TE Vwgh Beschluss 1991/10/8 91/14/0194

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.1991
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs1 lita;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
FinStrG §169 Abs1;
FinStrG §169 Abs2;
FinStrG §65 Abs2;
FinStrG §85 Abs7;
FinStrG §87 Abs2 idF 1975/335;
FinStrG §89 Abs6 idF 1985/571;
FinStrG §89 Abs6;
FinStrG §93 Abs7;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr Hnatek und Dr Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr Cerne, in der Beschwerdesache des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) des Vorsitzenden des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 23. Juli 1991, Zl 1830-4/1991, betreffend Beschlagnahme von Unterlagen (mitbeteiligte Partei: Dr NN, Rechtsanwalt in B), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion (in der Folge: Präsident) steht in enumerativ vom Gesetzgeber bezeichneten Fällen das Recht der Amtsbeschwerde zur Durchsetzung der Rechtsordnung gegenüber rechtswidrigen Bescheiden von Verwaltungsorganen zu.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. November 1990, Zl 90/16/0056, ausgeführt hat, ist die Tätigkeit des Vorsitzenden eines bei einer Finanzlandesdirektion nach § 65 Abs 2 FinStrG errichteten Berufungssenates (in der Folge: Vorsitzende) bei Erlassung von Bescheiden Verwaltung und nicht Gerichtsbarkeit. Bescheide des Vorsitzenden unterliegen daher der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art 130 Abs 1 lit a B-VG.

Bei Angelegenheiten, die dem Vorsitzenden zur Entscheidung übertragen sind, handelt es sich nicht um solche, über die in oberster Instanz Entscheidungen Kollegialbehörden zustehen (Art 133 Z 4 B-VG). Die Bestimmung des § 169 Abs 1 FinStrG ist daher für die Beurteilung der Zulässigkeit von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gegen Bescheide des Vorsitzenden ohne Bedeutung. Das eben zitierte hg Erkenntnis vom 15. November 1990 sagt daher nichts darüber aus, ob der Vorsitzende hinsichtlich der Anfechtbarkeit seiner Entscheidungen vor dem Verwaltungsgerichtshof in jeder Richtung mit dem Berufungssenat gleichgestellt ist.

Gemäß § 169 Abs 2 FinStrG ist dem Präsidenten das Recht eingeräumt, gegen eine Entscheidung eines BERUFUNGSSENATES wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde nach Art 131 Abs 2 B-VG zu erheben. Geht man vom Wortlaut der Bestimmung des § 169 Abs 2 FinStrG aus, wird dem Präsidenten das Beschwerderecht NICHT gegen Entscheidungen des Vorsitzenden eingeräumt.

Es ist daher die Frage zu beantworten, ob ungeachtet des Wortlautes der Bestimmung des § 169 Abs 2 FinStrG dem Präsidenten auch das Recht eingeräumt ist, gegen Entscheidungen des Vorsitzenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit im Sinn des Art 131 Abs 2 B-VG zu erheben.

Bereits in der Stammfassung des Finanzstrafgesetzes (BGBl Nr 129/1958) gab es sowohl eine eigene Zuständigkeit des Vorsitzenden, Entscheidungen zu treffen (§ 87 Abs 3), die nicht dem Berufungssenat, sondern dem Vorsitzenden als Einzelorgan zuzurechnen waren und die nach Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG der Anfechtung vor dem Verwaltungsgerichtshof unterlagen, als auch die Amtsbeschwerde gegen Rechtsmittelentscheidungen der Berufungssenate (§ 169). Trotzdem war dem Präsidenten kein Beschwerderecht gegen Entscheidungen des Vorsitzenden eingeräumt. Auch als mit der Novelle des Finanzstrafgesetzes BGBl Nr 571/1985 die Kompetenzen des Vorsitzenden erweitert wurden (§ 85 Abs 7, § 89 Abs 6 und § 93 Abs 7), wurde dem Präsidenten nicht das Recht eingeräumt, gegen Entscheidungen des Vorsitzenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Gemäß Art 131 Abs 2 B-VG wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den in Abs 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind.

Da dem Gesetzgeber sowohl bei der Stammfassung des § 169 FinStrG als auch bei der Novelle des Jahres 1985 bewußt sein mußte, daß auch dem Vorsitzenden eigene Zuständigkeiten im Finanzstrafverfahren eingeräumt sind, kann nicht davon ausgegangen werden, mit § 169 Abs 2 FinStrG sei dem Präsidenten auch das Recht gemäß Art 131 Abs 2 B-VG zu Beschwerden gegen Entscheidungen des Vorsitzenden in den ihm durch § 85 Abs 7, § 87 Abs 2 (Stammfassung: 3), § 89 Abs 6 und § 93 Abs 7 FinStrG übertragenen Angelegenheiten eingeräumt worden.

Zu einer anderen Auslegung zwingt auch der Grundsatz verfassungskonformer Interpretation unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht. Die Angelegenheiten, die dem Vorsitzenden zur Entscheidung übertragen sind, sind nämlich hinsichtlich ihrer Bedeutung und Tragweite mit jenen nicht gleichwertig, die dem Berufungssenat zur Entscheidung zukommen. Der Gesetzgeber handelte daher nicht unsachlich, wenn er nur in den zuletzt genannten Angelegenheiten im Sinn des Art 131 Abs 2 B-VG dem Präsidenten das objektive Beschwerderecht einräumte.

Schließlich zwingt auch die Methode systematischer oder teleologischer Interpretation nicht dazu, unter Entscheidungen des Berufungssenates auch Entscheidungen des Vorsitzenden zu verstehen, die nicht dem Berufungssenat zuzurechnen sind.

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs 1 VwGG mit Beschluß als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Verwaltungsbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991140194.X00

Im RIS seit

08.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten