TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/10 89/04/0146

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Veröffentlicht am 10.09.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art132;
GewO 1973 §71a idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §79 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §79 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der Dipl. Ing. C-Garage und Reparaturwerk OHG in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. Dezember 1988, Zl. 307.864/2-III-3/87, betreffend Vorschreibung von Auflagen nach § 79 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 20. Juli 1982 wurden der Beschwerdeführerin für die gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage in Wien (Groß-Garage und Reparaturwerk für die Ausübung des Kraftfahrzeugmechanikergewerbes, der gewerbsmäßigen Übernahme von Automobilien zur Garagierung und des Verkaufes von Betriebsstoffen an Kraftfahrer im Betrieb einer Tankstelle) gemäß § 79 GewO 1973 und § 27 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz 1972 u.a. folgende Auflagen vorgeschrieben:

"1) Die elektrische Anlage der Betriebsanlage ist 1982 und dann mindestens alle 2 Jahre durch einen befugten Fachmann gemäß § 12 ÖVE - E 5 überprüfen zu lassen. Über diese Überprüfungen sind Befunde auf verrechenbarer Drucksorte VD 390 oder in inhaltlich gleichwertiger Form abzuverlangen und in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch die Organe der Behörden bereitzuhalten.

....

9) In der Betriebsanlage ist binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides eine Trockensteigleitung (gemäß TR-BV 128) einzubauen, die vom Geschoß I bis in das Geschoß V zu reichen hat.

...."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1982 Berufung, die sich gegen die Auflagen 1., 2., 8., 9., 10. und 11. dieses Bescheides richtet.

Über diese Berufung erkannte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 16. März 1984 wie folgt:

"Auf Grund der von der Betriebsinhabung gegen die Vorschreibungen in den Punkten 1, 2 und 8 bis 11 eingebrachten Berufung werden die Maßnahmen in den Punkten 1, 8 und 9 gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1950, BGBl. Nr. 172) durch folgende Vorschreibungen ersetzt:

1) Die elektrische Anlage ist mindestens alle zwei Jahre durch einen befugten Fachmann gemäß § 12 ÖVE-E 5 überprüfen zu lassen. Über das Ergebnis dieser Prüfungen sind Befunde auf verrechenbarer Drucksorte VD 390 oder in inhaltlich gleichwertiger Form ausstellen zu lassen, die in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch behördliche Organe stets bereitzuhalten sind.

8) In der Garage sind an deutlich sichtbaren und leicht erreichbaren Stellen Handfeuerlöscher der Type B 12 gemäß ÖNORM F 1050 anzubringen und einsatzbereit zu halten. Für 20 Stellplätze müssen zwei solcher Handfeuerlöscher, für je weitere 20 Stellplätze je einer vorhanden sein. Diesem Auftrag ist innerhalb von sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides zu entsprechen.

9) Die bestehende Hydrantensteigleitung ist gemäß TR-VB 128 entweder als Naßsteigleitung (insbesondere durch Einbau einer Drucksteigerungsanlage, die eine Leistung von mindestens 200 l/min bei 4 bar Ausgangsdruck im obersten Geschoß garantiert) oder als Trockensteigleitung (diese hat vom Geschoß I bis in das Geschoß V zu reichen) zu adaptieren. Nach Durchführung der Adaptierungsarbeiten ist die Steigleitung durch einen hiezu befähigten und ermächtigten Sachverständigen (z.B. Referat D 4 der Magistratsabteilung 68) auf ihre Übereinstimmung mit der TR-VB 128 (entweder als Hydrantensteigleitung oder Trockensteigleitung) überprüfen zu lassen. Der auszustellende Abnahmebefund ist in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch behördliche Organe stets bereitzuhalten. Diesem Auftrag ist innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides zu entsprechen.

Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid im Umfang seiner Anfechtung bestätigt."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. April 1984 Berufung.

