TE Vfgh Erkenntnis 1989/2/27 B1414/88

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Veröffentlicht am 27.02.1989
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art83 Abs2 / Ablehnung der Sachentscheidung
RundfunkG §27 Abs1 Z1 lita
ABGB §1330

Leitsatz

Verneinung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Beschwerde nach §27 Abs1 Z1 lita RundfunkG; Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Vertreters die mit 11.000 S bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 13. März 1988 um 11 Uhr 30 strahlte der Österreichische Rundfunk (ORF) im (Hörfunk-)Programm Ö3 die Sendung "Help" aus, in deren Verlauf ua. der im folgenden wörtlich wiedergegebene Beitrag gebracht wurde:

" . . . Vor fast zehn Jahren ging die Diskussion um das Atomkraftwerk in Zwentendorf ihrem Höhepunkt entgegen. Viele Befürworter der Atomenergie - darunter die Elektrizitätswirtschaft - warnten vor einer Entscheidung gegen Zwentendorf. Fürchterliches würde passieren: Es würde zu einer Stromknappheit kommen, die Lichter würden ausgehen.

Diese Prognose hat sich nicht erfüllt. Nach wie vor ist die Glühbirne das gängige Beleuchtungsmittel und nicht der Kienspan.

Falsche Langzeitprognosen sind im Bereich der Stromversorgung übrigens keine Seltenheit. Ganz allgemein scheinen die Stromexperten mit Voraussagen ihre liebe Not zu haben. Denn der gemeinsame Nenner fast aller ihrer Prognosen: Sie erfüllen sich nicht. Jedes Jahr schätzt die Elektrizitätswirtschaft, um wieviel Prozent der Stromverbrauch in den folgenden Jahren steigen wird. Diese Verbrauchsprognosen werden im allgemeinen für einen Zeitraum von zehn Jahren erstellt. Sie sind die Grundlage für den Bau neuer Kraftwerke.

Im Jahr 1975 beispielsweise waren die Experten überzeugt, daß der Stromverbrauch bis 1985 jährlich um 6 % steigen wird. Aber diese Prognose war falsch.

Sie war viel zu hoch. Rein rechnerisch war sie um etwa zehn Donaukraftwerke zu hoch. So viele hätten nämlich im Jahr 85 zusätzlich in Betrieb sein müssen, wäre der Stromverbrauch tatsächlich wie geplant gestiegen.

Auf der Donau hätte man übrigens so viele Kraftwerke nicht unterbringen können. Denn schon damals wäre nur mehr für maximal drei Kraftwerke Platz gewesen.

Die Verbrauchsprognose mußte schon nach wenigen Jahren korrigiert werden. Die neue Prognose für den Zeitraum 79 bis 89:

4,8 %. Aber auch das war noch zu hoch.

Nächster Wert: 4,1 %. Auch er hielt nicht lange und selbst die späteren Prognosen mußten immer wieder korrigiert werden, und zwar nach unten: Von 4,1 % auf 3,9 und schließlich auf 3,4 % für die Jahre 83 bis 93. Zahlen lassen sich schnell korrigieren. Der Kraftwerksbau aber nicht, weil er eine Planungs- und Bauzeit von vielen Jahren braucht. Kritiker der E-Wirtschaft vermuteten deshalb schon Ende der siebziger Jahre, daß der Kraftwerksausbau überzogen sei und nicht mehr der tatsächlichen Verbrauchsentwicklung entspreche.

Im Jahr 1983 wurde das von der E-Wirtschaft auch bestätigt. Allerdings nur hinter verschlossenen Türen. Das geht aus einem geheimen Tagungsprotokoll hervor, in dem schwarz auf weiß geschrieben steht, daß durch die konsequente Verfolgung des koordinierten Ausbauprogrammes und der Importe infolge des Verbrauchsrückganges freie Energiemengen zur Verfügung stehen.

Und weiter: 'Steht man dieser Situation tatenlos gegenüber, werden sich insofern Konsequenzen ergeben, als Kraftwerke abgestellt werden müssen.'

