TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/17 91/13/0014

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Veröffentlicht am 17.10.1991
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Index

20/08 Urheberrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
65/02 Besonderes Pensionsrecht;

Norm

BAO §21 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §38 Abs4;
TeilpensionsG 1997 §1 Z4 litb impl;
UrhG §14 Abs1;
UrhG §24 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne über die Beschwerde des Dr. NN in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IV, vom 28. November 1990, Zl. 6/1-1256/89-15, betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Universitätsprofessor und Pharmakologe. Nebenbei verfaßte er im Zeitraum der Streitjahre im Auftrag verschiedener pharmazeutischer Unternehmen pharmakologisch-toxikologische Sachverständigengutachten sowie Gebrauchsinformations- und Fachinformationstexte bezüglich verschiedener Medikamente.

Im Zuge einer Betriebsprüfung nahm der Beschwerdeführer für die dafür vereinnahmten Honorare die Begünstigung des ermäßigten Steuersatzes nach § 38 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 1972 in Anspruch, welche jedoch nur mit einem Anteil von 30 Prozent der vereinnahmten Honorare anerkannt wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde schloß diese sich dem von der Betriebsprüfung vertretenen Standpunkt an und wies die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1987 ab. Es würde dem Beschwerdeführer die Begünstigung des § 38 Abs. 4 EStG 1972 nur dann zustehen, wenn die Honorare in erster Linie für die Abfassung der Beipacktexte und der Fachinformationstexte für die Eintragung in den Austria Codex bezahlt worden seien. Dies sei aber nicht anzunehmen, ergebe sich doch schon aus der gleichlautenden Textierung der Stellungnahmen sämtlicher Auftraggeber, daß diese sehr wohl zwischen Gutachten einerseits und Informationstexten andererseits unterschieden hätten, so daß im Falle der Gutachtertätigkeit die pharmakologisch-toxikologische und klinische Beurteilung des Präparats im Vordergrund stehe. Soll den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes nicht bloßer Formalcharakter zukommen, müsse den Gutachten, auf welchen die Konsumenteninformationen beruhen, eigenständiger Wert beigemessen werden. Sei dies der Fall, müsse aber auch angenommen werden, daß diese Gutachten selbständig honoriert werden. Da die Gutachten selbst nicht veröffentlicht würden, seien die dafür vereinnahmten Honorare auch nicht steuerlich nach § 38 Abs. 4 EStG 1972 zu begünstigen. Daran ändere es nichts, wenn diese Gutachten die Voraussetzungen für die in Form von Beipackzetteln und durch Eintragungen im Austria Codex veröffentlichten Texte darstellen oder in diese eingehen. Es treffe auch nicht zu, daß die Auftraggeber an den Gutachten keine wirtschaftlichen Sonderinteressen hätten, weil die auch vor dem Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes geltende Rechtslage den pharmazeutischen Unternehmen eine Haftung für ihre Produkte zugerechnet habe, zu deren Abwehr die vom Beschwerdeführer erstatteten Gutachten dienlich sein konnten. Die von der Betriebsprüfung geschätzte Aufteilung der Honorare schließlich sei dadurch gerechtfertigt, daß keinerlei schriftliche Vereinbarungen zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Auftraggebern geschlossen worden waren, auch im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung hätten keine nachvollziehbaren Richtlinien für die Entgeltsbemessung angegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972 ist § 37 Abs. 1 leg. cit. auch auf Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen oder künstlerischen Urheberrechten anzuwenden, sofern diese Einkünfte als Nebeneinkünfte erzielt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten dann vor, wenn der Urheber Einnahmen dafür erzielt, daß er entweder sein Urheberrecht selbst im Sinne der §§ 14 ff Urheberrechtsgesetz verwertet, oder einem Dritten eine solche Verwertung gestattet oder einräumt, was dann zutrifft, wenn das gesamte Entgelt oder ein bestimmt bezeichneter Teil davon für eine Verwertung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes bezahlt wird (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 1. Oktober 1985, Zl. 84/14/0006, Slg. N.F. 6034/F, und das Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/14/0117).

