TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/18 90/03/0266

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
StVO 1960 §11 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §25;
VStG §29a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Rudolf R in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. September 1990, Zl. 9/01-32.855/8-1990, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. September 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 10. Mai 1988 um 17.40 Uhr auf der

B 156 aus Richtung Salzburg kommend in Richtung Lengfelden, bei der Einmündung der Autobahnabfahrt aus Richtung Wien, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten (deutschen) Pkws mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden dadurch in ursächlichem Zusammenhang gestanden, daß er bei einem Überholmanöver mit der linken Hinterseite des von ihm gelenkten Fahrzeugs die rechte Vorderseite eines bestimmten anderen Pkws streifte, wodurch dieses Fahrzeug beschädigt worden sei, und habe a) nicht sofort am Unfallsort angehalten und b) es unterlassen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Er habe dadurch Übertretungen zu

a) nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO und zu b) nach § 4 Abs. 5 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a bzw. § 99 Abs. 3 lit. b StVO wurden über ihn Geldstrafen von je S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je drei Tage) verhängt. Die Abtretung des auf Grund der Gendarmerieanzeige eingeleiteten Verfahrens gemäß § 29a VStG von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung an die Bundespolizeidirektion Salzburg sei im Hinblick auf den Wohnort des Beschwerdeführers in der Stadt Salzburg erfolgt. Nach den Angaben der geschädigten Unfallsgegnerin Maria B. habe Kolonnenverkehr geherrscht. Sie sei auf dem linken Fahrstreifen mit ca. 70 km/h gefahren und mehrmals vom Beschwerdeführer, der sich mit einem roten BMW hinter ihr befunden hätte, mit der Lichthupe angeblinkt worden. Sie habe aber wegen des Verkehrs nicht schneller fahren können. Plötzlich sei der Beschwerdeführer in eine Lücke zwischen zwei Autos am rechten Fahrstreifen ausgeschert und habe sie rechts überholt. Dann habe er sein Fahrzeug so knapp vor ihr wieder nach links gelenkt, daß er mit seinem linken Heck ihre rechte Fahrzeugvorderseite gestreift und diese beschädigt habe. Sie habe stark abgebremst, der Beschwerdeführer aber seine Fahrt, ohne anzuhalten, fortgesetzt. Beim Zusammenstoß habe es einen heftigen Anprall gegeben, weshalb der Beschwerdeführer den Unfall auf alle Fälle bemerkt habe. Ihre Tochter und ihre Schwester seien Zeugen. Sie habe den Zulassungsbesitzer am nächsten Tag in Deutschland (Schmuckgeschäft in F) aufgesucht. Dort habe sie den Beschwerdeführer gesehen und als Lenker des Fahrzeuges eindeutig wiedererkannt. Es sei der Vater des Zulassungsbesitzers. Er habe bestritten, das Fahrzeug gelenkt zu haben. Es sei ein Vertreter seines Sohnes, dessen Namen er aber nicht kenne, der Lenker gewesen. Allerdings habe er ihr vorher am Telefon mitgeteilt, er wisse nicht, wo sich der Pkw befinde. Der Beschwerdeführer habe ihr aber auf Firmenpapier (datiert mit 11. Mai 1988: im Akt vorhanden) bestätigt, daß sein Sohn als Fahrzeughalter den Schaden der Anzeigerin übernehme, obwohl er das Fahrzeug nicht selbst gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Vernehmung bestritten, das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt zu haben, und angegeben, der Anzeigerin bei ihrem Besuch am 11. Mai 1988 erklärt zu haben, daß der Lenker ein brasilianischer Staatsangehöriger (namens Arnold) gewesen sei, dieser aber schwer zu erreichen sei. Sein Sohn habe das Fahrzeug diesem Arnold geliehen, was ein Geschäftsfreund des Sohnes namens Mo. bestätigen könne. Er (Beschwerdeführer) selbst sei zur Tatzeit mit Scha., einem selbständigen (deutschen) Handelsvertreter unterwegs gewesen. Im übrigen sei der Schaden der Anzeigerin bereits von der Firma seines Sohnes beglichen worden. Die belangte Behörde führte weiters aus, Scha. habe eine Bestätigung (vom 5. September 1988) übermittelt, wonach er sich mit dem Beschwerdeführer am 10. Mai 1988 in München (Bayrischer Hof) von 15.00 Uhr bis 18.30 Uhr zusammengesetzt habe. Mo. habe am 17. März 1989 als Zeuge die Übergabe des Fahrzeuges durch den Sohn des Beschwerdeführers an "Arnold" am 10. Mai 1988 um ca. 17.30 Uhr bestätigt, welchen Angaben sich auch dessen Freundin Irene L. am 27. April 1988 angeschlossen habe. Nach der Wiedergabe der Zeugenaussagen der Anzeigerin und deren Tochter, die im Beschwerdeführer eindeutig den Täter wiedererkannt hatten, und der Schwester der Anzeigerin, die eine auf den Beschwerdeführer einwandfrei zutreffende Personenbeschreibung gab, sowie des Gutachtens des beigezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen, der zum Ergebnis gelangte, daß die Schäden am Fahrzeug der Anzeigerin mit dem gehaupteten Unfallshergang übereinstimmten und durch den BMW verursacht sein können, führte die belangte Behörde aus, es bestehe kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit der Angaben der Anzeigerin, da sie realistisch einen im Straßenverkehr häufig vorkommenden Unfallsvorgang geschildert habe, der auch vom Amtssachverständigen gestützt werde. Auch die Täterschaft des Beschwerdeführers bestehe auf Grund der Angaben der Anzeigerin und ihrer Tochter fest. Es folgen Ausführungen, warum den Entlastungsbeweisen nicht zu folgen sei. Sodann enthält der angefochtene Bescheid ausführliche Darlegungen zur Strafbemessung, wobei auch auf die derzeitige Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers Bedacht genommen wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Meinung des Beschwerdeführers, es hätte das Strafverfahren nicht von der Tatortbehörde an die Behörde seines Wohnsitzes übertragen werden dürfen, da darin keine wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung zu erblicken sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Eine Übertragung des Strafverfahrens wegen einer im Straßenverkehr begangenen Übertretung an die zuständige Wohnsitzbehörde läßt grundsätzlich eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens erwarten. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vorgehens der Behörde (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