Die Strommanager beschlossen, dieser Situation aber nicht tatenlos gegenüberzustehen, sondern durch ein gezieltes Strommarketing Konsumenten zu veranlassen, mehr Strom zu verbrauchen. Und so wurden auf dieser Tagung Strategien besprochen, die Elektroheizung zu forcieren.

Jahr für Jahr werden in Österreich mehr Stromheizungen angeschlossen. Die Verbrauchssteigerungen gingen aber trotzdem weiter zurück. Und die 10-Jahresprognosen mußten weiter nach unten revidiert werden.

Für den Zeitraum 84 bis 94 prognostizierten die Experten nur noch eine jährliche Steigerung von 3 %. Und 1986 gar nur mehr 2,5 %.

Aber selbst dieser Wert ist nur der vorläufige Endpunkt. Für Insider ist längst klar, daß die nächste Korrektur bereits vor der Tür steht: Spätestens nach Schließung des größten österreichischen Stromverbrauchers - der Aluminium-Elektrolyse in Ranshofen - wird die Prognose auf 2,1 % zurückgenommen werden müssen.

Dem vorhin erwähnten Tagungsprotokoll ist zu entnehmen, daß die E-Wirtschaft vor allem in den siebziger Jahren die Entwicklung falsch einschätzte. Der Generaldirektor einer großen Landesgesellschaft empfahl aber damals den Strommanagern, gegenüber der Öffentlichkeit jede Andeutung zu vermeiden, falsch prognostiziert zu haben.

Die Sache mit den Stromprognosen hat Ähnlichkeiten mit anderen Prognosen, zB beim Wetter. Allerdings mit einem Unterschied: Die Wetterprognosen streuen um einen Mittelwert, während die langfristigen Stromprognosen meistens zu hoch liegen. "

1.2.1. Am 8. April 1988 langte bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes eine Beschwerde der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbundgesellschaft) ein, worin sinngemäß geltend gemacht wurde, daß der eingangs festgehaltene (Hörfunk-)Beitrag gegen das dem ORF gesetzlich auferlegte Gebot der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung verstoßen habe.

Dazu wurde ua. wörtlich vorgebracht:

" . . . Da unser Unternehmen gemäß §5 Abs6 lita des 2. Verstaatlichungsgesetzes idF des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 321/1987 ua. die im öffentlichen Interesse gelegene Aufgabe hat, 'den gegenwärtigen und künftigen Strombedarf sowie die Stromerzeugung der Sondergesellschaften, Landesgesellschaften, städtischen Unternehmungen und Eigenversorgungsanlagen mit einer Nennleistung von mehr als 500 kW zu ermitteln und die Stromtarife zu verzeichnen', erachten wir unsere Beschwerdelegitimation in obiger Sache als ausreichend nachgewiesen, obwohl in der genannten Sendung unser Unternehmen namentlich nicht genannt wurde. Da wir als größtes österreichisches Elektrizitätsversorgungsunternehmen kraft Gesetzes mit der 'Ermittlung des künftigen Stromverbrauches' beauftragt sind, läßt sich in den Augen der Öffentlichkeit zweifellos der Schluß ableiten, daß wir von dieser unsachlichen Kritik des ORF betroffen sein sollen, obwohl in der Sendung selbst nur von unrichtigen Stromverbrauchsprognosen der 'Elektrizitätswirtschaft', der 'Stromexperten' und der 'Strommanager' die Rede ist.

Mögen in Einzelfällen die vom ORF mitgeteilten tatsächlichen Stromzuwachsraten von den (von uns) für die einzelnen Jahre prognostizierten Werten abweichen, so ist doch zu bedenken, daß die Verbrauchsprognosen der E-Wirtschaft auf einer Vielzahl wirtschaftlicher Prognosen beruhen, auf deren Parameter bzw. Richtigkeit die vom ORF kritisierte E-Wirtschaft keinen Einfluß hat. Es ergibt sich daraus von selbst, daß bei einer Änderung der Wirtschaftsdaten auch eine Korrektur der Verbrauchsprognosen erforderlich wird, bzw. die Prognosen dann von der Wirklichkeit abweichen, was aber jeweils nur im nachhinein festzustellen ist. Im gegenständlichen Fall waren die Prognosen nach unten zu korrigieren, weil das Wirtschaftswachstum, ganz allgemein gesehen, in den in der Sendung genannten Jahren hinter den Erwartungen zurückblieb. In diesem Licht betrachtet, nehmen sich die vom ORF als falsch zitierten Prognosen der E-Wirtschaft, die hinter der Realität aber tatsächlich bloß um einige Zehntelprozent zurückblieben, durchaus bescheiden und als innerhalb der billigerweise zu konzedierenden Toleranzgrenzen gelegen aus.