Über diese Berufung erkannte der Bundesminister für

wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 16. Dezember 1988 wie folgt:

"Über die Berufung der OHG Dipl. Ing. C, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16.3.1984, MA 63-K 641/82, erläßt der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 den nachstehenden Bescheid:

SPRUCH:

Punkt 1) der Auflagen des angefochtenen Bescheides erhält

nachstehenden Wortlaut:

'Die elektrische Anlage ist mindestens alle zwei Jahre durch einen befugten Fachmann gemäß § 12 ÖVE-ÖN 2 überprüfen zu lassen.'"

Zur Begründung wurde, nach Darstellung des Verfahrensganges, im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Anläßlich der am 21. Oktober 1987 stattgefundenen Augenscheinsverhandlung habe der Sachverständige der Magistratsabteilung 68 (Feuerwehr und Katastrophenschutz) zu Punkt 9) der Auflagen folgendes Gutachten abgegeben:

"Bei einem Brand in einer Garage ist es aufgrund der besonderen Umstände (ausfließende brennbare Flüssigkeiten mit damit verbundener Gefahr einer raschen Brandausbreitung) unbedingt erforderlich, den ersten Löschangriff möglichst rasch vortragen zu können. Da hiezu in der Regel auch das Anlegen von Atemschutz erforderlich ist, stehen dem ersten Löschfahrzeug nicht mehr genügend Kräfte für das Vorbringen einer Löschleitung über mehrere Geschosse zur Verfügung, weshalb das Vorhandensein einer entsprechenden stationären Löschleitung gemäß Punkt 9) des Bescheides erforderlich ist."

Zu Punkt 1) der Auflagen habe der Vertreter des Zentralarbeitsinspektorates folgende Stellungnahme abgegeben, der sich auch der gewerbetechnische Amtssachverständige angeschlossen habe:

"Da in der gegenständlichen Betriebsanlage durch das Vorhandensein größerer Mengen von brennbaren Flüssigkeiten der Gefahrenklasse 1 (Benzin-KFZ) sowie durch das gleichzeitige Vorhandensein einer Tankstelle ein erhöhtes Risiko durch Entzündung von explosionsfähigen Luft-Bezingemischen besteht, wurde in früheren Bescheiden eine Reihe von Schutzmaßnahmen bezüglich der Beleuchtung vorgeschrieben, wie Feuchtraumausführung in den Garagen oder Verwendung von "Panzerkabeln". Eine zusätzliche Gefahr besteht überdies durch die Möglichkeit von mechanischen Beschädigungen freiliegender Leitungen, Schaltern oder ähnlichem durch anfahrende KFZ. Eine Vermeidung oder Verkleinerung von Gefahrensituationen, die aus der Beschädigung oder Fehlfunktion der elektrischen Einrichtungen herrühren, kann am wirksamsten durch eine periodische Überprüfung der elektrischen Anlage durch einen befugten Fachkundigen begegnet werden. Als angemessener Zeitabstand dieser periodischen Überprüfungen wird ein Prüfintervall von maximal 2 Jahren angesehen, da ansonsten eine Vernachlässigung der elektrischen Anlage eintreten könnte und dies eine erhöhte Gefährdung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer darstellen würde."

Hiezu habe der Vertreter der Beschwerdeführerin wie folgt Stellung genommen:

"Zu Punkt 9) des Berufungsbescheides wird vorgebracht, daß weder die Behörde 1. Instanz noch die Berufungsbehörde die bestehende Naßsteigleitung auf ihre Funktionsfähigkeit oder ihre Leistungsfähigkeit für Brandschutz im Sinne der TRVB 128 überprüft hat. Der Berufungsbescheid versucht in seiner Begründung die Beweislast der Betriebsinhabung zuzuschieben. Eine Auflage, eine Änderung der Betriebsanlage herbeizuführen, ist erst dann zulässig, wenn erkannt wird, daß die bestehende Anlage auch wünschenswerten neueren Anschauungen nicht entspricht. Es wurde daher beantragt, den Zeugen Werner R zu vernehmen bzw. ein Gutachten oder Stellungnahme der Wasserwerke einzuholen, zum Beweis dafür, daß die bestehende Betriebsanlage ausreichend ist und keine Auflage, in welcher Hinsicht auch immer, erteilt hätte werden dürfen. Die Beweisanträge werden aufrecht erhalten, es sei denn, die Behörde schließt sich der Ansicht der Betriebsinhabung an, daß die Auflage ersatzlos zu streichen ist.

