TE Vwgh Beschluss 1991/8/30 91/09/0112

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Veröffentlicht am 30.08.1991
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Index

L22001 Landesbedienstete Burgenland;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art133 Z4;
B-VG Art20 Abs1;
LBG Bgld 1985 §2 Abs2 Z13 idF 1990/054;
LBG Bgld 1985 §2 Abs2 Z5 lita idF 1988/053;
LBG Bgld 1985 §3 Z2;
LBG Bgld 1985 §4 Abs5 idF 1987/002;
LBG Bgld 1985 §4 Abs5;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, in der Beschwerdesache des Josef Z in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen die Leistungsfeststellungskommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit Leistungsfeststellung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer macht in seiner auf Art. 132 B-VG gestützten Säumnisbeschwerde die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Leistungsfeststellungskommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung (belangte Behörde) geltend.

Er bringt vor, mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juli 1988 sei im Instanzenzug festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer im Kalenderjahr 1986 den von ihm zu erwartenden Arbeitserfolg erbracht habe. Diesen Bescheid habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. September 1990, Zl. 88/09/0130, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die Zustellung dieses Erkenntnisses an die belangte Behörde sei spätestens am 26. September 1990 erfolgt. Seither seien mehr als sechs Monate vergangen, ohne daß bisher die belangte Behörde über die bei ihr anhängige Berufung eine Entscheidung getroffen habe. Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde und seiner Berufung feststellen, daß er im Kalenderjahr 1986 den von ihm zu erwartenden Arbeitserfolg durch besondere Leistungen erheblich überschritten habe.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

In Angelegenheiten der Leistungsfeststellung ist - grundsätzlich - das DVG und damit nach dessen § 1 Abs. 1 auch das AVG (mit hier nicht interessierenden Abweichungen) anzuwenden.

§ 73 Abs. 2 AVG bestimmt, daß auf schriftlichen Antrag der Partei, der innerhalb der sechsmonatigen Frist des Abs. 1 der Bescheid nicht zugestellt wurde, die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergeht.

Eine Säumnisbeschwerde kann daher im Anwendungsbereich des DVG (in Verbindung mit dem AVG) zulässig erst dann erhoben werden, wenn auch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, an die im Wege der Devolution die Zuständigkeit zur Entscheidung übergeht, ihre Entscheidungspflicht verletzt hat.

Die Lösung der Frage, ob die belangte Behörde oder die Landesregierung sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist, setzt die Klärung voraus, welche Rechtslage im Beschwerdefall anzuwenden ist, schließt doch die zuletzt durch die 4. Novelle zum Landesbeamtengesetz 1985 (LBG) herbeigeführte Änderung eine Anrufung einer anderen Behörde im Devolutionsweg aus (vgl. dazu näher unten).

Das LBG 1985, LGBl. Nr. 48 in der Fassung der 3. NOVELLE ZUM LBG, LBGl. Nr. 53/1988, ordnet in seinem Punkt 1 unter anderem an, daß dem § 2 Abs. 2 - diese Bestimmung enthält eine abschließende Aufzählung jener bundesrechtlicher Bestimmungen, die auf Landesbeamte sinngemäß anzuwenden sind - folgende Z. 5 anzufügen ist:

"5) Das Bundesgesetz vom 26. Juni 1986, BGBl. Nr. 389, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG-Novelle 1986) und das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz geändert werden; dieses Gesetz ist nach Maßgabe folgender Bestimmungen anzuwenden:

a) Art. IV hat zu lauten:

Art. IV

Ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 1988 in einem anhängigen Leistungsfeststellungsverfahren noch kein Leistungsfeststellungsbescheid erlassen worden, so ist das Verfahren nach den Bestimmungen dieses Gesetzes fortzuführen. Wurde jedoch bereits ein Leistungsfeststellungsbescheid erlassen, so ist nach den bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Bestimmungen vorzugehen.

b) Art. I Z. 3, 4 und 7 und Art. IV treten mit 1. Jänner 1989 in Kraft ....."