Als zusätzlicher Effekt mag noch dazukommen, daß die von der E-Wirtschaft erstellten Prognosen die Wirksamkeit ihrer eigenen Appelle zum Stromsparen (Slogan der Verbundgesellschaft: 'Strom ist kostbar. Gehen Sie sorgsam damit um.') einigermaßen unterschätzt haben.

Als Folge der tendenziösen Darstellung des ORF ergibt sich ein Mangel an Objektivität in der Information. In unsachlicher und höchst einseitiger Weise wird der E-Wirtschaft unterstellt bzw. beim Durchschnittshörer der falsche Eindruck erweckt, die österreichische E-Wirtschaft erstelle bewußt falsche Stromverbrauchsprognosen, um damit ein überzogenes Kraftwerksausbauprogramm zu rechtfertigen. Hiebei wird aber völlig außer acht gelassen, daß die Verbundgesellschaft kraft des eingangs zitierten 2. Verstaatlichungsgesetzes die im öffentlichen Interesse gelegene Aufgabe hat, wie aus dem Auftrag des 2. Verstaatlichungsgesetzes hervorgeht (§5 Abs6 litb:), 'den Ausgleich zwischen Erzeugung und Bedarf im Verbundnetz herbeizuführen, hiebei auf die günstigste wirtschaftliche Verwendung des zur Verfügung stehenden Stromes Bedacht zu nehmen und die Erzeugung mit unvermeidbaren Stromüberschüssen möglichst gleichmäßig zu belasten'. . .

Um der Forderung nach einer objektiven Berichterstattung bzw. Sachanalyse zu entsprechen, zu welcher der ORF gerade wegen seiner Monopolstellung verpflichtet ist, um trotzdem eine entsprechende Meinungsvielfalt zu gewährleisten, wäre es erforderlich gewesen, daß der ORF 'vor Ort' recherchiert hätte, dh. die Stellungnahme des Betroffenen, in diesem Fall unsere Stellungnahme oder zumindest die eines anderen öffentlichen Elektrizitätsversorgungsunternehmens oder des Verbandes der Elektrizitätswerke Österreichs, eingeholt hätte. Wäre dieser Grundsatz, der im übrigen in den sog.

Programmrichtlinien des ORF . . . niedergelegt ist, vom ORF befolgt

worden, und hätte man uns oder den Vorgenannten die Abgabe einer

Stellungnahme ermöglicht, hätte dies mit Sicherheit verhindert,

nunmehr den ORF dem Vorwurf der Einseitigkeit und der Verzerrung

der Dimensionen in der Berichterstattung aussetzen zu müssen. . .

Wir sind über die dargestellte unkorrekte Vorgangsweise des ORF um so mehr betroffen, als uns einerseits die Seriosität unserer Prognosen durch das Ergebnis eines Hearings im Nationalrat bestätigt wurde, und wir anderseits gerade jetzt - wie dem ORF mit Sicherheit bekannt sein müßte - auftrags der Republik mit einem erheblichen Aufwand bemüht sind, die Teilprivatisierung unseres Unternehmens durch Aktienausgabe im Herbst dieses Jahres vorzubereiten. Es erübrigt sich zu betonen, daß durch ein derartiges nicht zu verantwortendes Verhalten des ORF unsere Bemühungen bzw. ein erfolgreicher Absatz unserer Aktien - der Erlös aus der Aktienausgabe wird zur Gänze der Republik Österreich zugutekommen - schwerstens gefährdet erscheinen, weil die künftigen Aktionäre unsere Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen könnten. Ist eine entsprechende Aktienplazierung aber nicht möglich, bedeutet dies einen Einnahmeverlust für die Republik, unter Umständen in Milliardenhöhe. . . "

1.2.2. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes wies diese Beschwerde mit Bescheid vom 2. Mai 1988, Z437/4-RFK/88, als unzulässig zurück.

