TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/9 90/13/0035

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Index

20/08 Urheberrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §21 Abs1;
EStG 1972 §38 Abs4;
UrhG §14;
UrhG §15;
UrhG §16;
UrhG §17;
UrhG §18;
UrhG §24 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. P in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederöstereich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom 27. Dezember 1989, GZ 6/3 - 3306/89, betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Universitäts-Dozent an der Universität Wien. Im Jahre 1986 erzielte er unter anderem Einkünfte aus der Erstellung von Gutachten. Während des Verfahrens zur Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1986 gab er auf entsprechende Aufforderung des Finanzamtes in einer Eingabe vom 15. Dezember 1988 bekannt, daß es sich bei den in der Abgabenerklärung angeführten Gutachten um von ihm verfaßte Rechtsgutachten zu schwierigen Zivilrechtsproblemen handle. Wenn diese Arbeiten auch über Auftrag verfaßt worden seien, so stellten sie - wie sonstige literarische Werke - doch ohne Zweifel urheberrechtlich geschützte Leistungen dar. Das jeweilige Honorar sei für die Übertragung der Verwertungsrechte in Rechnung gestellt worden. Auch Eigentum sei nicht übertragen worden. Alle Rechtsgutachten hätten den Zweck, einen mehr oder weniger großen Personenkreis zur Kenntnis gebracht, also verbreitet zu werden. Der Eingabe war die Kopie eines Begleitschreibens zu einem vom Beschwerdeführer erstatteten Gutachten angeschlossen. Darin wurde der Auftraggeber ersucht, das Originalgutachten, das im Eigentum des Beschwerdeführers bleibe, wieder zurückzustellen. Es werde dem Auftraggeber das Vervielfältigungsrecht eingeräumt. Er habe daher das Recht, Kopien in beliebiger Anzahl herzustellen und diese auch anderen Personen zugänglich zu machen bzw. zur Verfügung zu stellen.

Bei der Ermittlung der Einkommensteuer für 1986 wurde abweichend von der Abgabenerklärung der begünstigte Steuersatz im Sinn des § 38 Abs. 4 EStG 1972 für die Einkünfte aus der Gutachtertätigkeit nicht gewährt. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die gegen den Einkommensteuerbescheid 1986 erhobene Berufung. Der begehrten Anwendung des begünstigten Steuersatzes wurde mit der Begründung nicht entsprochen, daß die Gutachten in erster Linie für den Informationsbedarf des Auftraggebers erstellt worden seien. Der Werknutzung sei kein eigenes wirtschaftliches Gewicht beizumessen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972 ist § 37 Abs. 1 auch auf Einkünfte aus der Verwertung von selbst geschaffenen literarischen oder künstlerischen Urheberrechten anzuwenden, sofern diese Einkünfte als - im folgenden Satz des § 38 Abs. 4 umschriebene - Nebeneinkünfte erzielt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten nur dann vor, wenn der Urheber Einnahmen dafür erzielt, daß er entweder sein Urheberrecht selbst im Sinne der §§ 14 ff Urheberrechtsgesetz verwertet, oder einem Dritten eine solche Verwertung gestattet oder einräumt (Werknutzungsrecht, Werknutzungsbewilligung). Dies trifft dann zu, wenn das gesamte Entgelt oder ein bestimmt bezeichneter Teil davon für eine Verwertung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes bezahlt wird. Solche Verwertungsrechte sind nur das Vervielfältigungsrecht (§ 15 UrhG), das Verbreitungsrecht (§ 16 UrhG), das Senderecht (§ 17 UrhG) sowie das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführrecht (§ 18 UrhG; vgl. z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 1. Oktober 1985, Zl. 84/14/0006, Slg. Nr. 6034/F, und die Erkenntnisse vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/14/0117, und vom 29. März 1989, Zl. 85/13/0163).

§ 38 Abs. 4 EStG 1972 kommt, wie schon angedeutet, nicht nur dann zum Zug, wenn der Urheber das Urheberrecht selbst im Sinne der §§ 14 ff UrhG verwertet, sondern auch dann, wenn die Verwertung durch einen anderen stattfindet, weil der Urheber diesem eine Verwertung im Sinne der §§ 14 bis 18 UrhG wie in § 24 Abs. leg. cit. ausdrücklich vorgesehen gestattet oder einräumt (Werknutzungsbewilligung, Werknutzungsrecht); auch Einkünfte aus der "Fremdverwertung" des Urheberrechts entsprechen jedoch nur dann dem Tatbestand des § 38 Abs. 4 EStG 1972, wenn sie dem Urheber zufließen, weil er einem Dritten eine "Verwertung" (Werknutzung) im Sinn der §§ 14 ff UrhG gestattete oder einräumte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/14/0117).

