Schreiben des Post- und Telegraphenamtes 8010 Graz vom 3. Juni 1991 sowie aus der telefonischen Auskunft des Vorstandes dieses Postamtes vom 10. Juni 1991 geht folgender Sachverhalt hervor:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vorläufigen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Eppenstein vom 11. Juli 1990 wurde dem Beschwerdeführer eine Kanalanschlußgebühr in Höhe von S 93.373,08 vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 30. Juli 1990 Vorstellung an die Steiermärkische Landesregierung, die dort am 31. Juli 1990 einlangte.

Mit Bescheid vom 6. März 1991 gab die Steiermärkische Landesregierung der Vorstellung Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde Eppenstein. Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 6. März 1991 in der Zeit zwischen 16.15 Uhr und 17.20 Uhr zugestellt.

Am selben Tag zwischen 17.00 und 19.00 Uhr gab letzterer die vorliegende Säumnisbeschwerde wegen Nichterledigung der genannten Vorstellung zur Post, die beim Verwaltungsgerichtshof am 8. März 1991 einlangte.

Diese Feststellungen wurden auf Grund obiger unbedenklicher Beweise getroffen; insoweit die Behauptungen des Beschwerdeführers im Schriftsatz vom 21. Juni 1991 hievon abweichen, konnte ihnen nicht gefolgt werden.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Nun war zwar die Frist des § 27 VwGG im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde bereits abgelaufen. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde, die ja nur Abhilfe gegen die Untätigkeit der Verwaltungsbehörden bietet, ist jedoch, daß die Behörde überhaupt nicht (und nicht nur nicht fristgerecht) entschieden hat. Wird also über einen Parteiantrag vor Erhebung der Säumnisbeschwerde bescheidmäßig abgesprochen, dann ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (vgl. hiezu die hg. Beschlüsse vom 26. September 1968, Zl. 1210/68, vom 3. April 1970, Zl. 843/69, vom 16. Oktober 1975, Zl. 1440/74, vom 21. Mai 1985, Zl. 84/14/0195, und vom 31. Oktober 1985, Zl. 85/06/0034).

Gemäß § 74 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung 1963, LGBl. Nr. 158, werden Erledigungen dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung (§§ 75 bis 85a);

...

Diese Bestimmung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 62 Abs. 1 AVG, wonach ein Bescheid mit der Zustellung bzw. Verkündigung als "erlassen" gilt (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1986, Zl. 86/02/0048, und vom 16. Juni 1987, Zl. 87/07/0038, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall erfolgte diese Zustellung am 6. März in der Zeit zwischen 16.15 und 17.20 Uhr. Im Sinne obiger Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Säumnisbeschwerde noch VOR Zustellung des Bescheides zur Post gegeben wurde.

Entscheidend für die Frage, ob zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde eine Säumnis der belangten Behörde vorlag oder nicht, ist daher, ob unter "Erhebung" der Beschwerde im Sinne des Art. 132 B-VG die Postaufgabe oder das Einlangen derselben beim Verwaltungsgerichtshof zu verstehen ist.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß letzteres zutrifft. Seiner oben wiedergegebenen Rechtsprechung ist zwar diesbezüglich nichts Entscheidendes zu entnehmen; in den Beschlüssen vom 3. April 1970, Zl. 843/69, vom 16. Oktober 1975, Zl. 1440/75, und vom 31. Oktober 1985, Zl. 85/06/0034, ist in neutraler Weise von "Einbringung" die Rede; der Beschluß vom 26. September 1968, Zl. 1210/68, spricht von der "eingelangten" Säumnisbeschwerde, während sich im Beschluß vom 21. Mai 1985, Zl. 84/14/0195, die Wendung "zur Post gegeben" findet. Offenbar war jedoch keiner dieser Fälle so wie der vorliegende gelagert, in welchem die Postaufgabe der Säumnisbeschwerde (möglicherweise) vor, deren Einlangen beim Verwaltungsgerichtshof NACH Zustellung des Bescheides erfolgte. Aus den genannten Formulierungen kann daher in der hier relevanten Richtung nichts abgeleitet werden.

Dasselbe gilt auch für die Rechtsprechung zur Frage einer verfrüht eingebrachten Säumnisbeschwerde (Beschluß vom 17. Oktober 1973, Zl. 1002/73) bzw. eines ebensolchen Devolutionsantrages (Erkenntnis vom 27. Jänner 1987, Zl. 85/04/0165). In diesen Fällen hat der Gerichtshof unter Anwendung des § 33 Abs. 3 AVG (im erstgenannten Fall in Verbindung mit § 62 VwGG) auf die Postabgabe abgestellt, die in diesen Fällen der Übergabe an die Behörde gleichkomme.

Im Beschwerdefall liegt jedoch keine "Frist" im Sinne des § 33 Abs. 3 AVG vor, die bei Einbringung der Säumnisbeschwerde gewahrt werden müßte. Es verhält sich vielmehr so, daß das mit Eintritt der Säumnis durch Verletzung der Entscheidungspflicht entstandene Recht der Partei auf Erhebung der Säumnisbeschwerde mit (wenngleich auch verspäteter) Erlassung des Bescheides wiederum erlischt. Die SONDERBESTIMMUNG des § 33 Abs. 3 AVG - wonach die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden - in Verbindung mit § 62 VwGG ist daher in diesem Fall unanwendbar; vielmehr kann es nur auf das EINLANGEN der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ankommen, so wie dies etwa auch für den Devolutionsantrag nach § 73 AVG gilt. Auch dort ist nämlich als maßgebender Zeitpunkt für den Übergang der Zuständigkeit an die Oberbehörde das EINLANGEN des Antrages bei der Oberbehörde anzusehen (vgl. Mannlicher-Quell,

Das Verwaltungsverfahren I8, Seite 418; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4,

Seite 231 Rz 644 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung; Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, Seite 771, Anmerkung 11 zu § 73 sowie E 57., 59. und 60. hiezu auf Seite 782 f).

Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Schlagworte

Binnen 6 MonatenVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungVerletzung der Entscheidungspflicht durch Gemeindebehörden und Vorstellungsbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991170039.X00

Im RIS seit

14.08.1991

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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