Begründend hieß es ua.:

" . . . Bei der Prüfung der Antragslegitimation der Beschwerdeführerin, die mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §27 Abs1 Z1 litb RFG nach §27 Abs1 Z1 lita RFG zu

erfolgen hat, ist davon auszugehen, daß es für die Berechtigung zur Antragstellung nach dieser Gesetzesstelle genügt, daß sich aus dem Beschwerdevorbringen die Möglichkeit ergibt, die behauptete Verletzung des RFG wirke sich auf das Vermögen oder auf sonstige davon verschiedene Interessen der Beschwerdeführerin nachteilig aus (vgl. RfR 1980, 57; 1987, 8; 1987, 40 ua.). Es muß sich dabei aber um die Behauptung einer unmittelbaren Schädigung handeln; eine solche Schädigung liegt dann nicht vor, wenn die angeblich verletzten Güter nicht vom Schutzbereich der übertretenen Norm geschützt sind (Koziol-Welser, Grundriß8 I 430 mwH).

Wie die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag an die Kommission selbst einräumt, wurde sie als Träger der bevorstehenden Aktienemission in der Sendung nicht namentlich genannt, da in dieser indifferenziert nur von der 'Elektrizitätswirtschaft', von 'Strommanagern' und 'Stromexperten' die Rede gewesen sei . . . Der dennoch gezogenen Schlußfolgerung, die Hörer der Konsumentensendung 'Help', welche nicht zu den künstlerischen, volksbildenden und staatspolitischen Sendungen zählt (Twaroch-Buchner, Rundfunkrecht in Österreich, RFG §2 E82), müßten den Inhalt der Sendung bei der Vielzahl von Landesgesellschaften, städtischen Unternehmungen, Sondergesellschaften, Kleinkraftwerken und Eigenversorgungsanlagen schon auf Grund der dargestellten Gesetzeslage auf die Beschwerdeführerin beziehen, ist entgegenzuhalten, daß diesen eine solche Gesetzeskenntnis nicht unterstellt werden kann (RfR 1977, 17). Schon daraus folgt, daß weder die Sendung selbst noch der davon angesprochene, von potentiellen Aktienkäufern verschiedene Adressatenkreis die Aktienemission der Beschwerdeführerin in irgendeiner Weise nachteilig beeinflussen könnte.

Dazu kommt, daß die beanstandete Sendung, die auch kein Wirtschaftsmagazin ist, in populärer und oberflächlicher Aufbereitung im wesentlichen das wiedergibt, was die Beschwerdeführerin selbst einräumt, nämlich die Schwierigkeit, langfristige Prognosen über den Stromverbrauch zu erstellen. So wurde unter anderem etwa darauf hingewiesen:

'Ganz allgemein scheinen die Stromexperten mit Voraussagen ihre liebe Not zu haben. Denn der gemeinsame Nenner fast aller ihrer Prognosen; sie erfüllen sich nicht.

. . . Im Jahr 1975 beispielsweise waren die Experten überzeugt, daß der Stromverbrauch bis 1985 jährlich um 6 % steigen wird. Aber diese Prognose war falsch.'

Dazu brachte die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor, sie habe sich nicht um 6 %, sondern nur um 4 % verschätzt. Ob sich die in der Sendung dargestellte Prognose überhaupt auf die Beschwerdeführerin bezog, ist aber dem Inhalt der Sendung nicht zu entnehmen.

Auch aus weiteren Passagen der Sendung ist kein Bezug zur Beschwerdeführerin herzustellen, wenn es etwa hieß:

'Dem vorhin erwähnten Tagungsprotokoll ist zu entnehmen, daß die E-Wirtschaft vor allem in den 70iger-Jahren die Entwicklung falsch einschätzte. Der Generaldirektor einer großen Landesgesellschaft empfahl aber damals den Strommanagern, gegenüber der Öffentlichkeit jede Andeutung zu vermeiden, falsch prognostiziert zu haben.'

Aus diesen und den übrigen Passagen der Sendung ist jedenfalls der in der Beschwerde herausgestellte Vorwurf der Unterstellung 'bewußt falscher' Stromverbrauchsprognosen nicht zu ersehen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß weder dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde noch ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor der Kommission - außer der bloßen Behauptung - ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, daß die Beschwerdeführerin selbst durch die behauptete - aber nicht festzustellende - Rechtsverletzung geschädigt sein könnte.

Aus diesen Gründen ist die Legitimation der Beschwerdeführerin nach §27 Abs1 Z1 lita RFG zu verneinen."

1.3.1. Dagegen ergriff die Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, und zwar mit der Behauptung, sie sei durch den angefochtenen Verwaltungsakt im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt worden. Zugleich wurde die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.

Zur Begründung wurde ua. wörtlich ausgeführt:

" . . . Wir sind eine auf Grund des 2. VerstaatlichungsG, BGBl. 81/1947 idF BGBl. 216/1948, 67/1962, 43/1964 und 321/1987 eingerichtete Aktiengesellschaft (§5 Abs1 leg.cit., Gesetzeszitate ohne Anführung eines Gesetzes beziehen sich in der Folge immer auf dieses Gesetz). Gemäß §5 Abs6 lita haben wir den gegenwärtigen und künftigen Strombedarf sowie die Stromerzeugung der Sondergesellschaften, Landesgesellschaften, städtischen Unternehmungen und Eigenversorgungsanlagen mit einer Nennleistung von mehr als 500 kW zu ermitteln und den Bau und Betrieb von Großkraftwerken samt dazugehörigen Leitungen durch bestehende oder zu errichtende Sondergesellschaften zu veranlassen (§6 Abs5 litd).

Gemäß §6 Abs5 lite haben die Sondergesellschaften mit Ausnahme der Vorarlberger Illwerke AG ihr Stromaufkommen prinzipiell zur Gänze in das Netz der Verbundgesellschaft einzuspeisen und hiefür von der Verbundgesellschaft vollen Kostenersatz zu erhalten.

Gemäß §4 Abs1 sind Großkraftwerke, die im wesentlichen nicht zur Erfüllung der Aufgaben der Landesgesellschaften bestimmt sind und nicht als Eigenversorgungsanlagen unter §1 Abs2 litb fallen, . . . an Sondergesellschaften zu übertragen. §4 Abs4 sieht vor, daß bestimmte (im Jahr 1947 schon bestehende oder in Angriff genommene) Großkraftwerke an je eine Sondergesellschaft zu übertragen sind, wobei in litc das Kraftwerk Ybbs-Persenbeug an der Donau für eine Sondergesellschaft vorgesehen ist. Im Zuge des Ausbaus der Donau kam es zur Errichtung zahlreicher Großkraftwerke, wobei nach der alten Rechtslage mit der treuhändigen Verwaltung der Anteile an dieser Sondergesellschaft, die zur überwiegenden Mehrheit im Eigentum des Bundes standen, wir betraut waren und §4 Abs2 ausdrücklich bestimmt, daß von den Anteilsrechten an den in der Anlage 1 genannten Gesellschaften mindestens 51 % im Eigentum des Bundes oder der Verbundgesellschaft stehen müssen. Zu diesen Gesellschaften gehören auch die ausdrücklich im Gesetz genannten Österreichischen Donaukraftwerke Aktiengesellschaft, Wien, die, wie der Name sagt, mit dem Bau (Betrieb) von Großkraftwerken an der Donau zur Nutzung der hydraulischen Kraft bestimmt sind und wir auf Grund des ArtII des B-VG, BGBl. 321/1987, diese Anteilsrechte an der erwähnten Donaukraftwerke AG erhoben (gemeint wohl: erworben) haben...

