TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/19 90/06/0022

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Veröffentlicht am 19.09.1991
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §68 Abs4 lita;
AVG §68 Abs4 litd;
BauO Tir 1989 §52 Abs1 litb;
B-VG Art130 Abs2;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
MRG §17 Abs2;
ROG Tir 1984 §16b Abs1;
ROG Tir 1984 §16b Abs2;
ROG Tir 1984 §16b Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der M-GmbH in V, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. August 1989, Zl. Ve-550-1572/1, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 20. Oktober 1986 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Neubaues für einen Lebensmittelmarkt auf der Gp. nn1 der KG N. Es ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht strittig, daß nach dem Einreichplan und der nach diesem Plan tatsächlich erfolgten Bauführung der Geschäftsraum dieses Lebensmittelgeschäftes ca. 400 m2 Fläche, die für den Verkauf, und überdies ca. 50 m2 Fläche, die für die Packzone

bestimmt sind, umfaßt. Mit Bescheid vom

19. Juni 1989 erklärte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck den Bescheid des Bürgermeisters vom 20. Oktober 1986 gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG iVm § 74 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1973 und § 2 lit. b der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 23. April 1968, LGBl. Nr. 18/1968, und § 68 Abs. 4 lit. d AVG iVm § 52 Abs. 1 lit. b, § 31 Abs. 4 lit. a und § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung sowie § 16b Abs. 1 und 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes für nichtig. In der Begründung dieses Bescheides führte die Behörde aus, daß gemäß § 74 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1973 gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden dürften, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in einer anderen Weise zu belästigen. Gemäß § 1 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 23. April 1968, LGBl. Nr. 18, sei die Besorgung der Aufgaben der örtlichen Baupolizei bei Vorhaben, für die außer der baupolizeilichen Bewilligung eine Genehmigung nach der Gewerbeordnung erforderlich ist, aus dem eigenen Wirkungsbereich der im § 2 angeführten Gemeinden (darunter auch die Gemeinde Neustift) auf die örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaften übertragen worden. Das Lebensmittelgeschäft der Beschwerdeführerin, welches sich in einem Mischgebiet, das hauptsächlich mit Beherbungsbetrieben und Wohnhäusern bebaut sei und somit fast ausschließlich Wohnzwecken diene, befinde, stelle eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage dar. Der Bürgermeister sei daher für die Durchführung des Bauverfahrens unzuständig gewesen. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck habe in der Folge auch die Genehmigungspflicht dieser Anlage angenommen und mit Bescheid vom 9. April 1987 eine Bewilligung (gemeint: der gewerblichen Betriebsanlage) erteilt.

Weiters führte die Behörde erster Instanz (sinngemäß und zusammengefaßt) aus, daß die Nutzfläche des Lebensmittelmarktes der Beschwerdeführerin im Sinne des § 16b Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG) 400 m2 übersteige. Als Nutzfläche sei die gesamte Fläche, die zwischen den Wänden zur Verfügung stehe, anzusehen. Eine Nichteinrechnung von sogenannten "passiven Verkaufsflächen", unter denen Verkehrswege, Flächen, auf denen sich ausschließlich das Verkaufspersonal aufhalte etc. zu verstehen seien, entspreche nicht dem Gesetz. Die Beschwerdeführerin habe eine lediglich als Raumteiler anzusprechende Wand, die das gesamte Bauwerk in eine den Kunden zugängliche Verkaufsfläche und eine Lagerfläche teile, entgegen dem Einreichplan um 46 cm in Richtung Lagerfläche versetzt. Weiters seien die drei Kassen entgegen der planlichen Darstellung um 1 m weiter in Richtung Ausgang gerückt. Der Raumteiler weise überdies eine Nische von 39 cm Tiefe mit einer Länge von 2,63 m auf, wodurch weitere 32 m2 zusätzliche Nutzfläche im Verkaufsraum gewonnen worden seien. Es seien aber auch jene Flächen in die Nutzfläche einzubeziehen, die mit "Vorbereitung, Fleisch, Wurst" bezeichnet sei und jene Flächen, auf denen sich die Kassen befänden, sowie der Raum zwischen Kassen und Windfang, in welchen die Kunden die Waren verpackten. Die gesamte Nutzfläche des Verkaufsraumes betrage somit 494,28 m2.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin

Berufung, worin sie die Auffassung vertritt,

die Behebung des Bescheides des Bürgermeisters vom 20. Oktober 1986 wegen Unzuständigkeit sei zu Unrecht erfolgt. Die Behörde habe aber auch den zweiten, in der Raumordnungswidrigkeit gelegenen Grund für die Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides zu Unrecht herangezogen: Die Abpackzone im Ausmaß von 50,61 m2 sei in die Nutzfläche der Verkaufsräume im Sinne des § 16b Abs. 1 TROG nämlich nicht einzurechnen.

Die belangte Behörde hat die Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluß vom 28. November 1989, B 1297/89, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Ergänzungsschriftsatz erachtet sich die Beschwerdeführerin ihrem gesamten Vorbringen zufolge dadurch verletzt, daß in ihre Rechte aus dem Baubewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1986 durch dessen Nichtigerklärung eingegriffen worden sei.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO 1966), LGBl. Nr. 4, kann außer im Fall des § 112 leg. cit. (diese Bestimmung handelt vom Vorstellungsverfahren) ein rechtskräftiger Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung von der Aufsichtsbehörde nur aus den Gründen des § 68 Abs. 3 und 4 AVG aufgehoben werden. Gemäß § 108 Abs. 2 TGO 1966 wird das Aufsichtsrecht des Landes, soweit in diesem Gesetz und in anderen Landesgesetzen nicht unmittelbare Aufsichtsmaßnahmen der Landesregierung vorgesehen sind, in erster Instanz von der Bezirkshauptmannschaft und in zweiter Instanz von der Landesregierung ausgeübt. Gemäß § 108 Abs. 3 TGO 1966 sind die Aufsichtsmittel unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund stützte die - nach der dargelegten Rechtslage zur Wahrnehmung des Aufsichtsmittels des § 113 Abs. 1 TGO in erster Instanz zuständige - Bezirkshauptmannschaft die Nichtigerklärung des rechtskräftigen Baubewilligungsbescheides vom 20. Oktober 1986 auf zwei Gründe des § 68 Abs. 4 AVG, nämlich auf lit. a und lit. d.

Gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid (u.a.) von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde. Die Aufsichtsbehörde hielt den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde zur Entscheidung deshalb für unzuständig, weil es sich bei dem Bauvorhaben der Beschwerdeführerin um eine der gewerberechtlichen Genehmigungspflicht unterliegende Betriebsanlage handle.

Gemäß § 12 Abs. 4 TGO 1966 kann die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung durch Verordnung der Landesregierung auf eine staatliche Behörde übertragen werden, wenn die Gemeinde zur ordnungsgemäßen Besorgung einer solchen Angelegenheit nicht in der Lage ist und die Übertragung beantragt. Gestützt auf diese Verordnungsermächtigung wurde auf Antrag der mitbeteiligten Gemeinde mit Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 23. April 1968, LGBl. Nr. 18, Gebrauch gemacht: Nach § 1 iVm § 2 lit. b dieser Verordnung wurde die Besorgung der Aufgaben der örtlichen Baupolizei bei Vorhaben, für die außer der baupolizeilichen Bewilligung eine wasserrechtliche oder eine Genehmigung nach der Gewerbeordnung erforderlich ist, aus dem eigenen Wirkungsbereich der mitbeteiligten Gemeinde auf die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft übertragen. Diese im Tiroler Gemeinderecht fußende Verordnung blieb - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - durch das Inkrafttreten der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974, mit 1. Jänner 1975 unberührt, weil es sich dabei um keine baurechtliche Vorschrift im Sinne des § 57 Abs. 2 TBO handelt.