4. Auflage, zu § 29a VStG unter E. 8.b. und c. und 11.b.,

S. 859 bzw. 860 wiedergegebene Judikatur). Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behauptete Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ist daher nicht gegeben.

Des weiteren bekämpft der Beschwerdeführer im wesentlichen die Feststellung der belangten Behörde, daß er zur Tatzeit der Lenker des Fahrzeuges gewesen sei, indem er deren Beweiswürdigung rügt und Feststellungsmängel geltend macht.

Unter Bezugnahme auf das gegen die Beweiswürdigung gerichtete Beschwerdevorbringen ist daran zu erinnern, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist; d.h. mit den Denkgesetzen in Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034).

Schon die Erstbehörde, aber ihr folgend auch die belangte Behörde haben die wesentliche Feststellung der Täterschaft des Beschwerdeführers auf die Zeugenaussagen der Anzeigerin und deren Tochter gestützt, die übereinstimmend und überzeugend angegeben haben, daß der Beschwerdeführer der Lenker gewesen sei, wobei auch die von der Schwester der Anzeigerin gegebene Personenbeschreibung zutrifft. Die belangte Behörde hat auch eingehend und schlüssig begründet, warum sie der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers nicht gefolgt und zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Ausführungen der von ihm geführten Entlastungszeugen nicht geeignet sind, die Angaben der Anzeigerin zu erschüttern. Schließlich darf bezüglich des vom Beschwerdeführer genannten Zeugen Mo. nicht übersehen werden, daß er zunächst in einer "eidesstattlichen Erklärung" vom 6. September 1988 bestätigte, daß der BMW am Montag, dem 9. Mai 1988 um ca. 17.30 Uhr vom Vater des Beschwerdeführers an den gewissen "Arnold" übergeben wurde, und erst anläßlich seiner Zeugenaussage vom 17. März 1989 das Datum des Tattages, nämlich den 10. Mai 1988 (dies war ein Dienstag) nannte. Vor allem wurde in keiner Weise die behauptete Existenz des angeblichen Lenkers "Arnold" unter Beweis gestellt. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner Lenkererhebung. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe festgestellt, die Anzeigerin habe noch am Abend nach der Tat, also am 10. Mai 1988, den Beschwerdeführer im Geschäft seines Sohnes in Freilassing aufgesucht, findet in der Aktenlage keine Deckung. Vielmehr war der Zeitpunkt des Besuches eindeutig der 11. Mai 1988 vormittags, sodaß die Behauptung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Sperre des Geschäftes um 18.00 Uhr ins Leere geht. Wenig verständlich ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Anzeigerin hätte ihn als Lenker lediglich im Rückspiegel erblicken können, also nur sehr eingeschränkt. Fuhr doch der Beschwerdeführer nicht nur längere Zeit hinter dem Fahrzeug der Anzeigerin, wobei er ihre Aufmerksamkeit schon deshalb erregte, weil er sie durch Anblinken zu schnellerem Fahren veranlassen wollte, sondern überholte sie rechts und ordnete sich in zu knappen Abstand wieder vor ihr ein. Es bestand daher für die Anzeigerin und ihre Begleiterinnen hinreichend Zeit für eine entsprechende Beobachtung.

Wenn der Beschwerdeführer für sich den Grundsatz "in dubio pro reo" in Anspruch nimmt, ist ihm zu erwidern, daß dieser Grundsatz eine Regel für jene Fälle ist, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung somit Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen (vgl. abermals Hauer-Leukauf, a. a.O., E. 25.b. zu § 25 VStG, S. 850). Solche Zweifel sind aber vorliegend nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß der angefochtene Bescheid mit wesentlichen Feststellungs- oder Begründungsmängeln behaftet ist, die eine Aufhebung nach sich zögen. Dies gilt auch hinsichtlich der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalles. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nie die Behauptung aufgestellt hat, daß die Streifung der Fahrzeuge für den Lenker des überholenden Fahrzeuges nicht wahrnehmbar gewesen sei, sodaß für die Verwaltungsstrafbehörde keine Veranlassung bestand, insofern besondere Feststellungen zu treffen, hat die Anzeigerin von Anfang an auf den heftigen Anprall des Zusammenstoßes und die damit eindeutige Wahrnehmbarkeit für den Beschwerdeführer verwiesen, was auch der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht. Des weiteren stellte das Fahrmanöver des Beschwerdeführers, das zu einer seitlichen Streifung führte, eine kritische (gefährliche) Situation dar (Überholung bei Kolonnenverkehr auf rechter Fahrspur mit zu knapper Wiedereinordnung vor dem überholten Fahrzeug), sodaß der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, beim "Wiedereinreihen" vor das Fahrzeug der Anzeigerin durch einen Blick zurück das Verkehrsgeschehen hinter sich zu beobachten, sodaß er eine Streifung hätte wahrnehmen müssen, wozu noch kommt, daß die Streifung auf der Fahrerseite erfolgte (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1990, Zl. 90/02/0134, und vom 17. April 1991, Zl. 90/02/0209). Am Vorliegen der subjektiven Tatseite bestanden daher niemals Zweifel.

Letztlich vermag auch das gegen die Strafbemessung gerichtete Beschwerdevorbringen nicht durchzuschlagen, zumal in der Beschwerde lediglich allgemeine Wendungen gebraucht und in keiner Weise konkrete Mängel des angefochtenen Bescheides aufgezeigt werden. Im übrigen wurde bei der Strafbemessung die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt. Da der Beschwerdeführer Vorstrafen aufweist, und in Anbetracht dessen, daß die gegen ihn verhängten Strafen im unteren Bereich der gesetzlichen Strafdrohungen liegen, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß der belangten Behörde bei der Strafbemessung eine Rechtswidrigkeit unterlaufen ist.

Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990030266.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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