Die 4. NOVELLE ZUM LBG, LGBl. Nr. 54/1990 (die gemäß Art. 35 Abs. 2 des Burgenländischen L-VG in der Fassung LGBl. Nr. 36/1990 am 17. August 1990 in Kraft getreten ist - fügte unter anderem dem § 2 Abs. 2 (ohne Übergangsbestimmung) folgende Z. 13 an:

"13) Das Bundesgesetz vom 28. Juni 1989, BGBl. Nr. 346, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 geändert wird (BDG-Novelle 1989)."

Die damit als Landesrecht rezipierte BDG-Novelle 1989 fügte unter anderem dem § 87 Abs. 5 BDG 1979 (in der Fassung der BDG-Novelle 1986) folgenden Satz an:

"Im Falle der Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Leistungsfeststellungskommission ist § 73 Abs. 2 und Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 nicht anzuwenden."

Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund folgender Überlegungen davon aus, daß im Beschwerdefall auf Grund des § 2 Abs. 2 Z. 5 lit. a LBG (in der Fassung der 3. Novelle) nach wie vor das BDG 1979 in seiner vor Inkrafttreten der 3. Novelle zum LBG im Land Burgenland geltenden Fassung anzuwenden ist:

Im Hinblick auf die "ex tunc" Wirkung des im Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juli 1988 aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1990, Zl. 88/09/0130 (§ 42 Abs. 3 VwGG) ist der Rechtszustand zwischen Erlassung dieses Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im nachhinein so zu betrachten, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. dazu OBERNDORFER, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Seite 185). Dies bedeutet, daß (mit diesem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid (Bescheid des Amtes der Landesregierung vom 13. Mai 1987) wieder anhängig geworden ist. Damit sind aber die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 5 Z. 5 lit. a LBG in der Fassung der 3. Novelle gegeben. Dies führt dazu, daß das BDG 1979 (dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 LBG - Stammfassung) in der Fassung der BDG-Novelle 1985 (vgl. § 2 Abs. 2 Z. 3 LBG in der Fassung der 1. Novelle zum LBG, LGBl. Nr. 2/1987) sowie § 3 LBG (Stammfassung), der Bestimmungen über die Leistungsfeststellungsbehörden enthält, im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden sind.

Die durch die 4. Novelle zum LBG herbeigeführte oben dargestellte weitere Änderung im Bereich der Leistungsfeststellung bleibt im Beschwerdefall außer Betracht; die BDG-Novelle 1989 bezieht sich nämlich (im hier interessierenden Bereich) auf die durch die BDG-Novelle 1986 im Bereich der Leistungsfeststellung geschaffene Rechtslage und ändert diese neuerlich ab. Hingegen sind die vom § 2 Abs. 2 Z. 5 lit. a LBG erfaßten Fälle, für die die Altrechtslage zu gelten hat, wie sich aus Wortlaut und Inhalt eindeutig ergibt, von dieser Änderung durch die 4. Novelle zum LBG nicht betroffen.

Nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmung des § 3 Z. 2 LBG (Stammfassung) steht gegen die Entscheidungen der Leistungsfeststellungskommission kein ordentliches Rechtsmittel zu.

    Eine Beschränkung des Instanzenzuges hindert indes nicht

den Übergang zu Zuständigkeit im Devolutionsweg gemäß § 73 AVG

(vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom

2. Mai 1988, Zl. 88/09/0041 und die dort zitierte

Vorjudikatur). Nach der ständigen Judikatur des

Verwaltungsgerichtshofes ist sachlich in Betracht kommende

Oberbehörde in jedem Fall die Berufungsbehörde, darüber hinaus

auch jede sonstige Behörde, die - bei Ausschluß eines

ordentlichen Rechtsmittels (dies trifft im Beschwerdefall zu)

durch Ausübung des Weisungs- oder auch Aufsichtsrechts (Dienst-

und/oder Fachaufsicht) den Inhalt der (unterbliebenen)

Entscheidung hätte bestimmen können. Kommt ein Weisungsrecht

gegenüber der säumigen Behörde nicht in Frage, so genügt die

Ausübung der Fach- oder Dienstaufsicht gegenüber der säumigen

Behörde (vgl. dazu insbesondere den Beschluß des

Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1982, Zlen. 82/09/0029,

0043 = Slg. N.F. Nr. 10.742/A sowie den Beschluß eines

verstärkten Senates vom 24. April 1986, Zl. 85/02/0281 = Slg.

