TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/19 90/06/0115

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.1991
beobachten
merken

Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §46;
AVG §52;
AVG §59 Abs2;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 lita idF 1989/014;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der K-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 21. Juni 1990, Zl. A 17 - K - 4.327/1990 - 7, betreffend Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Februar 1990 erging an die (zunächst unrichtig als "Ke-Gesellschaft m.b.H." bezeichnete) Beschwerdeführerin der Auftrag, einen Stahlcontainer im Ausmaß von ca. 9,0 x 6,0 m auf Streifenfundamenten unmittelbar an der nordseitigen Grundgrenze und ostseitig direkt daran anschließend einen Stahlcontainer im Ausmaß von ca. 5,7 x 3,0 m von der Liegenschaft

Grundstücks - Nr. n1, EZ nn2 KG XY binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die Behörde nach Hinweisen auf die von ihr angewendeten Rechtsvorschriften (u.a.) aus, daß das im Spruch umschriebene Bauwerk aufgrund seiner Konstruktionsmerkmale als Gebäude, weil raumbildend, ausgeführt und mit dem Boden durch die Errichtung der Fundamente in eine feste Verbindung gebracht worden sei. Die beiden Container stellten eine bauliche Einheit dar und dienten als Imbißraum bzw. zur Herstellung und Ausschank von Speisen und Getränken. Bei der im Spruch festgelegten Leistungsfrist sei von der Behörde darauf Bedacht genommen worden, daß im festgesetzten Zeitraum nicht nur die baubehördliche Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen sondern eine Einholung von allfälligen Kostenvoranschlägen und die Vergabe an den "Bestbieter" möglich sei. Der Auftrag zur Beseitigung der vorschriftswidrigen Bauten sei im konkreten Fall nicht an den Eigentümer der Liegenschaft, sondern an den Eigentümer der betreffenden Bauten bzw. Bauteile zu erlassen, als welche die Beschwerdeführerin ermittelt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Bedeutung ist - vorbrachte, daß die Leistungsfrist unangemessen kurz und im Ausmaß von mindestens sechs Monaten einzuräumen sei.

Die Berufungsbehörde hat u.a. eine Stellungnahme des Baupolizeiamtes zur Frage der Angemessenheit der Leistungsfrist eingeholt. Darin wird ausgeführt, daß für die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen zwei Tage, als Angebotsfrist vierzehn Tage, als Zuschlagsfrist vier Tage und für die Durchführung der Arbeiten ein Tag, insgesamt somit 21 Tage ausreichend seien. Die belangte Behörde hat diese Äußerung sodann der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt. Diese hat in ihrer Stellungnahme die Auffassung vertreten, sie könne in Ermangelung eines Befundes über den Verfahrensgegenstand im einzelnen nicht detalliert auf die behaupteten Fristen eingehen. Woher die belangte Behörde diese nehme, sei für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar und daher das Verfahren mangelhaft, da die von der Beschwerdeführerin befragten Sachverständigen gutachtlich zum Ausdruck gebracht hätten, daß zwecks Beseitigung der Anlage ein Zeitraum von sechs Monaten als erforderlich betrachtet werde. Die belangte Behörde gebe nicht bekannt, welche Arbeiten im einzelnen durchzuführen seien. Die Beschwerdeführerin stelle den Antrag, man möge ihr bekanntgeben, welche Arbeiten in welchen Zeiträumen einzeln ausgeführt werden könnten, um dazu Stellung zu nehmen. Überdies beantragte die Beschwerdeführerin die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen, jedoch den erstinstanzlichen Bescheidspruch dahin abgeändert, daß der Auftrag zur Beseitigung der bewilligungslos errichteten Bauten an die (nunmehr richtig bezeichnete) "K"-Gesellschaft m. b.H. ergehe. Diesen Ausspruch begründete die belangte Behörde unter Hinweis auf § 62 Abs. 4 AVG als Berichtigung eines Schreibfehlers; ungeachtet dessen habe die Beschwerdeführerin erkennen können, daß sie als Adressat den Auftrag zur Entfernung des Bauwerkes erhalten habe. Die gesetzte Frist von vier Wochen sei - wie aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen feststehe - angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß die im erstinstanzlichen Spruch umschriebenen Stahlcontainer der Baubewilligungspflicht gemäß § 57 Abs. 1 lit. a der Steiermärkischen Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 149/1968, in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 unterliegen, sowie ferner, daß in Ermangelung einer Baubewilligung der auf § 70a BO gestützte Beseitigungsauftrag zu Recht ergangen ist. Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde nicht gegen den baupolizeilichen Auftrag, sondern ausdrücklich (nur) gegen die von der Behörde gesetzte Ausführungsfrist von vier Wochen mit der Begründung, daß ein ordnungsgemäßes Sachverständigengutachten einen ordnungsgemäßen Befund voraussetze, auf welchen sich das Gutachten stütze, ein solcher Befund hier jedoch fehle, sowie ferner, daß ein Sachverständigengutachten gar nicht vorliege, weil die zuständige Magistratsabteilung (Baupolizei) kein Sachverständiger und (nach Auffassung der Beschwerdeführerin demzufolge) die Begründung des angefochtenen Bescheides mangelhaft sei.

