TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/30 86/17/0149

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Veröffentlicht am 30.10.1991
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauO OÖ 1976 §20 Abs1;
BauONov OÖ 1983 Art1 Z15;
BauONov OÖ 1983 Art3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Martha W in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. August 1985, Zl. BauR-5653/1-1985 Le/Lan, betreffend Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten der Fahrbahnherstellung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, 4010 Linz, Hauptplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 27. September 1984 als Baubehörde erster Instanz wurde der Beschwerdeführerin die Bauplatzbewilligung für das Grundstück nn1, KG. Linz, im Ausmaß von 235 m2 erteilt.

Mit Bescheid des Magistrates der mitbeteiligten Landeshauptstadt Linz vom 11. März 1985 wurde der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieses Bauplatzes ein Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen in der Höhe von S 39.165,-- auf Grund der Bestimmung des § 20 der Oberösterreichischen Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976 (im folgenden: Oö BauO) in der Fassung LGBl. Nr. 82/1983, vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 30. Mai 1985 gab der Stadtsenat der mitbeteiligten Landeshauptstadt Linz dieser Berufung keine Folge. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die gegenständliche Liegenschaft durch die öffentliche Verkehrsfläche "Altstadt" aufgeschlossen; diese Verkehrsfläche sei zur Gänze ausgebaut. Da diese Verkehrsfläche überdies vom rechtswirksamen Bebauungsplan Nr. 321 b, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr. 2 vom 15. Jänner 1964, erfaßt sei, sei die Vorschreibung des Anliegerbeitrages zulässig. Wenn die Beschwerdeführerin die Ansicht vertrete, ein Anliegerbeitrag könne nur dann vorgeschrieben werden, wenn die Gemeinde NACH Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes eine im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche errichtet habe, so unterliege sie insofern einem Rechtsirrtum, als seit dem 1. Jänner 1984 die Oö Bauordnungsnovelle 1983, LGBl. Nr. 82, in Kraft stehe. Durch diese sei § 20 Abs. 1 Oö BauO dahingehend novelliert worden, daß im ersten Satz der Ausdruck "nach Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes" zu entfallen habe.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung.

1.3. Mit Bescheid vom 9. August 1985 gab die Oberösterreichische Landesregierung dieser Vorstellung keine Folge. Nach der Begründung des Vorstellungsbescheides sei § 20 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung der Novelle 1983 anzuwenden, da die Bauplatzbewilligung nach dem 1. Jänner 1984 erfolgt sei und diese das ursächliche Kriterium für die Beitragsvorschreibung bilde. Im Zeitpunkt der Bauplatzbewilligung vom 27. September 1984 habe die Verkehrsfläche mit der Bezeichnung "Altstadt" bereits bestanden und sei diese auch im Bebauungsplan Nr. 321 b, welcher seit 16. Jänner 1964 rechtswirksam sei, ausgewiesen. Unter "Ausweisung" sei im Sinne des § 20 Abs. 1 des Oö Raumordnungsgesetzes der Umstand zu verstehen, daß dadurch lediglich ein in der Natur verhandener Bestand im Plan ersichtlich gemacht werde. Der Umstand, daß in einer früheren Fassung der Oö BauO einmal eine zeitliche Reihenfolge hinsichtlich des Rechtswirksamwerdens eines Bebauungsplanes und der Errichtung der Verkehrsfläche vorgesehen gewesen sei, habe nach der Novelle 1983 keine Rechtswirkungen mehr.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 6. Juni 1986, B 681/85, ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

1.5. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, nicht zur Leistung von Anliegerleistungen herangezogen zu werden, verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Nach der Begründung der Beschwerde sei die Bauordnungsnovelle 1983 nicht anzuwenden, da nicht sämtliche Bedingungen, die für die Anwendbarkeit der Norm erforderlich seien, im zeitlichen Bedingungsbereich der Novelle lägen. Ein Anliegerbeitrag könne daher nur für solche Fälle vorgeschrieben werden, "in denen entweder die Verkehrsfläche nach Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes errichtet wurde (also auch vor dem 1.1.1984) oder aber, wenn die Verkehrsfläche auch vor Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes errichtet wurde, jedenfalls aber nach dem 1.1.1984". Es sei die alte Fassung der Oö BauO anzuwenden, die eine Vorschreibung nur zugelassen habe, wenn die öffentliche Verkehrsfläche nach dem Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes errichtet worden sei, was hier nicht zutreffe.

1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 20 Abs. 1 Oö BauO in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1983, LGBl. Nr. 82, lautet:

"(1) Hat die Gemeinde eine im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche errichtet, so hat sie anläßlich der Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes (§ 4) oder der Vergrößerung eines solchen Bauplatzes oder einer solchen bebauten Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) einen Beitrag zu den ihr erwachsenen Kosten der Herstellung der Fahrbahn dieser öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben."

