TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/5 91/04/0150

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Veröffentlicht am 05.11.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
GewO 1973 §1 Abs2;
GewO 1973 §189;
GewO 1973 §366 Abs1 Z2;
VStG §22 Abs1;
VStG §25 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des A in X, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 26. März 1991, Zl. II a-90.124/2-90, betreffend Übertretungen der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 26. März 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, 1.) im Dezember 1989, insbesondere auch am 30. Dezember 1989 in seinem Fabriksgebäude in X, erstes Obergeschoß, in welchem er Unterkünfte und Gästezimmer eingerichtet habe, selbständig und um seines Vorteiles willen um den Preis von S 50,-- pro Person und Nacht bis zu 40 Personen (am 30. Dezember 1989 seien es 20 türkische Staatsangehörige, 7 Schilehrer der Schischule S und 13 Arbeiter der Firma A gewesen), am 15. Dezember 1989 jedenfalls 10 jugoslawische Arbeitnehmer der B, gewerblich beherbergt zu haben und damit das Gastgewerbe in dem Berechtigungsumfang gemäß § 189 Abs. 1 Z. 1 ausgeübt zu haben, ohne die hiezu erforderliche Gastgewerbekonzession zu besitzen; 2.) in der Zeit vom 27. Jänner 1990 bis 3. Februar 1990 in seinem Fabriksgebäude in X, erstes Obergeschoß, 20 finnische Urlauber zum Preis von S 115,-- pro Person und Tag selbständig und um seines Vorteiles willen beherbergt und damit das Gastgewerbe mit dem Berechtigungsumfang nach § 189 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 ausgeübt zu haben, ohne eine hiefür erforderliche Gastgewerbekonzession zu besitzen. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 366 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 189 GewO 1973 begangen, weshalb über ihn gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1973 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, der Beschwerdeführer besitze in X die ehemalige C-Fabrik. Im Sommer 1988 habe er damit begonnen, das erste Obergeschoß der nördlichen Fabrikshalle umzubauen. Es seien Wohn-, Aufenthalts-, Schlaf-, Waschräume, WC-Anlagen sowie ein Speiseraum geschaffen worden. Seit Mitte April 1988 stelle der Beschwerdeführer diese Räume Arbeitern verschiedener Unternehmen zur Verfügung. Zu den vorgeworfenen Tatzeiträumen und zwar insbesondere am 30. Dezember 1989 habe der Beschwerdeführer gegen ein Entgelt von S 50,-- pro Person und Nacht 20 türkische Staatsangehörige, 7 Schilehrer der Schischule S und 13 Arbeiter der Firma A beherbergt. Zumindest am 15. Dezember 1989 habe der Beschwerdeführer gegen ein Entgelt von S 50,-- pro Person und Nacht 10 jugoslawische Arbeitnehmer der Arlberger Bergbahnen beherbergt. In der Zeit vom 27. Jänner 1990 bis 3. Februar 1990 habe der Beschwerdeführer 20 finnische Urlauber zum Preis von S 115,-- pro Person und Tag beherbergt. Er habe die Bettwäsche zur Verfügung gestellt und auch die Reinigung der gemeinsamen Anlagen durchgeführt. Die Betten seien zumindest bei den finnischen Urlaubern ebenfalls gemacht worden. Ab Mitte Dezember bis Mitte April 1990 habe der Beschwerdeführer 20 Betten gegen einen monatlichen Betrag von S 25.000,-- an die Arlberger Bergbahnen vermietet. Hinsichtlich dieser Betten seien keinerlei Leistungen des Gastgewerbes erbracht worden. Bis 15. Dezember seien auch für diese jugoslawischen Arbeitnehmer S 50,-- pro Person und Nacht und die erwähnten Dienstleistungen erbracht worden. Erst ab 15. Dezember 1989 sei hinsichtlich der 20 Betten eine Mietvereinbarung getroffen worden. Gemäß § 189 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 unterliege der Konzessionspflicht die Beherbergung von Gästen. Von einer Beherbergung von Fremden werde dann gesprochen, wenn gleichzeitig mit der Zurverfügungstellung von Räumen damit üblicherweise im Zusammenhang stehende Dienstleistungen erbracht werden. Selbst wenn es an Dienstleistungen fehlen sollte, müsse die Frage, ob es sich nicht doch um eine konzessionspflichtige Beherbergung handle, anhand der sonstigen Merkmale der zu prüfenden Tätigkeiten beantwortet werden und zwar unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles. Für das Vorliegen einer konzessionspflichtigen Fremdenbeherbergung sei erforderlich, daß das aus dem Zusammenwirken aller Umstände sich ergebende Erscheinungsbild ein Verhalten des Vermieters der Räume erkennen lasse, das wenn auch in beschränkter Form, eine laufende Obsorge hinsichtlich der vermieteten Räume im Sinne einer daraus resultierenden Betreuung der Gäste verrate. Die entgeltliche Vergabe von Bettstellen in einem Massenquatier sei auch dann als Ausübung des Fremdenbeherbergungsgewerbes anzusehen, wenn in völlig unzureichendem Maße sanitäre Einrichtungen bereitgestellt würden und an Dienstleistungen dem Kunden gegenüber nur die gelegentliche Beistellung von Bettwäsche erbracht werde. Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeute dies, daß vom Beschwerdeführer sehr wohl Dienstleistungen erbracht worden seien, die typisch für einen Fremdenbeherbergungsbetrieb seien. Zu solchen typischen Tätigkeiten gehörten sicherlich die tägliche Säuberung der Unterkünfte sowie die Bereitstellung und Reinigung der Bettwäsche. Diese Tätigkeiten ließen jedenfalls im Sinne der Judikatur auf eine laufende Obsorge hinsichtlich der vermieteten Räume im Sinne einer daraus resultierenden Betreuung des Gastes schließen. Wenn bereits die entgeltliche Vergabe von Bettstellen in einem Massenquatier mit nur gelegentlicher Beistellung von Bettwäsche sowie unzureichender Beistellung von sanitären Einrichtungen als Gastgewerbe zu qualifizieren sei, müsse umso mehr die gegenständliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Gastgewerbe im Sinne des § 189 Abs. 1 Z. 1 gewertet werden. Der Beschwerdeführer sei zu den inkriminierten Tatzeitpunkten nicht Inhaber einer Gastgewerbekonzession zur Ausübung des Gastgewerbes gemäß § 189 Abs. 1 Z. 1 in der ehemaligen Fabrikshalle gewesen. Er habe nicht bestritten, in den fraglichen Tatzeiträumen Schilehrer, türkische Staatsangehörige, jugoslawische Arbeitnehmer der B und finnische Urlauber zu den festgestellten Preisen in der Fabrikshalle in X beherbergt zu haben. Der Umstand, daß die Aufnahme türkischer Gastarbeiter aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen sowie die Aufnahme der finnischen Urlauber aus humanitären Gründen erfolgt sei, da diese sonst auf der Straße gestanden wären, könne ihn nicht entlasten. Zur Behauptung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Beherbergung der 20 finnischen Urlauber sei das Entgelt so gering gewesen, daß nicht einmal die Selbstkosten gedeckt worden seien, so sei dazu auszuführen, der Betrag von S 115,-- pro Nacht - und dies ohne Frühstück - liege nach den allgemeinen Erfahrungen durchaus im normalen Preisniveau einer Zimmervermietung in Tirol. Nachweise dafür, daß damit lediglich die Selbstkosten gedeckt worden seien, habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Die wirtschaftliche Vorteilsabsicht sei daher nicht widerlegt worden.

Nach Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen legte der Landeshauptmann noch weiter dar, es seien 2 Strafen zu verhängen gewesen, da die vorgeworfenen Tathandlungen nicht durch einen "räumlichen" (gemeint: zeitlichen) Zusammenhang gekennzeichnet seien, sondern vielmehr auf Grund des Zeitraumes von etwa einem Monat zwischen Abschluß der ersten Tathandlung und Beginn der nächsten Tathandlung davon auszugehen sei, daß kein einheitlicher Tatvorsatz vorliege. Ein fortgesetztes Delikt liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht zu Unrecht und unbegründet wegen Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 189 GewO 1973 bestraft zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, schon aus den Feststellungen über die eingenommenen Beträge von S 50,-- pro Person und Nacht für Dienstnehmer benachbarter Unternehmen sowie S 115,-- für finnische Urlauber ergebe sich, daß eine Gewinnerzielungsabsicht nicht vorliegen könne. Die Behörde übersehe zur Gänze, daß die erzielten Einnahmen im Hinblick auf die Kosten der Errichtung und Erhaltung der im Fabriksgebäude geschaffenen Räumlichkeiten in keinem Verhältnis stünden. Die ganz offensichtlich realitätsferne Beurteilung durch die Behörde gipfle in der Behauptung, der Betrag von S 115,-- pro Nacht liege nach den allgemeinen Erfahrungen durchaus im normalen Preisniveau einer Zimmervermietung in Tirol. Auch sei der Rechtsauffassung der Behörde, es seien 2 Strafen zu verhängen, entgegenzutreten. Es liege vielmehr bereits der Errichtung der Wohn-, Aufenthalts-, Schlaf-, Waschräume und WC-Anlagen die Absicht der kontinuierlichen Beherbergung von Personen zugrunde, sodaß ein inhaltlicher, zeitlicher und räumlicher Konnex sämtlicher Beherbergungshandlungen vorliege. Sofern zwischen den einzelnen Beherbergungen ein Zeitraum von einem Monat aufgetreten sei, in welchem solche nicht stattgefunden hätten, sei dies nicht in der Absicht des Beschwerdeführers gelegen, in diesem Zeitraum keine Beherbergungen vorzunehmen, sondern es sei dies darauf zurückzuführen, daß offenbar in diesem Zeitraum kein Bedarf an Unterkünften bestanden habe. Keinesfalls könne man den Sachverhalt dahingehend interpretieren, daß der Beschwerdeführer nach Beendigung der Beherbergungen im Dezember 1989 die Absicht zu weiteren Beherbergungen aufgegeben hätte und im Jänner 1990 einen solchen Vorsatz neuerlich und unabhängig vom früheren Geschehen neu gefaßt hätte.