Im Beschwerdefall wurden nun nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen Verwertungsrechte, nämlich ein - auf die Herstellung von Kopien beschränktes - Vervielfältigungsrecht und ein Verbreitungsrecht eingeräumt.

Eine solche ausdrückliche Vereinbarung, an einem Gutachten eine Werknutzung einzuräumen, bewirkt aber nur dann die Begünstigung des § 38 Abs. 4 EStG 1972, wenn für den Urheber aus der Nutzung nach den Verwertungsarten der §§ 14 bis 18 UrhG durch den Werknutzungsberechtigten überhaupt Einkünfte anfallen, er also überhaupt EINKÜNFTE AUS DER VERWERTUNG VON URHEBERRECHTEN erzielt. Es handelt sich hiebei um ein in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilendes Tatbestandsmerkmal. Es genügt daher nicht schon die (ausdrückliche) Vereinbarung einer Werknutzung und auch nicht die Vereinbarung eines Nutzungsentgelts, um Einkünften die Begünstigung des § 38 Abs. 4 EStG 1972 zu verschaffen. Es muß sich vielmehr nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt um Einkünfte handeln, die FÜR DIE VERWERTUNG (Werknutzung) des Urheberrechts zugeflossen sind - was derjenige offenzulegen hat, der die Begünstigung des § 38 Abs. 4 EStG 1972 in Anspruch nimmt. Wird beispielsweise ein Privatgutachten allein für den Informationsbedarf des Auftraggebers erstellt, so kommt § 38 Abs. 4 EStG 1972 auch dann nicht zum Zug, wenn das Entgelt dafür zu Einkünften aus der Verwertung eines literarischen Urheberrechts erklärt wird. Würde der Sachverständige das Gutachten dem Auftraggeber zwar für dessen eigene Zwecke erstellen, es aber auch im Selbstverlag oder durch einen Dritten im Fremdverlag der Öffentlichkeit zugänglich machen, wären nur die aus dem Verlag erzielten Einkünfte begünstigt, nicht aber auch das für das Gutachten als solches erzielte Entgelt. Sollte einem Verleger zunächst ein Gutachten für eigene Zwecke erstattet und es dann durch den Verleger auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so wäre das Entgelt, das der Verleger für das Gutachten selbst und nicht auf Grund seiner Verbreitung bezahlt, nicht begünstigt, das übrige aus der Verbreitung anfallende Entgelt hingegen schon; eine andere Betrachtung wäre lediglich geboten, wenn dem Entgelt für die Gutachtenserstattung kein eigenes wirtschaftliches Gewicht zukommt und es im "Autorenhonorar" untergeht. Bei ausschließlich zur Verbreitung bestimmten Werkstücken (z.B. Manuskripte für Werke der allgemeinen Literatur, für Fachliteratur udgl.), deren Gegenstand neben dem allgemeinen Interesse des Verlegers am Absatz des Werkes (z.B. des verlegten Buches) Sonderinterressen des Verlegers nicht berührt, ist eine Abspaltung eines Entgeltanteiles für das Werkstück (Manuskript) keinesfalls zulässig. Umgekehrt geht eine für eine Werknutzung (Verbreitung) vereinbarte Honorierung im Entgelt für das Gutachten unter, wenn dieser Honorierung kein eigenes wirtschaftliches Gewicht beizumessen ist. Dies kann bei Privatgutachten zutreffen, die Gerichten oder Verwaltungsbehörden vorgelegt und auf diese Weise einem "größeren" - d.h. nicht nur nach individuellen Gesichtspunkten bestimmten - Personenkreis zugänglich werden. Auch wenn man in diesem Fall im Sinne des Schrifttums öffentliches Zugänglichmachen des Werkes im Sinne des § 16 Abs. 1 UrhG annimmt, wird doch für eine solche Art, das Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, grundsätzlich kein eigenes Entgelt gezahlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/14/0117).

