TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/4 91/18/0039

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Veröffentlicht am 04.10.1991
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Index

25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §105;
StVG §20 Abs1;
StVG §20 Abs2;
StVG §98 Abs1;
StVG §98 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des NN in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 21. Dezember 1990, Zl. 407.981/18-V7/90, betreffend Strafvollzug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 1990, wies der Bundesminister für Justiz das Ansuchen des zur Zeit in der Strafvollzugsanstalt S eine mehr als dreijährige Freiheitsstrafe verbüßenden Beschwerdeführers vom 10. Mai 1990, nach Bedarf zu Projekts- bzw. Bauverhandlungen ausgeführt zu werden, gemäß § 98 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz 1969 idgF. (StVG) ab.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, § 98 Abs. 2 leg. cit. normiere strenge Voraussetzungen für die Genehmigung einer Ausführung; diese lägen jedoch nicht vor, da es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich und zumutbar wäre, einen Vertreter zu den angeführten Bauverhandlungen zu entsenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Behandlung nach dem StVG, insbesondere nach der Bestimmung des § 98 leg. cit., verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verfahrensakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde führt aus, daß ein Ermittlungsverfahren weder über die Möglichkeit noch über die Zumutbarkeit der Entsendung eines Vertreters zu den in Rede stehenden Projekts- bzw. Bauverhandlungen stattgefunden habe; der Beschwerdeführer habe bereits in seinem Antrag vom 10. Mai 1990 darauf hingewiesen, daß er persönlich die gesamte Vorbereitung des Pilot-Wohnprojektes in XY allein durchgeführt habe und der Abschluß der Verhandlungen für diese Projekte für seine wirtschaftliche und berufliche Zukunft von besonderer Bedeutung sei; bereits daraus ergebe sich, daß jede Vertretung des Beschwerdeführers untunlich sei; da die belangte Behörde sich mit diesem Vorbringen in keiner Weise auseinandergesetzt habe, sei der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Nach § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Nach § 60 AVG sind in der Bescheidbegründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Die Beschwerde führt zutreffend aus, daß die belangte Behörde nicht näher begründet hat, warum es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich und zumutbar wäre, einen Vertreter zu den angeführten Bauverhandlungen zu entsenden. Der angefochtene Bescheid ist daher mit einem Verfahrensmangel und zwar mit einem Begründungsmangel behaftet.

Dieser Verfahrensmangel verhilft der Beschwerde jedoch nur dann zum Erfolg, wenn er auch wesentlich ist (vgl. § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Eine derartige Relevanz liegt jedoch aus nachstehenden Gründen nicht vor:

Nach § 98 Abs. 1 StVG darf ein Strafgefangener ausgeführt werden, wenn eine inländische Behörde oder Sicherheitsdienststelle darum ersucht oder wenn dazu aus Vollzugs- oder anderen Verwaltungsgründen Veranlassung besteht.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist eine Ausführung, um die der Strafgefangene ersucht, bis zum Höchstausmaß von 24 Stunden zu gestatten, soweit zur Erledigung besonders wichtiger und unaufschiebbarer Angelegenheiten persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur die Anwesenheit des Strafgefangenen an einem Ort außerhalb der Anstalt dringend erforderlich und die Ausführung nach der Wesensart des Strafgefangenen, seinem Vorleben und seiner Aufführung während der Anhaltung unbedenklich und ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. Die durch eine solche Ausführung entstehenden Kosten hat der Strafgefangene zu tragen. Zur Bestreitung dieser Kosten darf er auch Gelder verwenden, die ihm sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen. In Ermangelung solcher Mittel sind die Kosten in berücksichtigungswürdigen Fällen vom Bund zu tragen.

Die im § 98 Abs. 2 leg. cit. geregelte Ausführung auf Ersuchen des Strafgefangenen normiert hiefür strenge subjektive und objektive Kriterien: Einerseits wird sie auf besonders wichtige und unaufschiebbare Angelegenheiten persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur des Strafgefangenen beschränkt; die persönliche Anwesenheit des Strafgefangenen außerhalb der Anstalt muß dringend erforderlich und die Ausführung unter Berücksichtigung der Wesensart des Strafgefangenen, seinem Vorleben und seiner Aufführung während der Anhaltung unbedenklich sein. Andererseits ist die Ausführung auf eine Maximalzeit von 24 Stunden beschränkt und muß die Ausführung ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich sein.

Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich weiters, daß jeder Ausführungsantrag individuell konkretisiert und entsprechend begründet sein muß, darüber hinaus aber auch so rechtzeitig zu stellen ist, daß die für die Ausführung erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen (vgl. § 105 StVG: Begleitung und Überwachung des Strafgefangenen während der Ausführung durch einen Strafvollzugsbediensteten) getroffen werden können (vgl. "ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt").

Im Gegenstand liegen diese Voraussetzungen jedoch nicht vor: Die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 10. Mai 1990 begehrte "Ausführung nach Bedarf" findet im Gesetz keine Deckung. Zutreffend weist bereits die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides darauf hin, daß zwar über eine begründete Ausführung im Einzelfall jeweils gesondert zu entscheiden sein werde; das jedoch nicht näher konkretisierte Ausführungsbegehren stehe bereits mit den im § 20 StVG normierten Grundsätzen des Freiheitsentzuges im Widerspruch:

Nach Abs. 1 leg. cit. soll der Vollzug der Freiheitsstrafen den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzeigen. Nach Abs. 2 leg. cit. sind die Strafgefangenen zur Erreichung dieser Zwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen nach Maßgabe der Bestimmungen des StVG und der darauf gegründeten Vorschriften von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen.

Aus diesen Grundsätzen des Strafvollzuges ergibt sich, daß Strafgefangene bestimmten Beschränkungen der Lebensführung, insbesondere dem damit verbundenen Abschluß von der Außenwelt unterworfen sind. Daraus folgt, daß ein generelles Ausführungsbegehren bereits mit diesen Grundsätzen unvereinbar ist. Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Berufung des Beschwerdeführers gegen die erstinstanzliche Ablehnung des Ausführungsbegehrens keine Folge gegeben hat.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180039.X00

Im RIS seit

04.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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