Nach §27 Abs1 Z1 lita RFG hat die Kommission über Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu erkennen, wobei innerhalb von vier Wochen, gerechnet vom Zeitpunkt des Einlangens, die Entscheidung zu treffen ist (§29 Abs3 RFG). Bei der Auslegung der Bestimmung der zitierten Gesetzesstelle ist davon auszugehen, daß nicht nur Vermögensrechte, sondern auch ideelle Interessen zur Beschwerdeführung legitimierend nach §27 Abs1 Z1 lita sind. Dies hängt damit zusammen, daß zwar eine weitgehende Ähnlichkeit zwischen dem Art131 Abs1 Z1 B-VG und dem §27 Abs1 Z1 lita RFG gegeben ist. Während für eine VwGH-Beschwerde Voraussetzung ist, daß ein Bescheid jemanden in seinen Rechten verletzt, ist hier lediglich eine unmittelbare Schädigung (auch nicht materieller Interessen) vorausgesetzt. Nur auf diese Weise kann nämlich vermieden werden, daß §27 RFG einen Eingriff in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (§1 JN iVm §1330 ABGB) darstellt und damit eine Kompetenzkonkurrenz zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden schaffen würde, was jedenfalls die Verfassungswidrigkeit des §27 Abs1 Z1 lita RFG nach sich ziehen müßte, da Aufgaben der Vollziehung vom einfachen Gesetzgeber unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Schranken (Art6 EMRK) eindeutig entweder einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde zugewiesen werden müssen (VfSlg. 8349/1978). Würde sich §27 Abs1 Z1 lita RFG nur auf Fälle beziehen, in denen jemand eine Vermögensschädigung erleidet, so würde jedenfalls die Zuständigkeit des Gerichtes in den Fällen des §1330 Abs2 ABGB (Schädigung des Kredits, des Erwerbs und des Fortkommens eines anderen, wenn nur Veröffentlichungswiderruf verlangt werden kann) die Zuständigkeit der Kommission decken, denn auch dort besteht das Verfahrensziel in der Veröffentlichung der Entscheidung, wobei der, der die Behauptung aufgestellt hat (nämlich der ORF), auch zur Wiedergabe der Entscheidung und damit zum Widerruf und zur Veröffentlichung verpflichtet ist (§29 Abs4 RFG). Es ist daher die eigentliche Bedeutung - hier wird Wittmann, Rundfunkfreiheit 1981, 125, zu folgen sein - des Beschwerderechts in den Fällen ideeller Schädigung zu erblicken.

    Der Begriff des Schadens iSd §27 Abs1 Z1 lita RFG ist

daher um vieles weiter als der Begriff des entschädigungsfähigen

Schadens des ABGB. Er umfaßt auch Interessensverletzungen, die über

den Kreis der in §1330 Abs2 ABGB genannten Rechtsgüter

hinausgehen . . . Die Möglichkeit einer solchen Schädigung reicht

für die Beschwerdelegitimation vor der Rundfunkkommission aus, weil

über die Verletzung des RFG und damit die notwendige

Rechtswidrigkeit einer Schädigung nur dann erkannt werden kann,

wenn meritorisch entschieden wird (ähnlich Art131 Abs1 Z1 B-VG

. . . ). Es ist daher verfehlt, wenn sinngemäß die belangte Behörde

unsere Legitimation deswegen verneint, weil das Publikum uns nicht mit den in der Sendung erwähnten Prognosen in Verbindung setze und andererseits dies damit begründet, daß eine Schädigung unsererseits bei einer vorzunehmenden Aktienemission nicht eintreten könne. Allein die ideellen Interessen unserer Gesellschaft würden bereits dadurch verletzt, daß die Hörer der Sendung 'Help' davon ausgingen, daß wir falsche Stromverbrauchsprognosen erstellen. Eines Rückgriffs auf die geplante Aktienemission bedarf es daher gar nicht, wenngleich selbstverständlich potentielle Käufer der von uns zu emittierenden Aktien durch die Annahme, wir würden zu hohe Stromverbrauchsprognosen erstellen, davon abgehalten würden, derartige Aktien zu kaufen, weil er (gemeint: sie) daraus auf eine mangelhafte kaufmännische Planung schließen müßte(n), insbesondere auf eine übermäßige Investitionstätigkeit, der kein entsprechender Absatz gegenübersteht.