N.F. Nr. 12.123/A sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1990, Zl. 88/09/0053 und die jeweils zitierte Vorjudikatur), um der hiezu berufenen Behörde die Stellung einer Oberbehörde im genannten Sinn zu verleihen.

Nach dem als Verfassungsbestimmung gekennzeichneten § 4 Abs. 5 LBG (eingefügt durch die 1. Novelle zum LBG, LGBl. Nr. 2/1987) sind die Mitglieder der Leistungsfeststellungskommission bei ihren Entscheidungen weisungsungebunden.

Gemäß Art. 101 Abs. 1 B-VG übt die Vollziehung jedes Landes eine vom Landtag zu wählende Landesregierung aus.

In Verbindung mit Art. 19 und 20 Abs. 1 B-VG kommt der Landesregierung als oberstem Organ der Vollziehung die in Art. 20 Abs. 1 B-VG vorgesehene Leitungskompetenz gegenüber nachgeordneten Organen zu. Das in Art. 20 Abs. 1 zweiter Satz B-VG vorgesehene Weisungsrecht ist nur ein Mittel der im Satz 1 dieser Bestimmung verankerten (umfassenden) Leitungskompetenz, die mit einer (grundsätzlich alle denkbaren Möglichkeiten umfassenden, der einschränkenden Regelung durch den einfachen Gesetzgeber zugänglichen) Aufsichtsbefugnis notwendig verbunden ist (vgl. dazu z.B. VfSlg. Nr. 4117/1961 und Nr. 5850/1968). Daraus folgt, daß durch die bloße Weisungsfreistellung eines Verwaltungsorganes diesem noch nicht die Stellung eines obersten Organes verschafft wird, weil es ressortmäßig dem Aufsichtsrecht des kompetenten obersten Organes zugeordnet ist (bleibt) (so WALTER-MAYER, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 6. Auflage, Rz 697 auf Seite 237 sowie KOJA, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer,

2. Auflage, Seite 271).

Der Verfassungsbestimmung des § 4 Abs. 5 LBG läßt sich - in Ausnehmung von Art. 20 Abs. 1 B-VG - die Weisungsfreistellung der dort genannten Organwalter in Ausübung ihrer Funktion als Mitglieder der Leistungsfeststellungskommission entnehmen. Aus der besonderen verfassungsrechtlich abgesicherten Stellung der Mitglieder der Leistungsfeststellungskommission nach § 4 Abs. 5 LBG ergibt sich aber keinesfalls, daß die Bescheide dieser Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen. Dies zeigt schon ein Vergleich mit Art. 133 Z. 4 B-VG, der bei den dort geregelten Kollegialorganen mit richterlichem Einschlag neben der Weisungsfreistellung die Ausnehmung von deren Bescheiden von aufsichtsbehördlichen Befugnissen einer Verwaltungsbehörde (Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg) als weiteres Erfordernis für die Ausnehmung von der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit vorsieht. Daraus geht aber auch eindeutig hervor, daß mit der Weisungsfreistellung einer Behörde allein nicht notwendig die Ausnehmung ihrer Bescheide von aufsichtsbehördlichen Befugnissen anderer Behörden verbunden sein muß (vgl dazu die für den Bereich des LDG 1984 in Verbindung mit dem Steiermärkischen LDHG 1966 bzw. dem Salzburger LDHG 1987 ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1990, Zl. 89/09/0044 sowie vom 4. September 1990, Zl. 88/09/0053). Eine derartige Ausnehmung aufsichtsbehördlicher Befugnisse der Landesregierung läßt sich auch der im Beschwerdefall anzuwendenden (einfachgesetzlichen)Rechtslage nicht entnehmen.

Daraus folgt, daß im Beschwerdefall die Landesregierung gegenüber der Leistungsfeststellungskommission (belangte Behörde) die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG ist.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich aber auch, daß die gegen die Leistungsfeststellungskommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung gerichtete Säumnisbeschwerde mangels vorheriger Anrufung der Landesregierung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen ist.

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Bescheide von Kollegialbehörden iSd B-VG Art133 Z4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991090112.X00

Im RIS seit

30.08.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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