Was den Punkt 1) betrifft, weist die Betriebsinhabung darauf hin, daß die Vorschriften ÖVE-E 5/1964 keine verbindliche Norm ist und nach üblichem Sprachgebrauch Starkstromanlagen eine Spannung von über 220 Volt haben."

Hierauf habe der Vertreter des Zentralarbeitsinspektorates seine Stellungnahme wie folgt ergänzt:

"Als gesetzliche Grundlage für die Vorschreibung, elektrische Betriebsmittel, insbesondere Leitungen und Leuchten, in angemessenen Zeitabständen auf äußerlich erkennbare Mängel zu prüfen, dient unter anderem die auf Grund der Verordnung, BGBl. Nr. 343/85, für verbindlich erklärte ÖVE-EN 2/87 (§ 28 ff - Zusatzbestimmungen für geschlossene Großgaragen). Die im Berufungsbescheid zitierte Norm ÖVE-E 5/64 wäre daher nicht anzuführen, es wäre stattdessen die ÖVE-EN 2/81 anzuführen."

Gestützt auf dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß der Schutz der im § 74 GewO 1973 normierten Interessen nur bei Einhaltung bzw. Erfüllung der angefochtenen Auflagen ausreichend gewährleistet sei. Hiebei sei die Auflage unter Punkt 1) des angefochtenen Bescheides unter Berücksichtigung der zutreffenden Stellungnahme des Vertreters des Zentralarbeitsinspektorates spruchgemäß zu berichtigen gewesen. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Vorbringen jedenfalls das schlüssige Gutachten des Sachverständigen der Magistratsabteilung 68 ebensowenig wie die Stellungnahme des Zentralarbeitsinspektorates, der sich auch der gewerbetechnische Amtssachverständige als Gutachter angeschlossen habe, nicht widerlegen können. Insbesondere habe sie mit ihren Ausführungen nicht dartun können, daß die vorgeschriebenen Auflagen sachlich nicht gerechtfertigt wären. Auch in ihrer Stellungnahme anläßlich der Augenscheinsverhandlung vom 21. Oktober 1987 bringe die Beschwerdeführerin, wie bereits in ihren Berufungen selbst, lediglich allgemeine Behauptungen vor, ohne konkret den Begründungen der Sachverständigen in ihren Gutachten entgegenzutreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 12. Juni 1989, Zl. B 448/89-3, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin "in unseren Rechten gemäß §§ 37, 39, 40, 45, 59 und 73 AVG, sowie § 27 Abs. 1 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung i.V.m. § 12 Anh. a zur

2. Durchführungsverordnung zum Elektrotechnikgesetz (ÖVE-E 5/1964) sowie § 28 ff ÖVE-EN 2/87 i.V.m. BGBl. Nr. 343/85" verletzt; weiters in dem Recht, "daß eine kostspielige Überprüfung der elektrischen Anlage nur in 'angemessenen Zeitabständen' zu erfolgen hat".

Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, in der Stellungnahme des Vertreters des Zentralarbeitsinspektorates habe sie betreffend Punkt 9) der Auflagen die Einvernahme des Zeugen Werner R und die Einholung eines Gutachtens der Wasserwerke zum Beweis dafür, daß die bestehende Betriebsanlage ausreichend sei und diesbezüglich keine Auflage hätte erteilt werden dürfen, beantragt (siehe angefochtener Bescheid Seite 5, erster Absatz). Ohne auf ihre Beweisanträge weiter einzugehen, seien diese von der belangten Behörde nicht beachtet worden. Die Einvernahme des Zeugen Werner R und das Gutachten der Wasserwerke hätten jedoch ergeben, daß die bestehende Betriebsanlage ausreichend und keine Auflage erforderlich sei. Auch bezüglich ihres Vorbringens, daß sich am Dach des Hauses ein aktivierbares Wasserreservoir befinde, habe die belangte Behörde keine weiteren Beweise aufgenommen. Die belangte Behörde hätte sonst festgestellt, daß jedenfalls das Wasserreservoir zusammen mit der vorhandenen Steigleitung Punkt 9) der Auflagen unzulässig mache. Auch die in Verhandlung stehende Angelegenheit sei nicht zur Gänze erledigt worden. Der Spruch des angefochtenen Bescheides nehme nicht Bezug auf ihre Anträge gemäß Punkt 9) der Auflagen. Diesbezüglich habe der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheiten nicht erledigt. Ihres Erachtens sei der bekämpfte Bescheid überhaupt mit absoluter Nichtigkeit behaftet, da er nur die Berichtigung der durch den Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. März 1984, MA 63 K-641/82, im Punkt 1) neu gefaßten Auflagen enthalte, jedoch aus dem Spruch kein normatives Wollen der bescheiderlassenden Behörde abgeleitet werden könne. Auch zu Punkt 10) und 11) der Auflage, welche sie neuerlich habe bekämpfen müssen, da schon im oben angeführten Berufungsbescheid des Landeshauptmannes hiezu nicht Stellung genommen worden sei, sei die in Verhandlung stehende Angelegenheit nicht erledigt worden. Durch den Spruch des angefochtenen Bescheides selbst, soweit der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht sei, daß dieser überhaupt ein normatives Wollen zum Ausdruck bringe, sei sie in ihrem Recht verletzt, daß eine kostspielige Überprüfung der elektrischen Anlage nur in "angemessenen Zeitabständen" zu erfolgen habe. Bei der Auslegung dieses Begriffes habe die Behörde nicht von ihrem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, sondern habe außerhalb ihres Ermessensbereiches entschieden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes solle eine solche Überprüfung in "angemessenen Abständen" erfolgen. Jede Überprüfung stelle eine beträchtliche finanzielle Belastung des Gewerbeinhabers dar. Eine Überprüfung in angemessenen Zeitabständen sei jedoch durch das Erfordernis der Sicherheit der elektrischen Anlagen geboten. Bei der Interessenabwägung zwischen dem Gebot der Sicherheit und der finanziellen Belastung des Gewerbeinhabers habe das Gebot der Sicherheit absoluten Vorrang. Überprüfungen der elektrischen Anlagen im Dienst der Sicherheit dürften jedoch wegen der damit verbundenen finanziellen Belastung des Gewerbeinhabers nur so häufig aufgetragen werden, als dies die Sicherheit der elektrischen Anlage tatsächlich erfordere. Moderne elektrische Anlagen seien gegen chemische und physikalische Einflüsse so widerstandsfähig und gesichert, daß durch solche Einflüsse Schäden in Zeiträumen von 2 Jahren, richtig nicht einmal in Zeiträumen von 10 Jahren, verursacht würden, es sei denn, die chemischen Einflüsse wären solche bestimmter konzentrierter Säuren etwa. Derartige Einflüsse seien jedoch in ihrer Betriebsanlage nicht möglich. Nur mechanische Einflüsse könnten grundsätzlich elektrische Anlagen innerhalb kurzer Zeit beschädigen. Da sich ihre elektrischen Anlagen jedoch nicht an so exponierten Stellen befänden, daß sie durch mechanische Einflüsse beschädigt werden könnten, seien auch solche auszuschließen. Das Erfordernis der Sicherheit gebiete daher höchstens eine Überprüfung der elektrischen Anlage alle 10 Jahre. Die Behörde habe daher nicht im Rahmen ihres Ermessens entschieden.