    Der Zusammenhang zwischen uns und der in der Sendung 'Help'

angesprochenen 'Elektrizitätswirtschaft' wird aber dadurch

klargemacht, daß sowohl die Ereignisse rund um die Volksabstimmung

in der Angelegenheit des Gemeinschaftskraftwerks Tullnerfeld

(besser bekannt unter dem Namen Zwentendorf) bzw. um den

Donauausbau, 'Hainburg', mit uns in Verbindung gebracht werden und

andererseits der Text der Sendung selbst auf diese Ereignisse

Zwentendorf und Donauausbau hinweist. Diese Verbindung zwischen uns

und dem Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld bestand deswegen, weil

es von einer Gesellschaft gebaut werden sollte, an der zu 50 % der

Geschäfts(an)teile wir Gesellschafter waren und daß der Donauausbau

durch die schon mehrfach erwähnte Donaukraftwerke AG zu erfolgen

hat, wobei es sich dabei um eine Gesellschaft handelt, an der wir

zu mehr als 90 % Aktionär sind, die also zu unserem Konzern (§15

AktienG) gehört . . .

    Es ist . . . offenkundig, daß die Öffentlichkeit mit dem Ausbau

der Elektrizitätsversorgung in Österreich, insbesondere mit dem Donauausbau, unsere Gesellschaft in Beziehung setzt. Dies gilt auch für die Erarbeitung der betriebs- und volkswirtschaftlich wesentlichen Grundlagen für einen solchen Ausbau, also ua. um den zu erwartenden Zuwachs im österreichischen Stromverbrauch.

Die Auffassung des angefochtenen Bescheides, das Publikum verbinde mit Stromverbrauchsprognosen nicht uns, sondern allenfalls andere Elektrizitätsversorgungsunternehmen, ja sogar Eigenversorgungsanlagen, ist schon deswegen abwegig, weil solche Elektrizitätsversorgungsunternehmen nur maximal landesweite Bedeutung haben und sich nur um regionale, nicht um österreichische Bedarfssteigerungen zu sorgen haben. Bedarfserwartungen auf gesamtösterreichischer Ebene sind für die genannten Elektrizitätsversorgungsunternehmen - was auch wirtschaftlich Mindergebildete sofort erkennen - relativ bedeutungslos und werden von ihnen auch nicht errechnet. Da die Sendung 'Help' nicht eine Sendung des Regionalprogramms des ORF ist, sondern eine bundesweite Sendung, ist mit der Behauptung, es würden falsche Stromverbrauchszuwachsprognosen erstellt, klargelegt, daß es sich nur um derartige Prognosen für das Gebiet der gesamten Republik Österreich handeln kann. Damit ist auch für den Teil des Publikums, der unseren Gesetzesauftrag, Stromverbrauchsprognosen zu erstellen, nicht kennt, klar, daß nur wir Ersteller für solche Stromverbrauchsprognosen sind und daß wir mit dem Vorwurf, falsche Prognosen zu erstellen, gemeint sein müssen. . . "

1.3.2. Die belangte Kommission legte die Administrativakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

1.3.3. Hingegen brachten für die Sendung (mit-)verantwortliche Mitarbeiter des ORF, und zwar der Hörfunkintendant E G, der Hauptabteilungsleiter für Gesellschaft, Jugend und Familie H G und der Redakteur H V, als Mitbeteiligte des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine - gemeinsam abgefaßte - Gegenschrift ein, in der sie für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintraten.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 Rundfunkgesetz, BGBl. 379/1984, (RFG) nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also ausgeschöpft (vgl. zB VfGH 11.10.1986 B193/86, 26.2.1987 B474/86, 10.12.1987 B446/87, 9.6.1988 B392/87).

2.1.2. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde zulässig.

2.2.1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verletzt ein Bescheid das - von der beschwerdeführenden Gesellschaft allein relevierte - verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. dann, wenn die bescheiderlassende Verwaltungsbehörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert (VfGH 25.2.1988 B1022/87 uva.).

Der Verfassungsgerichtshof hat hier folglich zu prüfen, ob die von der Verbundgesellschaft bekämpfte Zurückweisung ihrer Beschwerde als unzulässig dem Gesetz entsprach.

