TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/22 90/08/0020

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Veröffentlicht am 22.10.1991
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §11 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23. Juni 1989, Zl. 121.622/3-7/89, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1) KS-KG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, 2) Wiener Gebietskrankenkasse 3) Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten 4) Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.0. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird bezüglich der Darstellung des Sachverhaltes auf die Entscheidungsgründe des in dieser Rechtssache ergangenen Erkenntnisses vom 19. Jänner 1989, Zl. 87/08/0274, verwiesen, mit dem der Ausspruch der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei ab 7. März 1980 zur erstmitbeteiligten Partei (der KS-KG) in keinem die Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden ist.

In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen die Auffassung vertreten, es gehöre zu einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis eine beiderseitige Willensübereinstimmung darüber, daß auf der einen Seite abhängige Dienste entgeltlich geleistet und auf der anderen Seite diese Dienste entgegengenommen würden. Auch der einseitige Wegfall dieses Willens - insbesondere auf der Seite des Dienstgebers (also wenn dieser die entgeltlichen abhängigen Dienste nicht mehr in Empfang nehmen möchte) - beende das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis. Im Gegensatz dazu werde ein arbeitsrechtliches Verhältnis dadurch allein nicht einseitig aufgelöst. Bleibe allerdings die Willenseinigung, Dienste zu leisten bzw. zu empfangen, weiterhin aufrecht, so ändere die Unterbrechung der tatsächlichen Tätigkeit den Weiterbestand des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht. Eine Ausnahme hievon sei bei den sogenannten "diktierten Rechtsverhältnissen" gegeben. Diese lägen vor, wenn der wegfallende Wille des Dienstgebers, weiterhin Leistungen in Empfang zu nehmen, durch Gesetz oder Richterspruch substituiert werde.

Im Beschwerdefall - so hieß es in dem Erkenntnis weiter - sei der Wille des Dienstgebers (erstmitbeteiligte Partei), auf Dauer Leistungen vom Beschwerdeführer als Dienstnehmer entgegenzunehmen, nach dem sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden damaligen Vorstellungsbild der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit Ablauf des 6. März 1980 weggefallen. Es sei lediglich am 13. November 1980 ein gerichtlicher Vergleich, also ein Vertrag, abgeschlossen worden, der nach den Umständen des Falles nicht so ausgelegt werden könne, daß damit beide Vertragspartner auch das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis aufrecht erhalten wollten. Anhaltspunkte dafür, daß der Dienstgeber damals seine Bereitschaft, die Dienste des Beschwerdeführers als Dienstnehmer weiterhin in Empfang zu nehmen, bekundet habe, würden sich nicht ergeben. Deshalb bezöge sich der am 13. November 1980 abgeschlossene Vergleich lediglich auf das arbeitsrechtliche Dienstverhältnis. Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis sei hingegen mit der tatsächlichen Einstellung der Dienste des Beschwerdeführers mit Ablauf des 6. März 1980 beendet worden. Von der belangten Behörde sei aber die im § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG angeordnete Ausnahme von der Regel, daß sich die Pflichtversicherung mit dem Beschäftigungsverhältnis zeitlich decke, nicht beachtet worden. Der Gesetzgeber habe in dieser Bestimmung die Versicherungspflicht ausdrücklich auf die Zeit bis zum Ende des Entgeltanspruches erstreckt, wenn die Beschäftigung des Dienstnehmers infolge Kündigung und gleichzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb oder infolge des vom Dienstgeber verschuldeten Ausscheidens des Dienstnehmers aus dem Betrieb ihr faktisches Ende gefunden habe.

Im Beschwerdefall habe der Beschwerdeführer jedoch wegen des Fortbestehens seines arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses auf Grund des gerichtlichen Vergleiches vom 13. November 1980 keinen Anspruch auf eine Vergütung aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung dürfe aber derjenige Arbeitnehmer, der - wie im Beschwerdefall - seinen Entgeltanspruch wegen der Unwirksamkeit der Entlassung nicht aus einem beendeten Beschäftigungsverhältnis, sondern aus einem weiter laufenden Arbeitsverhältnis erhalte, sozialversicherungsrechtlich nicht schlechtergestellt werden, als der Arbeitnehmer, der für denselben Zeitraum einen Entgeltanspruch aus einer zwar unberechtigten, aber wirksamen Entlassung habe. Somit sei zwar das gegenständliche Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers ab dem von der belangten Behörde angeführten 7. März 1980 nicht mehr aufrecht, die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers habe aber gemäß § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG erst zum nächsten zulässigen Kündigungstermin nach Ablauf der von der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahren festzustellenden Kündigungsfrist geendet. Die Länge dieser Kündigungsfrist werde sich nach der ortsüblich geübten Praxis bei jener Angestelltenkategorie, der der Beschwerdeführer angehörte, richten.

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nunmehr festgestellt, daß die seit 3. Februar 1968 für den Beschwerdeführer auf Grund seiner Beschäftigung bei der Firma KS-OHG bestehende Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG am 30. Juni 1980 geendet habe.

Ihrer Begründung legte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgeschehens und der Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses vom 19. Jänner 1989 folgenden Sachverhalt zugrunde: Mit Dienstvertrag vom 3. Februar 1968 sei das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers zur damaligen protokollierten Firma KS-OHG begründet worden. Der Beschwerdeführer sei am 6. März 1980 fristlos entlassen worden. Das dagegen beim Arbeitsamt Wien angestrengte Verfahren habe mit einem am 13. November 1980 abgeschlossenen Vergleich geendet. Danach bestünde das mit Dienstvertrag vom 3. Februar 1968 begründete Dienstverhältnis unverändert fort. Mangels anderer Vereinbarungen seien auf dieses Dienstverhältnis die Bestimmungen des Angestelltengesetzes anzuwenden.