Die Beiträge nach § 20 leg. cit. sind als Interessentenbeiträge ausschließliche Gemeindeabgaben (§ 22 leg. cit.). § 20 Abs. 1 leg. cit. regelt die Entstehung des Abgabenanspruches der Gemeinde. Der Abgabentatbestand knüpft dabei an die Bauplatzbewilligung als letzte Tatbestandsvoraussetzung an. Diese erfolgte im Beschwerdefall im September 1984. Die Gemeindeabgabenbehörden und die belangte Behörde sind daher zu Recht davon ausgegangen, daß dem Interessentenbeitragsbescheid § 20 Abs. 1 Oö BauO in der Fassung der Novelle 1983, die gemäß ihrem Art. III am 1. Jänner 1984 in Kraft getreten ist, zugrunde zu legen ist (vgl. in diesem Zusammenhang unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Zeitbezogenheit der Abgaben das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1988, Zl. 86/17/0178, sowie ferner das

hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Zl. 85/17/0032, wonach der Oö BauO nicht zu entnehmen sei, daß es sich bei der Errichtung der Verkehrsfläche im Sinne des § 20 Abs. 1 leg. cit. um eine solche nach dem Inkrafttreten dieser Bauordnung handeln müsse, der Zeitpunkt der Errichtung somit für die Anwendbarkeit dieses Abgabentatbestandes keine Bedeutung hat).

2.2. In der Stammfassung der Oö BauO, LGBl. Nr. 35/1976, enthielt der oben wiedergegebene Wortlaut des § 20 Abs. 1 nach dem Wort "Gemeinde" die Worte "nach Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes", sodaß der erste Halbsatz lautete:

"Hat die Gemeinde nach Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes eine im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche errichtet"...

Die belangte Behörde vertritt zur vorliegenden Fallgestaltung, wonach die Verkehrsfläche mit der Bezeichnung "Altstadt" in dem am 16. Jänner 1964 rechtswirksam gewordenen Bebauungsplan Nr. 321 b ausgewiesen und damit als ein in der Natur vorhandener Bestand im Plan ersichtlich gemacht worden sei, die Rechtsauffassung, die Bauordnungsnovelle 1983 stelle, anders als die Stammfassung, nicht mehr auf das zeitliche Vorangehen des Rechtswirksamwerdens des Bebauungsplanes vor Errichtung der dort ausgewiesenen öffentlichen Verkehrsfläche ab. Diese Rechtsmeinung ist unzutreffend:

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat, ist Voraussetzung für den hier in Rede stehenden Abgabenanspruch die Beachtung der im Gesetz vorgesehenen zeitlichen Reihenfolge. Danach war im Falle des § 20 Abs. 1 Oö BauO in der Stammfassung folgende Reihenfolge einzuhalten: Ausweisung der öffentlichen Verkehrsfläche im Bebauungsplan, Rechtswirksamwerden dieses Bebauungsplanes, Errichtung der im Bebauungsplan ausgewiesenen Verkehrsfläche, Bauplatzbewilligung. Es mußte sich um die Errichtung einer im Bebauungsplan ausgewiesenen öffentlichen Verkehrsfläche handeln, und zwar um eine Errichtung NACH dem Rechtswirksamwerden dieses Bebauungsplanes (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 6. Juli 1990, Zlen. 88/17/0021, 0022, und die dort zitierte Vorjudikatur sowie vom 5. Juli 1991, Zl. 86/17/0191).

Wie der Verwaltungsgerichtshof dort ebenfalls unter Hinweis auf die Vorjudikatur weiters ausgeführt hat, hat sich am Erfordernis der Einhaltung der vorhin erwähnten zeitlichen Reihenfolge durch die Oö Bauordnungsnovelle 1983 grundsätzlich nichts geändert. Der durch Art. I Z. 15 dieser Novelle angeordnete Entfall der Worte "nach Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes" im § 20 Abs. 1 Oö BauO sollte nämlich nur bewirken, daß die Gemeinde schon vor dem Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes den erwähnten Beitrag vorzuschreiben in der Lage ist. Nach wie vor muß es sich jedoch um eine im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Verkehrsfläche handeln. Eine nicht in Ausführung dieses Bebauungsplanes erfolgte Errichtung einer öffentlichen Verkehrsfläche stellt keinen für den Abgabenanspruch gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. relevanten Umstand dar.

Die Gemeindeabgabenbehörden haben die Abgabenvorschreibung somit auf eine unzutreffende Rechtsauffassung gestützt.

2.3. Da die belangte Vorstellungsbehörde den Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadtgemeinde nicht behob, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grunde mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1986170149.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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