TE Vfgh Beschluss 1988/12/6 B1550/88, B1551/88, B1552/88, B1553/88, B1554/88

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Veröffentlicht am 06.12.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
FMG 1949 §1
FMG 1949 §20
FMG 1949 §20 Abs2
VfGG §88

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; schriftliche Ankündigung der Auflassung und faktische Sperre eines BTX-Anschlusses durch die Post- und Telegraphenverwaltung - Maßnahmen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung; Unzulässigkeit der Beschwerde

Spruch

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag, die Beschwerde gem. Art144 Abs3 B-VG in Verbindung mit §87 Abs3 VerfGG 1953 an den VwGH abzutreten, wird abgewiesen.

3. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Dienstanweisung der bel. Beh. vom 6.7.1988 wurde die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland angewiesen, das mit dem Bf. begründete BTX-Teilnehmerverhältnis zu kündigen. Die genannte Post- und Telegraphendirektion richtete daraufhin an den Bf. unter der Z103188-14/88 am 15.7.1988 folgendes Schreiben:

"Gemäß §20 des Fernmeldegesetzes sowie in Anwendung der Punkte 4.2.6. und 2.8.5. der 'Bestimmungen über die Teilnahme am öffentlichen Bildschirmtext der Post' sind wir gezwungen, den BTX-Anschluß 91 22 22 372 wegen Verstoßes gegen die öffentliche Sittlichkeit fristlos aufzulassen."

Die angekündigte Auflassung wurde vom Fernmeldebauamt am 21. Juli 1988 durchgeführt.

2. Aufgrund eines Schreibens des Bf. an die bel. Beh. vom 20.7.1988 wurde die Wiedereinschaltung des BTX-Anschlusses des Bf. am 29.7.1988 veranlaßt und der Bf. von der bel. Beh. mit Schreiben vom 16.8.1988 ersucht, sein "Sex-Eck-Angebot unverzüglich zu löschen und darüber hinaus derartige Angebote weder auf eigenen Seiten noch auf Seiten anderer Anbieter zu publizieren."

Ferner kündigt die Post- und Telegraphendirektion in diesem Schreiben an:

"Sollten Sie diesem Ersuchen nicht entsprechen, wären wir gezwungen, die fristlose Auflassung des mit Ihnen begründeten BTX-Teilnehmerverhältnisses zu verfügen."

3. Am 13.8.1988 wurden die beschwerdegegenständlichen Seiten des BTX-Angebotes des Bf. von der BTX-Zentrale neuerlich gesperrt, laut Behauptung des Bf. in der Folge kurzfristig wieder aufgehoben.

4. Mit Schreiben vom 30.8.1988 teilte der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr dem Bf. mit dem "Ersuchen um Kenntnisnahme" mit:

"Zu Ihrem Schreiben vom 25. August 1988, Zeichen: Ing. Fr/lm, erlauben wir uns mitzuteilen, daß in Angelegenheiten des BTX-Angebotes 'Sex-Eck' in der 'Wiener Bildschirmzeitung' keine Änderung im Standpunkt der Post- und Telegraphenverwaltung, welcher Ihnen mit Schreiben der Post- und Telegraphendirektion Wien vom 16. August 1988, GZ 103188-14/88, bekanntgegeben wurde, eingetreten ist."

5. Laut Behauptung des Bf. wurde die Sperre des von ihm im Rahmen seines BTX-Anschlusses angebotenen "Sex-Ecks" am 2.9.1988 wieder verfügt und seit diesem Zeitpunkt nicht mehr aufgehoben.

6. In seiner Beschwerde gem. Art144 B-VG erachtet sich der Bf. durch die von ihm als Bescheide qualifizierten Schreiben der Post- und Telegraphendirektion vom 15.7.1988 und des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 30.8.1988 sowie durch die von ihm als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt qualifizierte Sperre seines BTX-Anschlusses bzw. von Teilen davon am 22.7.1988, 13.8.1988 und 2.9.1988 in verschiedenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verletzt und begehrt die Aufhebung dieser Verwaltungsakte, soweit ihre Wirkung noch andauert.

7. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, allenfalls jedoch die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Begründend führt die bel. Beh. aus, daß die angefochtenen Schreiben der Post- und Telegraphendirektion vom 15.7.1988 und des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 30.8.1988 keine Bescheide und die angefochtenen Sperren des BTX-Anschlusses des Bf. keine gem. Art144 B-VG anfechtbaren Maßnahmen unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt seien.