Dieser Sachverhalt sei unter Bedachtnahme auf die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes wie folgt zu beurteilen: Durch den Ausspruch der fristlosen Entlassung am 6. März 1980 habe der Dienstgeber bekundet, daß er nicht mehr bereit sei, die Dienste des Beschwerdeführers weiterhin entgegenzunehmen, wodurch das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis mit der tatsächlichen Einstellung der Dienste am 6. März 1980 beendet worden sei. Der am 13. November 1980 vor dem Arbeitsgericht Wien abgeschlossene Vergleich beziehe sich auf das arbeitsrechtliche Dienstverhältnis; das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers sei ab 7. März 1980 nicht mehr aufrecht gewesen. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG habe die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers erst zum nächsten zulässigen Kündigungstermin nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist geendet. Im vorliegenden Fall habe das Dienstverhältnis gemäß § 20 Abs. 2 des Angestelltengesetzes mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden können. Die auf Grund des Dienstvertrages vom 3. Februar 1968 bestehende Versicherungspflicht des Beschwerdeführers habe demnach mit 30. Juni 1980 geendet.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof trat die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 28. November 1989, B 916/89, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

1.3. In seiner auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.4. Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, hat die Verwaltungsakten vorgelegt.

Von den mitbeteiligten Parteien hat lediglich die Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts wendet sich der Beschwerdeführer im wesentlichen gegen die Annahme der belangten Behörde, daß auf Grund des am 13. November 1980 abgeschlossenen Vergleiches zwar das arbeitsrechtliche Dienstverhältnis, nicht aber das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis aufrecht sei, sodaß die Versicherungspflicht geendet habe. Dies widerspreche seiner Ansicht nach § 11 Abs. 1 ASVG, der ausdrücklich von einem Beschäftigungsverhältnis spreche, das aber auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung bestehen könne. In gesetzeskonformer Anwendung könne daher die Versicherungspflicht nicht von einer faktischen Tätigkeit eines Dienstnehmers abhängen, sondern lediglich vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses. Die belangte Behörde übergehe ferner auch den Umstand, daß er immer arbeitswillig gewesen sei.

2.1.2. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den unter Punkt 1.0. auszugsweise wiedergegebenen Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses vom 19. Jänner 1989 - an das die Verwaltungsbehörde gemäß § 63 Abs. 1 VwGG, aber auch in der Folge der Verwaltungsgerichtshof selbst gebunden ist - ausführlich begründet, weshalb der Beschwerdeführer nicht schon am 7. März 1980, sondern erst zum nächsten zulässigen Kündigungstermin nach Ablauf der entsprechenden Kündigungsfrist nicht mehr der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Er hat ferner dargelegt, daß zu einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 11 Abs. 1 ASVG eine beiderseitige Willensübereinstimmung darüber gehört, daß auf der einen Seite abhängige Dienste entgeltlich geleistet und auf der anderen Seite diese Dienste entgegengenommen werden. Bereits der einseitige Wegfall dieses Willens beendet das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis. Nach den sich aus den Verwaltungsakten ergebenden Vorstellungen der Parteien sei der Wille des Dienstgebers, auf Dauer Leistungen vom Beschwerdeführer als Dienstnehmer entgegenzunehmen, mit Ablauf des 6. März 1980 weggefallen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, in denen er sich gegen diese Auffassung wendet, gehen daher ins Leere.

Da im Beschwerdefall der wegfallende Wille des Dienstgebers, weiterhin Leistungen des Beschwerdeführers in Empfang zu nehmen, weder durch Gesetz noch durch Richterspruch substituiert wurde, liegt auch kein sogenanntes "diktiertes Rechtsverhältnis" vor. Die bloße Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers allein reicht zur Begründung eines solchen Rechtsverhältnisses nicht aus. Daraus hat der Verwaltungsgerichtshof abgeleitet, daß nur der bis zum Ende der (fiktiven) Kündigungsfrist bestehende Entgeltanspruch die Pflichtversicherung iS des § 11 Abs. 1 ASVG verlängere.

Daß die von der belangten Behörde angenommene Kündigungsfrist im Ausmaß von drei Monaten nicht ortsüblich sei, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Vom Verwaltungsgerichtshof bestehen dagegen keine von amtswegen aufzugreifenden Bedenken.

2.2. Sofern der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, daß er ab 17. November 1986 unter dem "Dienstgeberkonto KS" neuerlich zur Versicherung angemeldet worden sei, ist zu bemerken, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis vom 19. Jänner 1989 darauf hingewiesen hat, daß im fortgesetzten Verfahren auch dieser Umstand zu berücksichtigen sein werde. Nach der Auffassung des Gerichtshofes werde dieser Umstand deshalb von Bedeutung sein, weil die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. August 1987 festgestellt habe, daß der Beschwerdeführer ab 7. März 1980 zur erstmitbeteiligten Partei in KEINEM die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe. Mangels eines Endtermines beziehe sich DIESER SPRUCH bis zum Zeitpunkt der Erlassung (Zustellung) - dies war der 10. September 1987 - des (ursprünglich) angefochtenen Bescheides. Auf Grund des NUNMEHRIGEN Ausspruches des jetzt angefochtenen Bescheides, daß die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers zur KS-OHG bereits am 30. Juni 1980 geendet habe, liegt ein ausdrücklicher, die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers zu einem anderen Dienstgeber als der OHG (etwa die seit 13. Jänner 1982 bestehenden KG) betreffender Ausspruch ab 1. Juli 1980 nicht vor.

2.3. Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß Art. III Abs. 2 anzuwenden war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990080020.X00

Im RIS seit

22.10.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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