Im letztzitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, daß die mit einer Gutachtenserstattung verbundene Einräumung eines Werknutzungsrechtes oder einer Werknutzungsbewilligung die Begünstigung des § 38 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 1972 nur dann nach sich zieht, wenn es nach den Verwertungsarten der §§ 14 bis 18 Urheberrechtsgesetz überhaupt Einkünfte aus der Verwertung von Urheberrechten sind, die der Steuerpflichtige erzielt, ein Tatbestandsmerkmal, das in wirtschaftlicher Betrachtungsweise beurteilt werden muß. Es muß sich danach bei Betrachtung des wahren wirtschaftlichen Gehalts um Einkünfte handeln, die für die Verwertung des Urheberrechts zugeflossen sind. Wenn einer für die Werknutzung (Verbreitung) vereinbarten Honorierung kein eigenes wirtschaftliches Gewicht beizumessen ist, geht ein solches Honorar im Entgelt für das Gutachten unter, so daß von Einkünften aus der Verwertung von Urheberrechten nicht gesprochen werden kann. Demgegenüber ist bei ausschließlich zur Verbreitung bestimmten Werkstücken, deren Gegenstand neben dem allgemeinen Interesse des Werknutzungsberechtigten am Absatz des Werkes Sonderinteressen seinerseits nicht berührt, eine Abspaltung eines der Begünstigung des § 38 Abs. 4 EStG 1972 nicht unterliegenden Entgeltanteiles für das Werkstück nicht zulässig.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, daß die von ihm erstatteten Gutachten einzig zu dem Zweck in Auftrag gegeben worden waren, Grundlage für die darauf aufbauenden Texte der Fach- und Gebrauchsinformationen über bestimmte Arzneimittel zur Erfüllung der im Arzneimittelgesetz getroffenen Anordnungen zu bieten. Daneben bestehende Sonderinteressen der Auftraggeber am Inhalt der Gutachten hätten nicht vorgelegen.

Wäre dem so, hätte der Beschwerdeführer die Begünstigung des § 38 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 1972 für diese Einkünfte mit Recht für sich in Anspruch genommen, weil davon auszugehen wäre, daß der fiktive Entgeltanteil für die bloß als Grundlage der zu verbreitenden Texte anzusehenden Gutachtensausführungen im Werknutzungsentgelt aufgingen.

Der belangten Behörde, die dem Standpunkt des Beschwerdeführers mit der Feststellung von Sonderinteressen der Auftraggeber entgegengetreten ist, muß eine Verletzung ihrer sie nach § 115 Abs. 1 BAO treffenden Obliegenheiten vorgeworfen werden. Die belangte Behörde hat ihre Auffassung von der Trennbarkeit der vom Beschwerdeführer seinen Auftraggebern gegenüber erbrachten Leistungen zunächst damit begründet, daß die in den Stellungnahmen der Auftraggeber zu beobachtende sprachliche Trennung von Gutachten einerseits und Gebrauchsinformationen andererseits den Schluß darauf erlaube, daß die Auftraggeber selbst zwischen beiden Tätigkeiten zu unterscheiden gewußt hätten. Nun kann der Verwaltungsgerichtshof die Stichhältigkeit dieser Begründung schon deswegen nicht überprüfen, weil die von der belangten Behörde interpretierten Stellungnahmen in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht einliegen. Darüber hinaus überzeugt der von der belangten Behörde gezogene Schluß aus der von den Auftraggebern getroffenen Wortwahl deswegen nicht, weil die vom Beschwerdeführer ohnehin eingeräumte Unterteilung der Texte in Gutachten und Gebrauchs- und Fachinformationen über die allein maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung der den unbestrittenermaßen zur Verbreitung bestimmten Texten vorausgehenden Gutachtensausführungen für die Auftraggeber nichts aussagt.

Ebensowenig ist die Begründung der belangten Behörde überzeugend, daß sie im Hinblick auf die normative Bedeutung der Vorschriften des Arzneimittelgesetzes den Gutachten des Beschwerdeführers eigenständigen Wert beimessen müsse. Gerade die Bedeutsamkeit der vom Arzneimittelgesetz geforderten Informationstexte ordnet ihnen das zugrundeliegende Gutachten sachlich unter. Die Beurteilung des so gesehenen Zusammenhangs zwischen dem Gutachten und den darauf basierenden Informationstexten als bloß mittelbar erwiese sich als verfehlt.

Für die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung, es bestünden wirtschaftliche Sonderinteressen der Auftraggeber am Gutachtensinhalt in Anbetracht der mit diesen Gutachten zur Hand gegebenen Abwehrmöglichkeit gegen Produkthaftpflichtansprüche, fehlt es aber an einer nachprüfbaren Sachverhaltsgrundlage. Es durfte sich die belangte Behörde mit dieser rechtlichen Beurteilung nicht auf eine bloße Vermutung stützen, sie hätte zu dem von ihr gefundenen rechtlichen Ergebnis vielmehr nur auf Grund entsprechend eingehender Ermittlungen durch Befragung vom Beschwerdeführer genannter Auftraggeber gelangen können. Nachdem der Beschwerdeführer seine ihn treffende Obliegenheit nach § 119 Abs. 1 BAO der Aktenlage nach durch Offenlegung von Aufträgen, Honoraren und Auftraggebern erfüllt hatte, belastet die Unterlassung der danach gebotenen Ermittlungen durch die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG.

Schon aus diesem Grunde mußte der angefochtene Bescheid aufgehoben werden, ohne daß es eines Eingehens auf das Fehlen jeglicher Nachvollziehbarkeit des gefundenen Schätzungsergebnisses bedurfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991130014.X00

Im RIS seit

17.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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