Zum BTX-Dienst der Post- und Telegraphenverwaltung führt die bel. Beh. aus, daß es sich um einen "Mehrwertdienst" handle,

"der öffentliche Fernmeldenetze als Trägerdienste benützt und den die Post im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung anbietet. Eine gesetzliche Regelung dieses Mehrwertdienstes ist bisher nicht erfolgt. Das Rechtsverhältnis zwischen der Post und den BTX-Teilnehmern ist daher nach dem Zivilrecht zu beurteilen, wobei die gegenseitigen Pflichten und Rechte in den 'Bestimmungen über die Teilnahme am öffentlichen Bildschirmtext der Post', denen der Rang von allgemeinen Geschäftsbedingungen zukommt, geregelt sind."

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden sowie über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Die Anfechtung von Verwaltungakten vor dem VfGH gem. Art144 Abs1 B-VG setzt daher voraus, daß diese im Rahmen der Hoheitsverwaltung, sohin aufgrund der einem Verwaltungsorgan gesetzlich eingeräumten behördlichen Befehlsund Zwangsgewalt erlassen wurden.

2. Bildschirmtext (BTX) ist gemäß den vom Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung (im Dezember 1987) herausgegebenen "Bestimmungen über die Teilnahme am öffentlichen Bildschirmtext der Post" (kurz: "Bestimmungen")

"ein Informations- und Kommunikationssystem, bei dem die Teilnehmer die elektronische Speicherung von für andere Teilnehmer bestimmten textorientierten Informationen veranlassen oder die Abfrage solcher Informationen veranlassen oder die Abfrage solcher Informationen vornehmen können." (1.1)

Der öffentliche BTX-Dienst wird von der Post- und Telegraphenverwaltung betrieben. Jedermann ist berechtigt, an diesem Dienst, der über öffentliche Fernmeldenetze abgewickelt wird, unter den in den zitierten Bestimmungen festgelegten Bedingungen teilzunehmen. Das BTX-Teilnehmerverhältnis kommt aufgrund einer "Anmeldung" bei der Post durch diese, wenn sie sich mit der Herstellung des BTX-Anschlusses einverstanden erklärt (2.2 der "Bestimmungen"), zustande. Gemäß 2.8 der "Bestimmungen" endet das BTX-Teilnehmerverhältnis durch Kündigung, durch fristlose Auflassung, durch Erlöschen des Fernsprechteilnehmerverhältnisses oder durch den Tod des BTX-Teilnehmers. Während der BTX-Teilnehmer das Teilnehmerverhältnis jederzeit kündigen kann, kann die Post das Teilnehmerverhältnis gemäß 2.8.3 der "Bestimmungen" kündigen, "wenn der Teilnehmer mit der Bezahlung der Entgelte im Rückstand ist oder sonstige aus dem Teilnehmerverhältnis resultierende Pflichten nicht einhält." Die fristlose Auflassung hat gemäß 2.8.5 der "Bestimmungen" durch die Post dann zu erfolgen, "wenn der Teilnehmer gegen die in diesen Bestimmungen festgelegten Pflichten grob oder wiederholt verstößt oder über das Vermögen des Teilnehmers der Konkurs verhängt wird." Gemäß 4.2.6 der "Bestimmungen" sind "die Anbieter verpflichtet, nur solche Texte in die BTX-Zentrale zu speichern, die weder gegen die Gesetze, noch gegen die öffentliche Ordnung oder die Sittlichkeit verstoßen." Gemäß Punkt 5 der "Bestimmungen" sind der Post für die Inanspruchnahme des BTX-Dienstes Entgelte zu entrichten.

Mag auch beim öffentlichen BTX-Dienst der Post eine Benützung von Fernmeldeanlagen, insbesondere des Fernsprechnetzes und dessen Teilnehmereinrichtungen, stattfinden, so kann BTX doch keinesfalls mit dem Betrieb einer Fernmeldeanlage gleichgesetzt werden. Kernelement des BTX bildet vielmehr die Speicherung von Informationen in Datenspeichern, die über die BTX-Zentralen abgerufen werden können (1.2 der "Bestimmungen"). Da der mit Hilfe von Fernmeldeeinrichtungen bewirkten Übertragung von Nachrichten im Sinne des §1 Fernmeldegesetz 1949, BGBl. 170, zuletzt idF BGBl. 477/1974, nur eine Hilfsfunktion im Rahmen des BTX-Betriebes zukommt, ist für die rechtliche Einordnung dieser von der Post erbrachten Leistungen und Dienste darauf abzustellen, auf welche Rechtsgrundlage sie sich bei der elektronischen Speicherung und Abgabe textorientierter Informationen stützen kann.