Wie vom Beschwerdeführer selbst ausgeführt wird, will der Auftraggeber eines Rechtsgutachtens nicht bloß für sich über die Rechtslage in bezug auf einen ihn betreffenden Sachverhalt informiert sein. Er will sich damit etwa anhand des Gutachtens mit seinen Rechtsvertretern oder Interessenten beraten, es vor Gericht verwenden, Vergleichsverhandlungen mit seinen Gegnern führen, es einer breiten Öffentlichkeit - etwa aus Gründen einer Preispolitik eines Versorgungsunternehmens - zur Kenntnis bringen. Für diese typischen Zwecke sei - wie der Beschwerdeführer ausführt - der Erwerb der Werknutzungsrechte notwendig. Der Auftraggeber habe überdies gerade ein Interesse daran, für eine bestimmte Rechtsansicht den Namen eines bekannten Wissenschafters anführen zu können, der unter Umständen auf diesem Gebiet in der Fachliteratur hervorgetreten ist. Zum zweiten erhalte er aber auch die für ihn entscheidende Möglichkeit der Verbreitung detaillierter rechtlicher Argumentation des Gutachters; nur diese sei ja von Überzeugungskraft, nicht hingegen bloß ein Ergebnis.

Diese Darlegung der wirtschaftlichen und rechtlich tatsächlich gewollten Funktion der vom Beschwerdeführer erstellten Rechtsgutachten spricht unter Bedachtnahme auf die oben wiedergegebenen Grundsätze bei Anwendung des § 38 Abs. 4 EStG 1972 nicht für, sondern gegen den Beschwerdeführer:

Die vom Beschwerdeführer den jeweiligen Auftraggebern eingeräumten Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte stellen nach diesen Ausführungen in der Beschwerde lediglich ein notwendiges Akzessorium für die Erstattung der Gutachten dar, um diese Gutachten zu dem vom Auftraggeber von Anfang an angestrebten Zweck verwenden zu können. Um von diesen Rechtsgutachten also den ihrer Zweckbestimmung nach angestrebten Gebrauch machen zu können, war es rechtlich erforderlich, die bezeichneten Nutzungsrechte einzuräumen; an den lediglich für eigene Zwecke des Auftraggebers erstellten Privatgutachten kann nämlich eine Werknutzungsbewilligung nur als gestattet und ein Werknutzungsrecht nur als eingeräumt gelten, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/14/0117).

Abgesehen davon, daß weder den Akten des Verwaltungsverfahrens noch der Beschwerdeschrift entnommen werden kann, daß diese Nutzungsrechte mit einem abgegrenzten Teil des Entgeltes honoriert worden wären, stellt sich die Erstellung des Gutachtens und die Überlassung der genannten Verwertungsrechte nach den Ausführungen in der Beschwerde selbst als eine einheitliche Werkleistung dar. Aus dem Umstand, daß dem Auftraggeber das Recht eingeräumt wird, das - in Form des Werkstückes an den Beschwerdeführer körperlich zurückzustellende - Gutachten zu vervielfältigen und je nach dem Zweck des Gutachtens einem mehr oder minder großem Personenkreis und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, kann nicht entnommen werden, daß für den Beschwerdeführer als Urheber Einkünfte angefallen sind, er also überhaupt Einkünfte aus der Verwertung von Urheberrechten erzielt hat. Das nicht abgrenzbare Entgelt wurde nicht für die Verwertung literarischer Urheberrechte, sondern für das Gutachten eines Rechtswissenschafters als solches erzielt. Ungeachtet des Umstandes, daß die vom Beschwerdeführer erstellten Gutachten urheberrechtlich geschützt sind, sind die Einkünfte aus ihrer Erstellung somit nicht unter die Begünstigung des § 38 Abs. 4 EStG 1972 subsumierbar.

Soweit der Beschwerdeführer in den Feststellungen der belangten Behörde, aus der Vorhaltsbeantwortung vom 15. Dezember 1988 gehe hervor, "die Gutachten seien in erster Linie für den Informationsbedarf des Auftraggebers erstellt" worden, eine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG erblickt, ist ihm entgegenzuhalten, daß bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ein solcher allfälliger Verfahrensmangel keinen Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides haben konnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990130035.X00

Im RIS seit

09.10.1991

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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