Vorweg ist auf den Beschwerdeeinwand einzugehen, aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides könne kein normatives Wollen der bescheiderlassenden Behörde abgeleitet werden, weshalb der angefochtene Bescheid mit absoluter Nichtigkeit behaftet sei:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate behauptet wird. Nach Art. 131 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof sind daher das Vorhandensein eines letztinstanzlichen Bescheides einer Verwaltungsbehörde und die Behauptung des Beschwerdeführers, durch diesen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein (vgl. den hg. Beschluß vom 9. Mai 1949, Slg. N.F. Nr. 808/A).

Unter einem Bescheid versteht die Verwaltungsrechtslehre hoheitsrechtliche Willensäußerungen eines Verwaltungsträgers (Verwaltungsakt) ganz bestimmter Art, nämlich solche, die entweder den Bestand oder Nichtbestand eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses feststellen - Entscheidungen - oder ein Recht bzw. ein Rechtsverhältnis begründen, ändern oder aufheben - Verfügungen (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. N.F. Nr. 9458/A).

Die Bestimmungen des AVG 1950 über Inhalt und Form des Bescheides sind, was die für den Bescheid aufgestellten Merkmale anlangt, nicht für sich allein, sondern in ihrem Zusammenhang, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz innerhalb der Verwaltung und dem Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit auszulegen; sie sind also nicht isoliert so zu verstehen, daß behördliche Erledigungen nur dann als Bescheide zu werten sind, wenn alle gesetzlichen Vorschriften über Inhalt und Form der Bescheide und über die Bescheiderlassung (sowie auch über das Zustandekommen von Bescheiden) erfüllt sind (vgl. nochmals den vorzitierten hg. Beschluß vom 15. Dezember 1977).

Ausgehend von dieser Rechtslage hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken, die in Frage stehende Erledigung vom 16. Dezember 1988 als Bescheid zu werten. Aus der - im übrigen auch ausdrücklich als Bescheid bezeichneten - Erledigung kommt zweifelsfrei zum Ausdruck, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung setzte, sondern auch, daß sie normativ eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschied. Ergibt sich doch aus dem Spruch eindeutig, wie die Auflage 1) nach dem Willen der belangten Behörde nunmehr endgültig zu lauten hat.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt der angefochtenen Erledigung daher Bescheidcharakter zu. Die Beschwerde war daher auch nicht gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht aber weiters davon aus, daß für die Auslegung des Spruches eines Bescheides auch dessen Begründung heranzuziehen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 89/03/0128 bis 0139). Im vorliegenden Fall bezieht sich der Spruch des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde auf eine Auflage (Auflage 1), indem bestimmt wird, wie diese Auflage nach dem Willen der belangten Behörde nunmehr entgültig zu lauten hat.

Dafür, daß durch den angefochtenen Bescheid lediglich ein Teilabspruch (hinsichtlich der Auflage 1) getroffen worden wäre, fehlt - abgesehen von der Frage der Zulässigkeit eines solchen - ein Anhaltspunkt. So bezieht sich die Begründung des angefochtenen Bescheides, nicht nur auf die Auflage 1) sondern auch auf die Auflage 9).

Daraus folgert der Gerichtshof aber weiters, daß der Abspruch des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf § 66 Abs. 4 AVG 1950 inhaltlich so zu werten ist, daß die belangte (Berufungs-)Behörde einen mit dem Bescheid der unterinstanzlichen Behörde (Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. März 1984) - mit Ausnahme der Auflage 1) - übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hat. Hat doch ein im Verwaltungsverfahren ergangener Berufungsbescheid die aus § 66 Abs. 4 AVG 1950 resultierende Wirkung, daß der unterinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und diese Berufungsentscheidung, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 8. September 1977, Slg. N.F. Nr. 9379/A).

Was die materielle Rechtslage betrifft, sind die in der Folge angeführten Bestimmungen unter Bedachtnahme auf Art. VI Abs. 1 Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, in ihrer im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung erfolgten Fassung durch die Gewerberechtsnovelle 1988, anzuwenden:

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1973 hat die Behörde (§§ 333, 334, 335), wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid und im Betriebsbewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

Nach § 71 a leg. cit. ist der Stand der Technik im Sinne dieses Bundesgesetzes der auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher technologischer Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/04/0140, zu der hier zur Anwendung kommenden Fassung des § 89 Abs. 1 GewO 1973 dargetan hat, wenn das Ziel einer Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient, der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen kann.

Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfungsaufgabe, die sich darauf zu beschränken hat, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. ob sie unter anderem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, kann es aber nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde nach den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Vertreters des Zentralarbeitsinspektorates davon ausging, daß eine zusätzliche Gefahr durch die Möglichkeit von mechanischen Beschädigungen freiliegender Leitungen, Schaltern oder ähnlichem durch anfahrende Kfz bestehe, und eine Vermeidung oder Verkleinerung von Gefahrensituationen, die aus der Beschädigung oder Fehlfunktion der elektrischen Einrichtungen herrührten, am wirksamsten durch eine periodische Überprüfung der elektrischen Anlage durch einen befugten Fachkundigen begegnet werden könne. Wie es in den diesbezüglichen Begründungsdarlegungen weiters heißt, werde als angemessener Zeitabstand dieser periodischen Überprüfung ein Prüfintervall von maximal 2 Jahren angesehen, weil ansonsten eine Vernachlässigung der elektrischen Anlage eintreten könnte und dies eine erhöhte Gefährdung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer darstellen würde.

Diese Darlegung kann auch im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht als unschlüssig erkannt werden. Wird diesbezüglich in der Beschwerde doch nur in bloß allgemeiner Form vorgebracht, daß sich die elektrischen Anlagen "nicht an so exponierten Stellen" befänden, daß sie durch mechanische Einflüsse beschädigt werden könnten. Wenn aber in der Beschwerde die Widerstandsfähigkeit der elektrischen Anlage gegen nicht mechanische Einflüsse geltend gemacht wird, so verkennt die Beschwerdeführerin, daß es darauf im Beschwerdefall gar nicht ankommt.

Soweit aber die Beschwerdeführerin anspricht, die Behörde habe nicht von ihrem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, so verkennt sie, daß nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die nach § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid oder im Betriebsbewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben HAT. Die maßgebenden Merkmale des § 79 Abs. 1 GewO 1973 legen das Verhalten der Behörde in einer Weise fest, durch die die Annahme eines freien Ermessens im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG ausgeschlossen wird.

Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden nachprüfenden Kontrolle vermag aber auch der bloß allgemeine Hinweis auf das sich am Dach des Hauses befindliche, aktivierbare Wasserreservoir (zusammen mit der vorhandenen Steigleitung) eine Rechtswidrigkeit der in der Beschwerde bekämpften Vorschreibung der Auflage 9) nicht aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang geht nämlich die belangte Behörde in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise - und wird diesbezüglich auch in der Beschwerde nichts vorgebracht - weiters davon aus, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme bei der Augenscheinsverhandlung vom 21. Oktober 1987, wie bereits in ihren Berufungen selbst, lediglich allgemeine Behauptungen vorbringe, ohne konkret den Begründungen der Sachverständigen in ihren Gutachten entgegenzutreten. (Die diesbezüglichen Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin bezogen sich auf "Punkt 9)" des zweitinstanzlichen Bescheides, wonach - auf das Wesentliche zusammengefaßt - bei der vorhandenen Hydrantenleitung nach einem Gutachten der Wasserwerke die geforderte Wasserleitung nicht erbracht werden könne.)

In diesem Sinne vermag auch der Beschwerdeeinwand, Beweisanträge (Einvernahme des Zeugen Werner R und Einholung eines Gutachtens der Wasserwerke) zum Beweis dafür, daß die bestehende Betriebsanlage ausreichend sei, seien nicht beachtet worden, keinen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel darzutun.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Bescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche Erfordernisse Einhaltung der Formvorschriften Ermessen besondere Rechtsgebiete Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung Rechtswidrigkeit von Bescheiden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989040146.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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