Mangels besonderer gesetzlicher Grundlagen werden die betreffenden Dienste und Leistungen der Post- und Telegraphenverwaltung im Rahmen des Privatrechts erbracht. Der VfGH ist sohin (mit Duschanek, Rechtliche Grundfragen des Bildschirmtext-Betriebes, ZfV 1987, 276, und Jaburek, Bildschirmtext und Recht, 1984, 26) der Meinung, daß schon mangels einer besonderen Rechtsgrundlage, welche die betreffenden Rechtsbeziehungen ins öffentliche Recht verweisen würde, das Rechtsverhältnis zwischen der Post- und Telegraphenverwaltung einerseits und den BTX-Teilnehmern andererseits ein privatrechtliches ist. Die mehrfach zitierten "Bestimmungen über die Teilnahme am öffentlichen Bildschirmtext der Post" bilden eine "lex contractus", der sich der Anmelder gemäß der entsprechenden Klausel am Anmeldungsformular freiwillig unterwirft. Die "Bestimmungen" sind mithin als "allgemeine Geschäftsbedingungen" eines privatrechtlichen Teilnahmeverhältnisses zu verstehen (Duschanek, a.a.O., 276; Wittmann, Fernmelderechtliche Grundlagen des Bildschirmtext-Dienstes, in: Rechtsprobleme des Bildschirmtextbetriebes in Österreich, 1984, 42, 49).

3. Die vom Bf. in Beschwerde gezogenen Schreiben und faktischen Maßnahmen der Post- und Telegraphenverwaltung wurden sohin im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gesetzt. Das gilt sowohl für die mehrfache faktische Sperre des BTX-Anschlusses des Bf. als auch für die, diese Sperren ankündigenden Schreiben der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland und des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr.

Auch dem Schreiben der Post- und Telegraphendirektion vom 15.7.1988, Z103188-14/88, liegt das privatrechtliche Teilnahmeverhältnis zwischen dem Bf. und der Post- und Telegraphenverwaltung zugrunde, mag sich die Post- und Telegraphendirektion in diesem Schreiben zusätzlich zu den "Bestimmungen" auch - fälschlicherweise - auf §20 des Fernmeldegesetzes berufen. Selbst wenn dieses Schreiben jedoch von seinem Absender in Verkennung der Rechtslage in behördlicher Funktion erlassen worden wäre, bildet es keinen anfechtbaren Verwaltungsakt, weil der nach §20 Fernmeldegesetz zulässige Ausschluß von Nachrichten von der Beförderung und Übermittlung durch die dem öffentlichen Verkehr dienenden Fernmeldeanlagen erst aufgrund eines besonderen Feststellungsverfahrens nach §21 Abs2 Fernmeldegesetz in einen anfechtbaren Bescheid mündet und im übrigen dagegen der Instanzenzug nicht erschöpft wäre.

Die Beschwerde ist sohin, da sie sich gegen Maßnahmen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung richtet, als unzulässig zurückzuweisen.

4. Da die Abtretung der Beschwerde an den VwGH gem. Art144 Abs3 B-VG nur zulässig ist, wenn der VfGH die Behandlung der Beschwerde ablehnt oder die Beschwerde abweist, war der Abtretungsantrag abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Ein Zuspruch von Kostenersatz kam nicht in Betracht, da es nach der Lage des Falles nicht geboten war, im Verfahren vor dem VfGH die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen (vgl. zB VfSlg. 9603/1983, 10338/1985).

6. Die Beschwerde konnte ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung gem. §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 zurückgewiesen werden.

Schlagworte

Hoheitsverwaltung, Post- und Fernmelderecht, Privatwirtschaftsverwaltung, lex contractus, Bescheidbegriff, Privatwirtschaftsakt, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B1550.1988

Dokumentnummer

JFT_10118794_88B01550_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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