2.2.2.1. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes entscheidet gemäß §27 Abs1 Z1 lita RFG "über die Verletzung

von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes . . . auf Grund von

Beschwerden . . . einer Person, die durch eine Rechtsverletzung

unmittelbar geschädigt zu sein behauptet" (soweit für diese Entscheidung nicht eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist). Als Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde (einer natürlichen oder juristischen Person) fordert das RFG demnach (nur) die Behauptung einer entsprechenden Rechtsverletzung (vgl. Art131 Abs1 Z1, 144 Abs1 B-VG), einer Verletzung, die freilich nicht von vornherein ausgeschlossen sein darf, vielmehr den Umständen nach zumindest im Bereich der Möglichkeit liegen muß, um die Beschwerdelegitimation zu begründen (vgl. zB Dolp-Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., Wien 1987, S 44, FN 4 (zu §34 Abs1 VwGG iVm Art131 Abs1 Z1 B-VG); VfSlg. 5038/1965, 6716/1972 (zu Art144 Abs1 B-VG)). Als zusätzliches Erfordernis tritt hinzu, daß die behauptete Rechtsverletzung von bestimmter Beschaffenheit zu sein hat: Sie muß den Beschwerdeführer - nach seinen Beschwerdebehauptungen - "unmittelbar", dh. (ihn) selbst "schädigen". Dabei ist eine derartige "Schädigung" in der Bedeutung des §27 Abs1 Z1 lita RFG nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf den Kreis der in §1330 Abs2 ABGB umschriebenen Rechtsgüter beschränkt (zu §1330 ABGB s. ua. Wolff, in: Klang (Hrsg.), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., Bd. 6, S 161); sie kann (auch) bloß immaterieller Natur sein, wie die beschwerdeführende Gesellschaft rechtsrichtig darlegt.

Erfüllt eine Beschwerde nach §27 Abs1 Z1 lita RFG diese Kriterien, ist sie also zulässig, dann kann die Entscheidung der Kommission nur in der Feststellung (materieller Art) bestehen, ob und - bejahendenfalls - durch welchen Sachverhalt eine Vorschrift des RFG verletzt wurde.

2.2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag der belangten Behörde nicht beizupflichten, wenn sie der Auffassung anhängt, daß es hier an den Zulässigkeitsbedingungen des §27 Abs1 Z1 lita RFG fehle. Daß die beschwerdeführende Gesellschaft in der streitverfangenen (Rundfunk-)Sendung nicht namentlich genannt wurde, bleibt - entgegen der Meinung der Kommission - völlig unerheblich, weil es sich nicht bestreiten läßt, daß breite Teile der Öffentlichkeit die in der Sendung angesprochene "Elektrizitätswirtschaft" weithin mit der Verbundgesellschaft gleichsetzen, die wieder kraft §5 Abs6 lita des 2. VerstaatlichungsG, BGBl. 81/1947, igF ua. den gegenwärtigen und künftigen Strombedarf zu ermitteln hat. Der inkriminierte sinngemäße Vorwurf, immer wieder unrichtige - nämlich stets überhöhte - (Strom-)Verbrauchsprognosen zu liefern, was - im Zusammenhang mit dem gesamten Text der Sendung verstanden und gedeutet - assoziativ und naheliegenderweise an gezielt falsche Vorhersagen denken lasse, konnte daher nach Lage der Verhältnisse gerade die Beschwerdeführerin, und zwar unmittelbar, treffen und (so auch im Hinblick auf eine damals schon geplante Aktienemission) in geschützten Interessen verletzen.

2.2.3. Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde, die (Zulässigkeits-)Voraussetzungen des §27 Abs1 Z1 lita RFG zu Unrecht verneinend, der beschwerdeführenden Gesellschaft gesetzwidrig eine Sachentscheidung verweigerte, indem sie die Beschwerde - ohne sie einer sachlichen Prüfung zu unterziehen - als unzulässig abtat.

Dadurch wurde die Beschwerdeführerin, wie sie zutreffend rügt, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der angefochtene Bescheid war darum als verfassungswidrig aufzuheben.

2.3. Der Kostenausspruch stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 1.000 S enthalten.

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Rundfunk, Schadenersatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1414.1988

Dokumentnummer

JFT_10109773_88B01414_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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