TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/25 91/02/0074

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.1991
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des Michael J in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. April 1991, Zl. I/7-St-J-919, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seiner Aussprüche über die Strafe und die Kostenbeiträge wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. April 1991 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er als Fahrzeuglenker am 15. Oktober 1988 um

3.15 Uhr im Ortsgebiet von Gugging auf der B 14, Straßenkilometer 11.758 in Fahrtrichtung Wien, mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug schneller als mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, nämlich mit 107 km/h, gefahren sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet in Ansehung des Schuldspruches lediglich seine Lenkereigenschaft und bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Er übersieht aber offenbar, daß insofern die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in der Richtung eingeschränkt ist, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die hiebei angestellten Erwägungen schlüssig sind, weshalb es dem Gerichtshof verwehrt ist, die vorgenommene Beweiswürdigung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Es ist nicht als unschlüssig anzusehen, wenn die belangte Behörde aufgrund der Aussage der Zeugin Theresia S - wonach der gegenständliche PKW zur Tatzeit weder von Josef J (dem nach der Aktenlage inzwischen verstorbenen Zulassungsbesitzer) noch von ihr (nach der Aktenlage dessen Lebensgefährtin) benützt wurde und andere Personen (außer dem Beschwerdeführer und den Genannten) "keinen Zugang zu dem Fahrzeug hatten" - als erwiesen angenommen hat, daß der Beschwerdeführer der Fahrzeuglenker war. Richtig ist, daß der Beschwerdeführer "natürlich das Fahrzeug weitergeben konnte"; er hat aber nie dezidiert vorgebracht, daß dies der Fall gewesen sei, und eine solche Person auch nicht, wie es seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren erfordert hätte, namhaft gemacht, sondern sich auf die bloße Behauptung beschränkt, nicht der Täter gewesen zu sein. Es kann daher der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie ihn dieser Übertretung für schuldig befunden hat.

Allerdings ist der Beschwerdeführer mit seiner das Strafausmaß betreffenden Rüge im Recht. Sicherlich ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß "der Einhaltung der gesetzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet im Hinblick auf die Verkehrssicherheit besonders große Bedeutung zukommt" und "besonders Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ortsgebiet zu den häufigsten Unfallursachen mit schwersten Verletzungsfolgen zählen", und sie hat auch zutreffend darauf Bedacht genommen, daß der Beschwerdeführer die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h "um mehr als das Doppelte überschritten hat". Wenn aber auch die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Übertretung "bei Dunkelheit im Ortsgebiet begangen" wurde, "wo auch um 3.15 Uhr noch mit Fußgängern, die die Fahrbahn überqueren wollen, gerechnet werden muß", so fällt doch entscheidend ins Gewicht, daß kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß andere Verkehrsteilnehmer, die durch das Verhalten des Beschwerdeführers hätten gefährdet werden können, tatsächlich vorhanden waren, und dadurch keine nachteiligen Folgen eingetreten sind. Schon die Erstbehörde hat nicht die Begehung der strafbaren Handlung "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" oder "mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern" im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 angenommen, sodaß der Strafrahmen, entsprechend der von ihr herangezogenen Bestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit., nur bis S 10.000,-- reicht. Im Hinblick auch auf das festgestellte Einkommen des Beschwerdeführers von S 9.000,-- monatlich, seine Vermögenslosigkeit und fehlenden Sorgepflichten, den (von der belangten Behörde gar nicht näher bezeichneten) Grad seines Verschuldens und den Umstand, daß die belangte Behörde keine Erschwerungsgründe angeführt hat, erscheint die verhängte Geldstrafe in Höhe von S 6.000,--, auch unter dem von ihr erwähnten Gesichtspunkt der Spezialprävention, nicht angemessen; selbst unter Mitberücksichtigung der aktenkundigen, einschlägigen Vorstrafe des Beschwerdeführers aus dem Jahre 1986 (die mit S 500,-- bemessen wurde) wäre der ihr zustehende Ermessensspielraum bei Bemessung der Strafe anhand der Kriterien des § 19 Abs. 1 und 2 VStG weit überschritten worden.

Die Beschwerde war somit hinsichtlich des Schuldspruches gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, hingegen der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe und des (davon abhängigen) Ausspruches über die Kostenbeiträge wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebühren insgesamt nur S 450,-- (S 120,-- für die Vollmacht, S 240,-- für die lediglich 2-fach einzubringende Beschwerde und S 90,-- für eine einzige erforderliche Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zu entrichten waren.

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein Persönliche Verhältnisse des Beschuldigten Überschreiten der Geschwindigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991020074.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten