TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/4 91/18/0159

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Veröffentlicht am 04.10.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §134 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs4;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a lita;
VVG §10 Abs2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Leopold S in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1991, Zl. MA 70-10/146/91/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Juli 1990 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) die Lenkerberechtigung für die Gruppe B vorübergehend für die Dauer von zehn Monaten ab Zustellung des Bescheides entzogen. Zugleich wurde er unter Bezugnahme auf § 75 Abs. 4 KFG aufgefordert, den Führerschein binnen drei Tagen nach Erhalt dieses Bescheides abzuliefern. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid rechtzeitig Vorstellung, die am 16. Juli 1990 bei der erstinstanzlichen Behörde einlangte. Mit Schreiben vom 27. Juli 1990 ersuchte diese Behörde das Bezirkspolizeikommissariat Favoriten um Bekanntgabe der den Beschwerdeführer betreffenden Vormerkungen. Mit Schreiben vom 31. August 1990 drohte die Erstbehörde dem Beschwerdeführer die Verhängung einer Zwangsstrafe in der Höhe von S 1.000,-- an, falls er seiner Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines nicht binnen drei Tagen nachkomme. Sodann ging die Erstbehörde mit der Verhängung dieser angedrohten Zwangsstrafe vor; ihr Bescheid wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Oktober 1990 bestätigt. Die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof blieb erfolglos (hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 91/11/0014). Aus den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ergibt sich, daß die oben genannte Erstbehörde nach Einlangen der Vorstellung des Beschwerdeführers ihr Ermittlungsverfahren rechtzeitig im Sinne des § 57 Abs. 3 AVG eingeleitet hatte.

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1991 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe seinen nach Zahl, Ausstellungsdatum und Ausstellungsbehörde bestimmten Führerschein für die Gruppe B trotz Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides vom 2. Juli 1990 nicht unverzüglich der Behörde abgeliefert. Er habe hiedurch eine Übertretung nach § 75 Abs. 4 KFG begangen; es wurde eine Geld- und eine Ersatzarreststrafe verhängt. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Mandatsbescheid betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung habe gemäß § 57 Abs. 2, Satz 2 AVG keine aufschiebende Wirkung gehabt. Bei aufrechtem Bestand des Entziehungsbescheides und des Befehles, den Führerschein binnen drei Tagen bei der Behörde abzugeben, habe der Beschwerdeführer durch die Unterlassung der Ablieferung des Führerscheines den Tatbestand nach § 75 Abs. 4 KFG verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen hat:

Gemäß § 75 Abs. 4 KFG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkerberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.

Die Verletzung dieses Gebotes stellt einen nach § 134 Abs. 1 KFG zu ahndenden Straftatbestand dar (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1975, Slg. Nr. 7682). Die Verfolgung dieser strafbaren Handlung und der behördliche Versuch, die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen, sind zwei verschiedene Formen des Verwaltungszwanges, so daß der Einwand des Beschwerdeführers, seine Bestrafung verstoße gegen den Grundsatz "keine zweimalige Bestrafung wegen derselben Tat", sich als unberechtigt erweist.

Daß die Entziehungs- und Ablieferungsanordnung vom 2. Juli 1990 nicht gemäß § 57 Abs. 3 AVG außer Kraft trat, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem oben zitierten Erkenntnis vom 18. Juni 1991 bindend ausgesprochen.

Der Tatbestand der Nichtablieferung des Führerscheins stellt ein Dauerdelikt dar, welches dem Beschwerdeführer für die Tatzeit vom Juli 1990 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 29. November 1990 vorgeworfen wurde. Die sechsmonatige Verjährungsfrist war daher auch zur Zeit der Erlassung des Berufungsbescheides (Zustellung am 12. April 1991) nicht abgelaufen, so daß es der Berufungsbehörde ohne Verstoß gegen die Verjährungsbestimmungen freistand, ihrem Schuldspruch eine vom Wortlaut des erstinstanzlichen Schuldspruches abweichende Fassung zu geben. Eine Auswechslung der Tat lag hiedurch nicht vor.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer behaupteten "Unmöglichkeit, dem seinerzeitigen Behördenauftrag Folge zu leisten" - hiemit wird offenbar auf die Diebstahlsanzeige hinsichtlich des Führerscheins vom 22. November 1990 verwiesen - kann auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Bescheides, Seite 3 oben seiner Begründung, hingewiesen werden. Demnach hat der Beschwerdeführer den ihm vorgeworfenen Sachverhalt jedenfalls in der Zeit vom Juli 1990 bis zu dem im November 1990 gemeldeten angeblichen Diebstahl des Führerscheins verwirklicht.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180159.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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