TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/30 91/03/0115

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Veröffentlicht am 30.10.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
B-VG Art9 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Februar 1991, Zl. 11-75 Wi 25-90, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Zulassungsbesitzer unterlassen, der schriftlichen Aufforderung der Behörde vom 13. Juli 1990 innerhalb von zwei Wochen Folge zu leisten, und innerhalb dieser Frist keine richtige Auskunft darüber erteilt, wer das genannte Kraftfahrzeug am 6. Mai 1990 um 22,30 bis 23,00 Uhr an einem bestimmten Ort in Graz abgestellt habe und auch sonst keine Person genannt, die die von ihm geforderte Auskunft erteilen könne, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen. Gemäß § 134 Abs. 1 KFG wurde über ihn eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestritt im Verwaltungsstrafverfahren, die Tat begangen zu haben mit dem Hinweis, Lenker des Fahrzeuges sei die von ihm nach Namen und Anschrift genannte, in den USA wohnhafte Person gewesen. Zur seinerzeitigen Aufforderung der Behörde vom 7. August 1990, binnen drei Wochen eine notariell oder gerichtlich beglaubigte Erklärung des namhaft gemachten Lenkers vorzulegen, daß er das Fahrzeug am Tatort gelenkt habe, widrigenfalls die Behörde der Lenkerauskunft keinen Glauben schenken werde, teilte der Beschwerdeführer mit, daß er seiner Auskunftspflicht im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG nachgekommen sei. Auch im weiteren Verwaltungsstrafverfahren verwies der Beschwerdeführer darauf, daß es Aufgabe der Behörde sei, entsprechende Ermittlungen durchzuführen. Die belangte Behörde ging davon aus, der Beschwerdeführer habe damit seine Mitwirkungspflicht verletzt, da er weder die geforderte Erklärung beigebracht noch sonstige Beweise für den Aufenthalt des angeblichen Lenkers in Österreich bekanntgegeben habe.

In der Beschwerde vertritt der Beschwerdeführer weiterhin die Meinung, es wäre zunächst Aufgabe der Behörde gewesen, seine Angaben zu prüfen, und nicht seine Verpflichtung, die Richtigkeit seines Vorbringens zu beweisen.

Diesem Vorbringen kommt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091, in teilweiser Abgehung von seiner bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Behörde in einem Verwaltungsstrafverfahren, in dem der Beschuldigte als Entlastungszeugen eine Person bezeichnet, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält, jedenfalls den Versuch unternehmen muß, mit dieser Person - sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet - dadurch in Verbindung zu treten, daß sie an sie ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so muß dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise

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etwa in der Form, daß er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlegt oder, wenn es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitraum geht, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen. Darüberhinaus treffen die Behörde die weiteren im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1989, Zl. 88/02/0210, dargestellten Ermittlungspflichten. Der Verwaltungsgerichtshof sah sich ferner in diesem Zusammenhang im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 4. Juni 1991 veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß eine gesetzliche Grundlage, die schriftliche Erklärung des im Ausland befindlichen Entlastungszeugen in gerichtlich oder notariell beglaubigter Form zu fordern, nicht besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1991, Zl. 90/03/0174).

Im vorliegenden Fall unterließ es die belangte Behörde, den Versuch zu unternehmen, mit der vom Beschwerdeführer als Lenker und damit als Entlastungszeugen genannten, angeblich in den USA

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mit welchem Staat ein entsprechendes Rechtshilfeabkommen nicht besteht - wohnhaften Person in der geschilderten Art in Verbindung zu treten. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, belastete sie damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes abzuweisen. Das weitere abzuweisende Mehrbegehren betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides.

Schlagworte

Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Zeugen Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991030115.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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