TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/23 91/19/0151

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Veröffentlicht am 23.09.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
EGVG Art2;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs3;
PaßG 1969 §25;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der Beschwerdeführer 1. CC, 2. MC, 3. AC und 4. RC, alle in der Türkei, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Ankara vom 2. Mai 1991, Zl. 3.31.406/2/91, betreffend Versagung von Sichtvermerken, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe an die belangte Behörde vom 6. März 1991 stellten die Beschwerdeführer - türkische Staatsangehörige - den Antrag auf Erteilung "befristeter Wiedereinreise-Sichtvermerke (Vorschlag: ein Jahr)". Begründend führten sie aus, daß Zekeriya C (im folgenden Z.C.) - der Gatte der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer - seit vielen Jahren in Österreich aufenthaltsberechtigt und beschäftigt sei. Er habe ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 17.000,--. Es stünde ihm auch eine Dienstwohnung im Ausmaß von ca. 65 m2, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad und Clo, zur Verfügung. Z.C. habe bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz für die Beschwerdeführer vor ca. acht Monaten um die Erteilung einer Sichtvermerksbescheinigung angesucht. Bisher sei es nicht gelungen, diese Sichtvermerksbescheinigung zu bekommen, obwohl sämtliche Voraussetzungen für die Familienzusammenführung vorlägen.

Mit Schreiben vom 2. Mai 1991 teilte die belangte Behörde

dem Vertreter der Beschwerdeführer folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr RechtsanwaltÜ

Die Botschaft bestätigt den Erhalt Ihres Antrages vom 06. März 1991 betreffend Ihre Mandantschaft, die Familie C. Die im Zuge des ha. Ermittlungsverfahrens durchgeführten Erhebungen bei der in Österreich zuständigen Fremdenpolizei haben ergeben, daß C Zekeriye mit seinem Einkommen den geltenden Sozialhilferichtsatz NICHT ERREICHT und somit die Gefahr besteht, daß der Republik Österreich durch den Aufenthalt der Familie C Kosten erwachsen. Dies war auch der Grund, weshalb keine Sichtvermerksbescheinigung ausgestellt wurde.

Bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises über ausreichende finanzielle Mittel wird der Antrag gerne neu bearbeitet, vorerst jedoch, wird dem Sichtvermerksantrag zur Familienzusammenführung nicht zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Karl Z Botschaftssekretär"

Gegen dieses von den Beschwerdeführern als Bescheid gewertete Schreiben richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens in Ablichtung vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist klarzustellen, daß der angefochtenen Erledigung nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 91/19/0067) die rechtliche Qualifikation eines vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheides zukommt.

Gemäß § 23 Abs. 1 Paßgesetz, BGBl. Nr. 422/1969, (PaßG 1969) bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet außer einem gültigen Reisedokument (§ 22) eines österreichischen Sichtvermerkes; dies gilt nicht, wenn durch zwischenstaatliche Vereinbarung anderes bestimmt wird oder wenn der Fremde während einer Zwischenlandung auf einem österreichischen Flugplatz dessen Transitraum nicht verläßt (Transitreisender).

Im Beschwerdefall bedurften die Beschwerdeführer eines Sichtvermerkes (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 91/19/0067).

Nach § 25 Abs. 1 PaßG 1969 kann einem Fremden auf Antrag ein Sichtvermerk erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt. Zufolge des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen. Gemäß § 25 Abs. 3 PaßG 1969 ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn (lit. e) die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland in Sichtvermerksangelegenheiten zwar nicht das AVG, wohl aber die in diesem Gesetz niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens anzuwenden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juni 1991, Zl. 91/19/0068). Zu diesen Verfahrensgrundsätzen gehören u.a. die Gewährung des Parteiengehörs und die Verpflichtung der Behörde, ihren Bescheid zu begründen. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes in einem Ermittlungsverfahren durch die Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1991, Zl. 91/19/0096).

Entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung der belangten Behörde ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Die belangte Behörde legte der Ermittlung des Einkommens des Z.C. eine Lohnbestätigung für August 1990 zugrunde, auf der ein Nettobezug des Genannten - einschließlich der Familienbeihilfe - von S 15.382,-- aufschien. Dieser Bescheinigung kann jedoch für den maßgeblichen, rund ein Dreivierteljahr späteren Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine verläßliche Aussagekraft für die Feststellung der Einkommensverhältnisse beigelegt werden, zumal im Antrag der Beschwerdeführer vom 6. März 1991 ausdrücklich ein höheres Nettoeinkommen des Z.C. behauptet wurde. Bei dieser Sachlage wäre es vielmehr erforderlich gewesen, die aktuellen Durchschnittsbezüge des Genannten festzustellen. Erst dann hätte beurteilt werden können, ob die Annahme gerechtfertigt ist, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

Die belangte Behörde hat daher den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig gelassen. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Für das fortgesetzte Verfahren sei bemerkt, daß sich die belangte Behörde auch mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, daß die Dienstwohnung dem Z.C. kostenlos zur Verfügung stehe, auseinanderzusetzen haben wird.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Parteiengehör Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190151.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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