Der Lebensmittelmarkt der Beschwerdeführerin bedurfte auch - wieder entgegen dem Beschwerdevorbringen - einer gewerblichen Betriebsanlagengenehmigung, wie die Behörden des Gemeindeaufsichtsverfahrens zutreffend erkannt haben: diese Genehmigungspflicht ist gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 nämlich schon dann gegeben, wenn eine Betriebsanlage GEEIGNET ist, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen hervorzurufen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1980, Slg. Nr. 10046/A uva), wohingegen die Frage, ob solche Auswirkungen tatsächlich auftreten für die Genehmigungspflicht nicht von Bedeutung sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Februar 1988, Zl. 87/04/0068, und vom 27. März 1990, Zl. 89/04/0234). Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein Lebensmittelmarkt der vorliegenden Art wegen seiner Ausstattung jedenfalls geeignet ist, das Leben und die Gesundheit der Kunden, welche die Betriebsanlage der Art des Betriebes nach aufsuchen, zu gefährden, wobei es genügt, an die Darbietung der zum Verkauf gelangenden Ware in (teilweise) hohen Regalen sowie an das Erfordernis ausreichender Kundenverkehrs- und Fluchtwege zu erinnern, sodaß die Genehmigungspflicht im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 schon dadurch ausgelöst wird. Da der Lebensmittelmarkt der Beschwerdeführerin somit einer (mittlerweile erteilten) gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung bedurfte, war der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde aufgrund der dargelegten Rechtslage zur Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig.

Die Behebung eines mit dem Nichtigkeitsgrund des § 68 Abs. 4 lit. a AVG bedrohten Bescheides liegt im Ermessen der Behörde (vgl. WALTER-MAYER, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes4, RdZ 655 mwH; ferner das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1980, Zl. 1596/80), die bei der Ermessensübung einerseits unter größtmöglicher Schonung erworbener Rechte Dritter (hier: der Beschwerdeführerin) vorzugehen hatte (§ 108 Abs. 3 TGO 1966), dabei aber andererseits die mit der Delegation der Zuständigkeit verbundenen gesetzgeberischen Ziele nicht aus den Augen verlieren durfte. Die Delegation von Zuständigkeiten aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde an die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft dient (zumindest) zwei Zielen, nämlich, sich im Interesse höherer Richtigkeitsgewähr in bestimmten Rechtssachen eines entsprechend geschulten Behördenapparates bedienen zu können, über welchen die betreffende Gemeinde nicht verfügt, andererseits aber auch, eine möglichste Konzentration von verschiedenen Verfahren bei einer Behörde zu erzielen. Unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt bestünden erhebliche Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung, war doch die gewerberechtliche Genehmigung der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Behebung des Baubewilligungsbescheides nach den Feststellungen der Aufsichtsbehörde erster Instanz bereits erteilt, weshalb der Gesichtspunkt der Verfahrenskonzentration als Begründung für die Ermessensübung wohl nicht herangezogen werden durfte. Die belangte Behörde hatte jedoch unter Bedachtnahme auf den (im § 12 Abs. 4 TGO 1966 für die Zulässigkeit der Delegierungsverordnung vorausgesetzten) erstgenannten Gesichtspunkt, nämlich, daß die Gemeinde zur Besorgung einer solchen Angelegenheit nicht in der Lage ist, auch die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Bescheides als einen (weiteren) Bestimmungsgrund auch für die Ermessensübung im Zusammenhang mit § 68 Abs. 4 lit. a AVG mit zu bedenken.

Dabei gelangte die belangte Behörde zu Recht zur Auffassung, daß der Bescheid mit einer weiteren, vom Gesetz ebenfalls mit Nichtigkeit bedrohten Rechtswidrigkeit behaftet ist:

Gemäß § 52 Abs. 1 lit. b der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr.33/1989, leiden Bescheide, mit denen die Bewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes erteilt wurde, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler, wenn (lit. b) die Bewilligung erteilt wurde, obwohl ein Abweisungsgrund nach § 31 Abs. 4 lit. a, b oder d vorliegt. Gemäß § 31 Abs. 4 lit. a TBO ist dies dann der Fall, wenn ein im Abs. 3 leg. cit. angeführter Abweisungsgrund vorliegt. Nach der zuletzt genannten Bestimmung liegt ein Abweisungsgrund u.a. im Verstoß gegen den Flächenwidmungsplan.

