TE Vwgh Erkenntnis 1991/9/30 91/19/0159

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Veröffentlicht am 30.09.1991
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Index

20/05 Wohnrecht Mietrecht;

Norm

MietenG §19 Abs2 Z4a;
MRG §30 Abs2 Z15;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. März 1991, Zl. MD-VfR-R 23/90, betreffend Interessenbescheinigung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 des Mietrechtsgesetzes (mitbeteiligte Partei:

Stadt Wien, Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 1991 (Spruchpunkt I) wurde über Antrag der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 des Mietrechtsgesetzes - MRG (BGBl. Nr. 520/1981, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 68/1991) festgestellt, daß der geplante Neubau des Umspannwerkes "Alsergrund" im Keller- sowie im Erdgeschoß des zu errichtenden Neubaues auf der Liegenschaft EZ nn1 des Grundbuches der KG Alsergrund (Wien IX, X-Gasse n1) im öffentlichen Interesse liegt (Spruchpunkt II betrifft die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben gegenüber der mitbeteiligten Partei).

In der Begründung wurde zu Spruchpunkt I im wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei beabsichtige, das in ihrem Eigentum stehende Haus Wien IX, X-Gasse n1, abzutragen und an dessen Stelle einen Neubau zu errichten, in dessen Keller- und Erdgeschoß das neue Umspannwerk Alsergrund untergebracht werden solle. An der Erhaltung des derzeit bestehenden Althauses gebe es nach einem Bescheid des Bundesdenkmalamtes kein öffentliches Interesse. Nach dem von der Behörde erster Instanz eingeholten wissenschaftlichen Gutachten des Univ. Prof. Dr. St. entspreche das (derzeitige) Umspannwerk Alsergrund im Direktionsgebäude der Wiener Stadtwerke - Elektrizitätswerke in seiner derzeitigen Ausführung nicht mehr dem Stand der Technik und den betriebs- sowie sicherheitstechnischen Anforderungen. Eine Sanierung bzw. ein Umbau in den bestehenden Räumen sei wegen der räumlichen Beengtheit nicht möglich, abgesehen davon, daß es dabei zu kaum beherrschbaren betrieblichen Schwierigkeiten in der Versorgung käme. Nach Ansicht dieses Sachverständigen bleibe nur die Übersiedlung an eine andere Stelle als einzig sinnvolle und zweckmäßige Lösung übrig und es biete sich vor allem aus Gründen der Kabelführung und Nähe der Bereich X-Gasse n1 an. Im Hinblick auf die Bedeutung des Umspannwerkes für die Versorgung von elf Straßenbahnlinien im Bereich Schottenring - Währinger Straße - Gürtel - Josefstädter Straße und die Unmöglichkeit einer Sanierung durch Umbau ohne Verminderung der Versorgungszuverlässigkeit dieser Linien sehe die Behörde auch unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers an der Erhaltung seines Wohnobjektes, für dessen Verlust ihm Ersatz zu beschaffen sein werde, den Neubau des Umspannwerkes auf dem Areal X-Gasse n1 als im öffentlichen Interesse gelegen an. Wie die Magistratsabteilung 19 (gemeint:

der Amtssachverständige dieser Magistratsabteilung für Stadtgestaltung) in der Stellungnahme vom 18. Februar 1991 mitgeteilt habe, sei durch das Projekt keine Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes zu erwarten. Gründe, die gegen die Annahme eines öffentlichen Interesses sprechen würden und bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen gewesen wären, lägen daher nicht vor. Die Prüfung der baurechtlichen und finanziellen Sicherstellung des geplanten Neubaues sowie des Vorhandenseins einer tatsächlichen Bauabsicht falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsbehörde, sondern in jenen der Zivilgerichte, die über eine allfällige Kündigung bestehender Mietverhältnisse zu entscheiden haben würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Mieter eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in welchen sie jeweils die Abweisung der Beschwerde beantragt haben.

In der Gegenschrift verweist die belangte Behörde auf ihren Bescheid vom 19. August 1991, mit welchem sie gemäß § 62 Abs. 4 AVG den angefochtenen Bescheid vom 27. März 1991 in seinem "Kopf" dahin berichtigte, daß anstelle der Worte "im selbständigen Wirkungsbereich des Landes" die Worte "in mittelbarer Bundesverwaltung" zu treten hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 30 Abs. 1 MRG kann der Vermieter nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen. Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 leg. cit. ist es als wichtiger Grund insbesondere anzusehen, wenn ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Zubau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die Errichtung des geplanten Umspannwerkes an sich im öffentlichen Interesse liegt. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist unter Bedachtnahme auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 23. Oktober 1985, Zl. 84/01/0378) derselben Ansicht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hatte die belangte Behörde allerdings - da konkrete, zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen des Beschwerdeführers nicht behauptet wurden - ausschließlich zu prüfen, ob der geplante Neubau der mitbeteiligten Partei im öffentlichen Interesse liegt, nicht aber, ob eine "Ersatzmöglichkeit" dem öffentlichen Interesse auch oder noch mehr entsprechen würde (vgl. auch in diesem Zusammenhang das soeben zitierte hg. Erkenntnis). Daß in dem geplanten Gebäude auch einer anderen Verwendung zuzuführende Räume, wie etwa Büroräume untergebracht werden sollen, stellte

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entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - kein rechtliches Hindernis für die Erlassung des angefochtenen Bescheides dar, wird doch dadurch das an sich gegebene öffentliche Interesse an der Errichtung des geplanten Neubaues nicht beseitigt.

Es ist richtig, daß der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1973, Slg. Nr. 8465/A) zu der insoweit vergleichbaren Regelung des § 19 Abs. 2 Z. 4a Mietengesetz die Ansicht vertreten hat, daß bei der in Rede stehenden Entscheidung eine Abwägung der öffentlichen Interessen, die für den Abbruch des Objektes und derjenigen, die dagegen sprechen, vorzunehmen ist, wobei auch eine allfällige Beeinträchtigung des Stadtbildes durch den beabsichtigten Bau zu berücksichtigen ist. Allerdings ist für den Beschwerdeführer damit schon deshalb nichts gewonnen, weil sich die belangte Behörde in dieser Hinsicht auf das von ihr zitierte Gutachten des Amtssachverständigen vom 18. Februar 1991 stützen konnte, aus welchem hervorgeht, daß eine Beeinträchtigung des örtlichen Stadtbildes nicht zu erwarten sei. Zu diesem Ergebnis kam dieser Amtssachverständige "nach eingehender Prüfung des Projektes", wobei ihm der Akt samt den entsprechenden Planunterlagen zur Verfügung stand. Einer Ergänzung dieses

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durchaus nicht unschlüssigen - Gutachtens bedurfte es daher

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entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht.

Soweit der Beschwerdeführer im übrigen die "Erhaltung von Grünflächen" ins Treffen führt, verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend darauf, daß es sich dabei um eine geringfügige Fläche handelt, die der Allgemeinheit gar nicht zur Verfügung gestanden ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 8. März 1973, Slg. Nr. 8379/A) umfaßt die der Verwaltungsbehörde zukommende Entscheidungsbefugnis in Hinsicht auf eine Interessenbescheinigung nicht auch die Zuständigkeit, darüber zu befinden, ob der geplante Neubau (Umbau) auch in finanzieller Hinsicht sichergestellt ist. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stand der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Einwand, das Projekt sei nicht "wirtschaftlich" im Sinne der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel, schon deshalb nicht entgegen, weil es sich dabei um eine durch nichts substantiierte bloße Behauptung des Beschwerdeführers handelt.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei an Ersatz von Stempelgebühren war im Hinblick auf § 2 Gebührengesetz 1957 abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190159.X00

Im RIS seit

30.09.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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