TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/30 91/09/0130

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Veröffentlicht am 30.10.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §62 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde der prot. Fa. V-GmbH in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 12. Juni 1991, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Erledigung des Arbeitsamtes Persönliche Dienste - Gastgewerbe vom 30. November 1990 wurde der am selben Tag von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für AC als Bedienerin abgelehnt.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung und machte u. a. geltend, der "Bescheid" des Arbeitsamtes leide formal an einem Mangel, weil er entgegen § 18 Abs. 4 AVG keine leserliche Beifügung des Namen desjenigen, der die Erledigung genehmigt habe, bzw. überhaupt keine Fertigungsklausel enthalte.

Diese Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 1991 abgewiesen, ohne auf das oben angeführte Argument der Beschwerdeführerin einzugehen.

Die Beschwerdeführerin, die den angefochtenen Bescheid im übrigen auch wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wiederholt in ihrer Beschwerde ihr Vorbringen, daß der Erledigung des Arbeitsamtes vom 30. November 1990 mangels der gemäß § 18 Abs. 4 AVG erforderlichen Beisetzung des Namens des Genehmigenden "in Wahrheit die Bescheidqualität mangelte".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Aktenlage trifft es zu, daß die von der Beschwerdeführerin mit Berufung bekämpfte Erledigung des Arbeitsamtes vom 30. November 1990 der Vorschrift des § 18 Abs. 4 AVG nicht entsprochen hat. Nach dieser Gesetzesstelle, die gemäß § 58 Abs. 3 AVG ausdrücklich auch für Bescheide Geltung hat, müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt (siehe dazu die Beglaubigungsverordung, BGBl. Nr. 445/1925). Bei Mitteilungen gemäß Abs. 3 zweiter und dritter Satz (eine solche liegt im Beschwerdefall nicht vor) und bei Ausfertigungen, die mittels automationsgestützter Datenverarbeitung erstellt werden, genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Bei vervielfältigten Ausfertigungen oder in Fällen, in denen der Inhalt einer Erledigung in einer solchen technischen Weise mitgeteilt wird, die eine genaue Wiedergabe des Originals ermöglicht, ist die Unterschrift oder deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen.

Im Beschwerdefall enthielt die erstinstanzliche Erledigung zwar die Bezeichnung als Bescheid sowie Spruch und "Begründung"; sie war auch mit der Bezeichnung des Arbeitsamtes und dem Datum versehen. Sie enthielt aber, worauf die Beschwerdeführerin zutreffend verwiesen hat, weder die Unterschrift noch den Namen des Genehmigenden, und ebensowenig eine Beglaubigung der Kanzlei. Einem derartigen Schriftstück fehlt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein der Bescheidcharakter (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf S. 194 zu § 18 AVG unter Nr. 2 und 3 angeführten Entscheidungen). In einem derartigen Fall hat die Berufungsbehörde mangels Vorliegens eines erstinstanzlichen Bescheides mit Zurückweisung der Berufung vorzugehen (vgl. Hauer-Leukauf aaO, S. 197, Entscheidung Nr. 23).

In Wahrheit ist daher eine erstinstanzliche Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. November 1990 bisher nicht ergangen. Da die belangte Behörde dies verkannt und dessenungeachtet meritorisch über die Berufung der Beschwerdeführerin abgesprochen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß Stempelgebühren nur für drei Ausfertigungen der Beschwerde zuzuerkennen waren.

Schlagworte

Unterschrift des Genehmigenden Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Beglaubigung der Kanzlei Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Verfahrensanordnungen Rechtswidrigkeit von Bescheiden Rechtmäßigkeit behördlicher Erledigungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991090130.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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