Gemäß § 16b Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG), LGBl. Nr. 4/1984, in der hier noch anzuwendenden Fassung VOR der 6. Raumordnungsgesetznovelle, LGBl. Nr. 76/1990, darf die Baubewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums nur erteilt werden, wenn dieses Gebäude auf einer Grundfläche, die als Sonderfläche für Einkaufszentren gewidmet ist, errichtet wird und die Nutzfläche der in diesem Gebäude vorgesehenen Verkaufsräume insgesamt das im Flächenwidmungsplan festgesetzte Höchstausmaß nicht übersteigt.

Gemäß § 16b Abs. 1 TROG sind Einkaufszentren Gebäude mit Verkaufsräumen von insgesamt mehr als 400 m2 Nutzfläche, in Gemeinden, die nach dem Ergebnis der jeweils letzten Volkszählung mehr als 10000 Einwohner haben, von insgesamt von mehr als 800 m2 Nutzfläche, in denen insbesondere auch Waren des täglichen Bedarfes, jedenfalls Lebensmittel, angeboten werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem - dieselbe Beschwerdeführerin betreffenden - Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 90/06/0023, ausgesprochen hat, sind unter Nutzflächen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht nur die "aktiven Verkaufsflächen" sondern alle Flächen eines Verkaufsraumes zu verstehen, die zur Nutzfläche im Sinne des (analog anzuwendenden) § 17 Abs. 2 des Mietrechtsgesetzes zählen. Dies gilt auch - fallbezogen - für die Packzone: Nicht nur die wiederkehrende Wendung "Nutzfläche der Verkaufsräume" im § 16b Abs. 2 und 4 TROG spricht entschieden für die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, wonach der Gesetzgeber im § 16b Abs. 1 TROG nicht nach Flächennutzungen, sondern nach Raumnutzungen differenzieren wollte, sondern auch die Überlegung, daß der Gesetzgeber in baurechtlichen Vorschriften eher an baurechtlich faßbare Sachverhalte (z.B. Räume und Raumnutzungen) als an solche Kriterien anknüpft, die üblicherweise im baurechlichen Bewilligungsverfahren keine Rolle spielen und - folgte man der Auffassung der Beschwerdeführerin - zur baurechtlichen Bewilligungspflicht jeder Änderung der Nutzung von Teilflächen in Verkaufsräumen (einschließlich etwa der Verschiebung von Regalen oder der Verlegung der Kassen) führen müßte.

Die Aufsichtsbehörde hat daher zutreffend erkannt, daß der Lebensmittelmarkt der Beschwerdeführerin Verkaufsräume mit erheblich mehr als 400 m2 Nutzfläche enthält und somit entgegen § 16b Abs. 2 TROG baurechtlich bewilligt wurde. Auf die von der Behörde erster Instanz ebenfalls behandelte Frage, ob die Beschwerdeführerin überdies von der erteilten Baubewilligung abgewichen ist, ist in diesem Verfahren nicht einzugehen. Der Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Oktober 1986 leidet daher auch gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 lit. b TBO an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Das Vorliegen dieses Nichtigkeitsgrundes konnte die Behörde (auch bei Anlegung des von der Rechtsprechung geforderten strengen Maßstabes - vgl. das Erkenntnis vom 11. Februar 1988, Zl. 86/06/0211 und 85/06/0195 -) aber nicht nur zum Anlaß nehmen, den Bewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1986 aus diesem Grunde zu beheben, sondern sie durfte wegen des Vorliegens dieses weiteren Nichtigkeitsgrundes auch von ihrem Ermessen in der Richtung Gebrauch machen, daß der Bescheid vom 20. Oktober 1989 auch aus dem Grunde der Unzuständigkeit des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde aufgehoben wurde, sodaß die Bezirkshauptmannschaft als zuständige Behörde über das Bauansuchen der Beschwerdeführerin zu entscheiden haben wird.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990060022.X00

Im RIS seit

19.09.1991

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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