Unter einem fortgesetzten Delikt wird eine Mehrheit von an sich selbständigen, nacheinander gesetzten Handlungen, die jede für sich den Tatbestand desselben Deliktes erfüllt, verstanden, die durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden sind und rechtlich als ein einziges Delikt behandelt werden. Alle Teilakte der Handlungsreihe stellen somit rechtlich nur eine einzige Handlung dar. Die Einzelhandlungen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei die einzelnen Handlungen nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen werden dürfen. Der Zusammenhang muß sich demnach äußerlich durch zeitliche Verbundenheit objektivieren lassen. Handlungen, die zeitlich soweit auseinander liegen, daß sie nicht mehr als zusammengehörig angesehen werden können, werden demnach in der Regel gegen die Annahme eines Fortsetzungszusammenhanges sprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1982, Zl. 3593/80).

Wie groß der Zeitraum zwischen einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, wird von Delikt zu Delikt verschieden sein und hängt im besonderen Maße von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, daß die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluß getragen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1987, Zl. 86/03/0237.

Bei einem Delikt wie dem vorliegenden kann schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aus dem Umstand, daß durch einen bestimmten Zeitraum hindurch eine Beherbergung von Gästen nicht stattfindet, auf eine Unterbrechung des Willensentschlusses zur (konsenslosen) Beherbergung von Gästen geschlossen werden, weil, wie die Beschwerde zutreffend dartut, die Beherbergung von Gästen auch von entsprechender Nachfrage abhängig ist.

Ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe bereits im Sommer 1988 begonnen, die entsprechenden Räumlichkeiten für die Beherbergung von Gästen zu schaffen und habe bereits seit Mitte April 1988 diese Räume Arbeitern verschiedener Unternehmen zur Verfügung gestellt, liegt die Vermutung nahe, der Beschwerdeführer habe nicht erst im Dezember 1989 erstmals die Absicht entwickelt, diese Räumlichkeiten zur Beherbergung von Gästen zu nutzen. Unter diesen Umständen erscheint es dem Verwaltungsgerichtshof verfehlt, ohne sonstige hinzutretende Sachverhaltselemente allein aus dem Verstreichen eines Zeitraumes von etwas weniger als einem Monat, in dem keine Beherbergung von Gästen stattfand, auf eine Unterbrechung dieses Willensentschlusses zu schließen.

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage ohne weitere Sachverhaltsfeststellungen die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tathandlungen im Dezember 1989 und im Jänner 1990 als zwei getrennte Verwaltungsübertretungen wertete, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Aus Gründen der Prozeßökonomie verweist der Verwaltungsgerichtshof für das fortgesetzte Verfahren noch auf folgendes:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist zwar Entgeltlichkeit allein nicht zwangsläufig mit Gewinnerzielungsabsicht gleichzusetzen und letztere insbesondere dann nicht anzunehmen, wenn durch das Entgelt nur die entstehenden Unkosten ganz oder lediglich zum Teil gedeckt werden sollen. Die Entgeltlichkeit einer Tätigkeit indiziert allerdings den äußeren Anschein der Gewinnerzielungsabsicht, sodaß es Sache des Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 ist, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht durch ein entsprechendes, mit Beweisen belegtes Vorbringen die mangelnde Gewinnerzielungsabsicht trotz Entgeltlichkeit darzutun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1986, Zl. 86/04/0133, und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein derartiges durch entsprechendes Beweisanbot untermauertes und vor allem konkretisiertes Vorbringen erstattete der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsstrafakten bisher nicht. Das in seiner Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis erstattete Vorbringen, ein Entgelt sei nicht verlangt worden "bzw. war dieses Entgelt so gering, daß nicht einmal die Selbstkosten gedeckt waren" entbehrt der erforderlichen Konkretisierung.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Beschuldigtenverantwortung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040150.X00

Im RIS seit

05.11.1991

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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