TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/30 91/09/0086

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Veröffentlicht am 30.10.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §27 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §27 idF 1988/231;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
StGB §33;
StGB §34 Z16;
StGB §34;
StGB §51 Abs4;
StGB §9;
VStG §19;
VStG §20;
VStG §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Oberösterreich gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. Feber 1991, Zl. SV-248/1-1991, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Georg H in P), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird gemäß § 47 Abs. 4 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei mit Straferkenntnis vom 9. Jänner 1991 schuldig erkannt, sie sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H Gesellschaft m.b.H. iSd § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich dafür verantwortlich, daß die genannte juristische Person mit Sitz in P einen namentlich genannten türkischen Staatsbürger in der Zeit vom 15. Oktober bis 13. November 1990 beschäftigt hätte, ohne daß für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Die mitbeteiligte Partei hätte hiedurch § 9 Abs. 1 VStG iVm § 3 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (BGBl. Nr. 218/1975 idF des BGBl. Nr. 450/1990, AuslBG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung war über die mitbeteiligte Partei in Anwendung des § 20 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von 2.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt worden.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich als Strafbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 19. Feber 1991 der Berufung der beschwerdeführenden Partei, in der sie ausschließlich die Strafbemessung (außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG) bekämpfte, keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Herabsetzung der Mindeststrafe bis zur Hälfte sei von der Strafbehörde erster Rechtsstufe damit begründet worden, daß der türkische Staatsangehörige im Besitze einer Beschäftigungsbewilligung für einen anderen Arbeitgeber gewesen sei und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei nicht gewußt habe, daß diese Bewilligung nur für den vorhergehenden Arbeitgeber Gültigkeit gehabt habe. Zudem habe sie berücksichtigt, daß es sich im gegenständlichen Falle nicht um eine "klassische" illegale Ausländerbeschäftigung gehandelt habe, zumal der Ausländer ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet worden sei. Letztlich habe die Strafbehörde erster Instanz berücksichtigt, daß die mitbeteiligte Partei bisher unbescholten sei. Die beschwerdeführende Partei sei mit ihren Ausführungen insoweit im Recht, als Unbescholtenheit keinen Milderungsgrund darstelle. Ebenso sei richtig, daß die Meldung eines Arbeitnehmers zur Sozialversicherung schon auf Grund gesetzlicher Bestimmungen aus einem anderen Rechtsbereich vorgeschrieben sei. Trotzdem sei die belangte Behörde der Ansicht, daß die Tatsache, daß die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei keine "klassische illegale Ausländerbeschäftigung" durchgeführt habe, sehr wohl zu werten sei. Durch die Meldung zur Sozialversicherung werde augenscheinlich, daß die mitbeteiligte Partei alle nötigen Schritte unternehmen wollte, um mit dem türkischen Staatsbürger ein ordnungsgemäßes Arbeitsverhältnis zu begründen, und es sei somit auch ihre Aussage glaubwürdig, sie sei der Meinung gewesen, die für den vorangegangenen Arbeitgeber erteilte Beschäftigungsbewilligung habe auch für das gegenständliche Arbeitsverhältnis Gültigkeit. Dieser Irrtum sei jedoch jedenfalls als Milderungsgrund anzusehen. Erschwerende Umstände seien nicht vorhanden. Laut herrschender Rechtsprechung komme es bei Anwendung des § 20 VStG nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an, und es könne unter Umständen ein einziger Milderungsgrund so schwerwiegend sein, daß er mehrere vorhandene Erschwerungsgründe überwiege und daher eine außerordentliche Strafmilderung rechtfertige. Da im Beschwerdefalle keine erschwerenden Gründe vorlägen, habe die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Strafbehörde erster Rechtsstufe den aufgezeigten Milderungsgrund für so gewichtig gehalten, daß zu Recht die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden konnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 28a AuslBG gestützte Beschwerde des Landesarbeitsamtes Oberösterreich (beschwerdeführende Partei) an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der ihr eingeräumten Möglichkeit, zur Beschwerde eine Gegenschrift zu erstatten, hat sie - wie auch die mitbeteiligte Partei - keinen Gebrauch gemacht.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen nach wendet sich die beschwerdeführende Partei gegen die ihrer Meinung nach zu Unrecht erfolgte Anwendung des § 20 VStG. Da bereits der angefochtene Bescheid (auf Grund der eingeschränkten Berufung der beschwerdeführenden Partei) nur die Strafbemessung zum Gegenstand hatte, ist er zur Gänze angefochten.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die beschwerdeführende Partei vor, es lägen im Beschwerdefall keine Milderungsgründe iSd § 20 VStG vor. Die Ausführungen betreffend die Anmeldung zur Sozialversicherung seien widersprechend. Zum einen werde von der belangten Behörde der Annahme der beschwerdeführenden Partei, es handle sich hierbei um keinen Milderungsgrund, zugestimmt, zum anderen werde die Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen indirekt als Milderungsgrund anerkannt, indem diese die Beschäftigung "nicht klassisch illegal" mache, welcher Umstand wiederum als Milderungsgrund ins Treffen geführt werde. Wenn die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei irrtümlich der Meinung gewesen sei, die dem vormaligen Arbeitgeber des Ausländers erteilte Beschäftigungsbewilligung würde auch für sie gelten, so könne dieser Irrtum nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei nicht als Milderungsgrund gewertet werden. Der mitbeteiligten Partei sei vorzuhalten, daß sie offensichtlich die Beschäftigungsbewilligung, in deren Besitz der Ausländer gewesen sei, gar nicht gesehen bzw. gelesen habe, denn sonst hätte sie festgestellt oder gewußt, daß diese einem anderen Arbeitgeber erteilt worden sei und nur für diesen Geltung habe. Der mitbeteiligten Partei hätten bei entsprechender Aufmerksamkeit zumindest Zweifel aufkommen müssen, ob sie den Ausländer mit einer Beschäftigungsbewilligung, welche einer anderen Firma erteilt worden sei, überhaupt beschäftigen dürfe.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, sofern die Tat nicht dem Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde...., bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 5.000 S bis zu 60.000 S.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, so kann im Grunde des § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

Die Aufzählung der Erschwerungs- und Milderungsgründe in den §§ 33 und 34 StGB ist naturgemäß nur demonstrativ. Sie verweist die Rechtsprechung auf Umstände, die verhältnismäßig häufig vorliegen, und legt ihre Bedeutung für die Strafbemessung fest. Ist einer der im Gesetz angeführten Erschwerungs- oder Milderungsumstände gegeben, so muß er berücksichtigt werden. Über die Wertbedeutung anderer Umstände ist selbständig zu urteilen. Dabei weisen die aufgezählten Zumessungsgründe die Richtung. Schließlich bestimmt die Formulierung der genannten Gründe die näheren Voraussetzungen, unter denen sie in Betracht kommen (vgl. EBzRV 30 dB, XIII GP, Seite 121).

Durch § 20 VStG wird der Strafsatz (§ 10 leg. cit.) insofern geändert, als für die darin angeführten Fälle die Mindeststrafe die Hälfte der für die jeweilige Übertretung vorgesehenen Mindeststrafe beträgt. Diese Bestimmung räumt der Behörde ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" kein Ermessen ein. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, dann hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes. Die Behörde hat in diesem Falle der Strafbemessung einen Strafrahmen zu Grunde zu legen, dessen Untergrenze die Hälfte der (gesetzlichen) Mindeststrafe beträgt und ausgehend davon die Strafe innerhalb des solcherart (nach unten) geänderten Strafrahmens festzusetzen. Die Strafzumessung innerhalb dieses sich aus der Anwendung des § 20 VStG ergebenden Strafrahmens ist - wie in den Fällen, in denen das außerordentliche Milderungsrecht nicht zur Anwendung gelangt - in das Ermessen der Behörde gestellt, das sie nach den Kriterien des § 19 VStG auszuüben hat.

Daß die nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens nach dem Sozialversicherungsrecht im Beschwerdefalle erfolgte Meldung des beschäftigten Ausländers im Strafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (insbesondere im Hinblick auf die nach § 27 Abs. 1 zweiter Satz AuslBG bestehende Übermittlungspflicht bestimmter Daten) einen Milderungsgrund darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst in seinem Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0068, begründend dargelegt.

Die belangte Behörde hat - im Gegensatz zur Strafbehörde erster Rechtsstufe - die Unbescholtenheit der mitbeteiligten Partei nicht mehr als Milderungsgrund gewertet. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei im Berufungsschriftsatz hätte jedoch die Unbescholtenheit der mitbeteiligten Partei (zum Unterschied von dem Umstand, daß sie als Täter nicht einschlägig nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vorbestraft ist) als Milderungsgrund gewertet werden können (vgl. VwSlg. 9755/A und das obzitierte Erkenntnis vom 26. September 1991).

Wird der objektive Geschehensablauf richtig vorgestellt und erstreckt sich der Irrtum nur darauf, daß das Verhalten als erlaubt angesehen wird, so liegt ein Verbotsirrtum vor. Die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens haben diesen Irrtum nicht als Schuldausschließungsgrund gewertet. Im Rahmen der Strafbemessung (nur diese ist Gegenstand der vorliegenden Beschwerde) wiegt aber der Schuldvorwurf in einem solchen Falle jedoch nicht so schwer, als wenn der Täter mit vollem Unrechtsbewußtsein gehandelt hätte. Die Qualifikation des der mitbeteiligten Partei unterlaufenen Irrtums als Milderungsgrund war daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Aus diesen Gründen konnte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, daß Milderungsgründe iSd § 19 Abs. 2 VStG gegeben waren. Daß diese nach ihrer Bedeutung nicht als überwiegend iSd § 20 VStG angesehen werden konnten (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0100) hat die beschwerdeführende Partei in ihrer Beschwerde nicht behauptet. Auch der Verwaltungsgerichtshof konnte auf Grund der Aktenlage nicht finden, daß im Beschwerdefalle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 VStG nicht gegeben gewesen sind.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den beantragten Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Geldstrafe und ArreststrafeErmessen besondere RechtsgebieteSachverhalt Sachverhaltsfeststellung ErmessenErmessenErschwerende und mildernde Umstände AllgemeinErschwerende und mildernde Umstände VorstrafenErschwerende und mildernde Umstände DiversesErschwerende und mildernde Umstände Schuldform

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991090086.X00

Im RIS seit

30.10.1991

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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