TE Vfgh Beschluss 1989/2/27 B1327/88

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Veröffentlicht am 27.02.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
VfGG §15 Abs2
VfGG §19 Abs3 Z2 lita
VfGG §88

Leitsatz

Unklare Bezeichnung des als Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt bekämpften Verwaltungshandelns; keine selbständige Festlegung von Gegenstand und Umfang der Anfechtung durch den VfGH; Unzulässigkeit der Beschwerde

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

1. Der Beschwerdeführer legt in einer umfangreichen Sachverhaltsschilderung dar, daß er sich in der Nacht vom 6. auf den 7. Juni 1988 gemeinsam mit Freunden und Berufskollegen in der Wohnung eines E W aufgehalten habe, um die Eröffnung einer Ausstellung zu feiern. Dabei sei auch "mit üblicher Lautstärke Musik gehört" worden, was dazu geführt habe, daß auf Grund der Beschwerde eines Hausgenossen eine Funkstreife zweimal interveniert habe. Beim zweiten Einschreiten der Funkstreife habe der Beschwerdeführer die Beamten um Vorweisung eines allfälligen Hausdurchsuchungsbefehles und um deren Dienstnummern gebeten. Er sei hierauf von einem Beamten an der Schulter gepackt und zu Boden gestoßen worden. Als er sich wieder "aufgerappelt" habe und erneut nach der Dienstnummer fragte, sei er von zwei Beamten bei den Haaren gerissen und zu Boden gezerrt worden. Als er versucht habe, wieder aufzustehen, sei er zu Boden gedrückt und seien ihm Handschellen angelegt worden. Eine vorausgehende Abmahnung habe nicht stattgefunden. Er sei sodann mit am Rücken gefesselten Händen unter ständigem Stoßen aus dem Haus und in weiterer Folge in die Bundespolizeidirektion Linz befördert worden. Obwohl er weder alkoholisiert noch aggressiv gewesen sei, habe dort der ihn vernehmende Journalbeamte abgelehnt, seine Handschellen zu lokkern. Um 4.30 Uhr sei er in eine Zelle gesperrt und zwischen 8.00 und 10.00 Uhr von anderen Beamten vernommen worden, bis er schließlich um 14.30 Uhr enthaftet worden sei. Er habe nachfolgend das Allgemeine Krankenhaus der Landeshauptstadt Linz aufgesucht, wo man festgestellt habe, daß "aufgrund des engen Schlusses der Handschellen und der langen Dauer Fesselschwellungen aufgetreten" seien und daß er bei der Fesselung Hautabschürfungen am linken Ellenbogen erlitten habe. Der Beschwerdeführer erachte sich "aufgrund der Vorgangsweise der Beamten der belangten Behörde in seinem Recht auf persönliche Freiheit und auf Unversehrtheit beschwert".

Weder seine Festnahme unter Fesselung am 7. Juni 1988 um

3.45 Uhr noch seine weitere Verwahrung bis 14.30 Uhr seien gerechtfertigt. Er stelle daher den Antrag, der Verfassungsgerichtshof "wolle in Entsprechung, daß der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und auf Unversehrtheit verletzt worden ist, die Verfassungswidrigkeit der Ausübung der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt feststellen".

Hilfsweise wird die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Die Beschwerde ist zurückzuweisen, weil sie nicht den strengen Formerfordernissen des §15 Abs2 VerfGG genügt, wie folgende Erwägungen zeigen:

Nach §15 Abs2 VerfGG hat die Beschwerdeschrift (der "Antrag") ua. ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Fehlt ein solches Begehren, leidet die Beschwerde an einem inhaltlichen Mangel, der einer Verbesserung nach §18 VerfGG nicht zugänglich ist. Sie ist in einem solchen Falle als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 8733/1980, 9798/1983, 10174/1984, 10665/1985, 10766/1986, 11475/1987; VfGH 28.11.1988 B1621/88).

Der vorliegenden Beschwerde (nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG) haftet ein derartiger Inhaltsmangel an.

In der Beschwerdeschrift (S 5 f) wird zwar die Feststellung beantragt, "daß der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und Unversehrtheit verletzt worden ist", dies jedoch, ohne die in Beschwerde gezogenen Verwaltungsakte in irgendeiner Weise zu konkretisieren. In diesem abschließenden Antrag ist keine (bei einer Beschwerde nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG an die Stelle der Angabe des mit Beschwerde nach Art144 Abs1 Satz 1 B-VG bekämpften Bescheides tretende) klare und unmißverständliche Bezugnahme auf jene konkrete Verwaltungshandlung zu ersehen, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer die Feststellung der "Verfassungswidrigkeit der Ausübung der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt" begehrt.

Gegenstand und Umfang der Anfechtung sind somit weder ausreichend deutlich und bestimmt angegeben noch unmißverständlich umschrieben. Sie könnten nur aus der in der Beschwerdeschrift enthaltenen umfangreichen Sachverhaltsschilderung herausgelesen werden; doch ist der Verfassungsgerichtshof zur selbständigen Festlegung dieser Beschwerdeteile (nach den mutmaßlichen Vorstellungen des Beschwerdeführers (vgl. VfSlg. 11475/1987; VfGH 28.11.1988 B1621/88; s. auch VfGH 3.12.1986 G132/86)) nicht berufen.

Die aufgezeigte, dem Antrag anhaftende Undeutlichkeit gewinnt an Gewicht, wenn bedacht wird, daß der Beschwerdeführer am Ende seiner Sachverhaltsschilderung, in der mehrfach Akte der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt behauptet werden, vage von einer "Vorgangsweise der Beamten" spricht, durch die er sich in seinem Recht auf persönliche Freiheit und Unversehrtheit beschwert erachte, ohne Verfassungsbestimmungen zu nennen, gegen die die Beamten verstoßen hätten. Daher bleibt insbesondere auch unklar, ob er die persönlichen Angriffe als menschenunwürdige Behandlung nach Art3 MRK oder als Willkürakt nach Art7 Abs1 B-VG und allenfalls alle Akte oder nur einen Teil derselben als Eingriffe in seine persönliche Freiheit gemäß Art8 StGG bekämpft.

Bei dieser Unklarheit mußte die Beschwerde angesichts der dargestellten Rechtslage als unzulässig zurückgewiesen werden.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG: Die von der belangten Behörde begehrten Verfahrenskosten waren nicht zuzusprechen, weil nach Lage des Falles die Betrauung der Finanzprokuratur mit der Vertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war (VfGH 25.2.1988 B730/87).

5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

6. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine Abtretung der Beschwerde nur im Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder einer Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1327.1988

Dokumentnummer

JFT_10109773_88B01327_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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