Gemäß § 59 Abs. 2 AVG ist im Spruch eines Bescheides, in welchem die Verbindlichkeit zu einer Leistung oder zur Herstellung eines bestimmten Zustandes ausgesprochen wird, auch eine angemessene Frist zur Ausführung der Leistung oder der Herstellung zu bestimmen. Die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Erfüllungsfrist dann angemessen ist, wenn innerhalb derselben die erforderlichen Arbeiten technisch durchgeführt werden können, wobei auf wirtschaftliche Umstände soweit Bedacht zu nehmen ist, als dies die (von der Behörde in erster Linie zu wahrenden) öffentlichen Interessen nach den Umständen des Einzelfalles zulassen (vgl. die Erkenntnisse vom 1. Juli 1986, Zl. 86/05/0053, 0054, BauSlg. 723, vom 20. September 1988, Zl. 88/05/0122, BauSlg. 1170 uva.).

Ob die Behörde bei Ermittlung des für die Beurteilung der Angemessenheit der Erfüllungsfrist maßgeblichen Sachverhaltes sich eines Amtssachverständigen im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG zu bedienen hat, hängt davon ab, ob dies nach den Umständen des Einzelfalles notwendig ist. Es kann jedenfalls nicht davon die Rede sein, daß - gleichsam als Beweisregel - die Festsetzung einer Erfüllungsfrist im Sinne des § 59 Abs. 2 AVG rechtens NUR unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen erfolgen dürfte, kommt doch gemäß § 46 AVG als Beweismittel grundsätzlich alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Die Ermittlung der zur Entfernung von Stahlcontainern in der Größe von 9,0 x 6,0 bzw. 5,7 x 3,0 m technisch erforderliche Zeit ist keine Frage, für die ein Sachverständigenbeweis im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG unbedingt erforderlich ist, wenn nicht besondere Umstände dies gebieten. Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall eine Äußerung der zuständigen Fachabteilung des Magistrates der Landeshauptstadt Graz eingeholt, die - bei Zuhilfenahme der jedermann zugänglichen Erfahrung des täglichen Lebens auch nachvollziehbar - dargelegt hat, daß auch unter Einschaltung einer kurzen Ausschreibung eine Frist von 21 Tagen als Leistungsfrist technisch ausreichend ist. Es bedarf insbesondere keines eingehenden Sachverständigenwissens um beurteilen zu können, daß eine Ausführungsfrist von einem Tag zur Verladung und zum Abtransport der strittigen Container ausreichend ist. Es kann daher die Frage auf sich beruhen, ob der die Äußerung erstattende Beamte dieser Fachabteilung nicht ohnehin als Amtssachverständiger gemäß § 52 Abs. 1 AVG anzusehen ist (vgl. dazu etwa die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, unter Nr. 6 ff zu § 52 AVG angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Beschwerdeführerin hat zu der ihr inhaltlich zur Kenntnis gebrachten Äußerung der Fachabteilung keine Stellungnahme abgegeben, sondern sich darauf zurückgezogen, daß sie in Ermangelung eines Befundes über den Verfahrensgegenstand "im einzelnen auch nicht detailliert auf die behaupteten Fristen" eingehen könne. Demgegenüber konnte die Beschwerdeführerin der diesbezüglichen Aufforderung der belangten Behörde entnehmen, daß es um die Angemessenheit der Frist für die Entfernung der von der Beschwerdeführerin bewilligungslos aufgestellten Container im Sinne des erstinstanzlichen Bescheides gegangen ist, sodaß die Behauptung der Beschwerdeführerin, mangels Kenntnis vom Gegenstand keine Äußerung abgeben zu können, nicht verständlich ist. Es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen, jene Gründe ins Treffen zu führen, aus denen sie meinte, mit den in dieser Stellungnahme genannten Fristen nicht das Auslangen finden zu können. Dies hat die Beschwerdeführerin nicht getan, sondern lediglich behauptet, von - nicht näher bezeichneten - Sachverständigen sei gutachtlich zum Ausdruck gebracht worden, daß zwecks Entfernung der Anlage ein Zeitraum von sechs Monaten als erforderlich betrachtet werde. Unterlagen über diese angeblichen Bekundungen von Sachverständigen wurden nicht vorgelegt. Ebensowenig wurde dargelegt, auf welche der von der belangten Behörde im Detail der Beschwerdeführerin bekanntgegebenen Fristen sich das Erfordernis eines längeren, dafür zur Verfügung zu stellenden Zeitraumes bezieht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befreit der Verfahrensgrundsatz, daß die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen: Daher ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verwaltungsverfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 1959, Slg. Nr. 5007/A uva). Wenn daher die belangte Behörde die mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang stehende Äußerung der zuständigen Fachabteilung des Magistrates der Landeshauptstadt Graz, welcher die Beschwerdeführerin im Verfahren substantiell nicht entgegengetreten ist, ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat, so ist darin unter den dargelegten Umständen kein Verfahrensmangel zu erblicken.

Da die belangte Behörde diese Ergebnisse ihres Ermittlungsverfahrens in der Begründung ihres Bescheides wiedergegeben hat, liegt auch ein Begründungsmangel, der die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsverfolgung oder den Verwaltungsgerichtshof an der ihm obliegenden nachprüfenden Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich des angefochtenen Bescheides hindern würde, nicht vor.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes weder mit der in der Beschwerde behaupteten noch mit einer vom Verwaltungsgerichtshof allenfalls aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Grundsatz der UnbeschränktheitSachverständiger Weisungsgebundenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060115.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten