TE Vwgh Erkenntnis 1991/11/6 91/13/0173

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Veröffentlicht am 06.11.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
33 Bewertungsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §200 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §97 Abs1;
BewG 1955 §14 Abs1;
BewG 1955 §57 Abs1;
BewG 1955 §64 Abs2;
VwRallg;
ZustG §13 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dipl. Ing. O in X, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld (Berufungssenat VII) vom 3. Juni 1991,

Zlen. 6/4-4066/90-01, 6/4-4075/91-01, betreffend Vermögensteuer zum 1.1.1983, 1.1.1984, 1.1.1986 und 1.1.1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Zivilingenieur, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter und Einkünfte aus Kapitalvermögen. In den Jahren 1982 und 1983 fand bei ihm eine die Jahre 1975 bis 1981 umfassende abgabenbehördliche Prüfung statt, die 1983 zu einer bescheidmäßig festgesetzten Steuernachforderung (Einkommensteuer und Umsatzsteuer) für die Streitjahre in Höhe von S 2,646.133,-- führte. Gegen diese Steuernachforderungsbescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung.

In seinen Vermögensteuererklärungen zum 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1986 und 1. Jänner 1989 machte der Beschwerdeführer den Abzug der Steuerschulden, die sich aus den Steuernachforderungsbescheiden ergaben, geltend. Das Finanzamt trug diesem Abzugsbegehren in den Vermögensteuerbescheiden zum Veranlagungszeitpunkt 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1984 und 1. Jänner 1986 Rechnung. Diese Vermögensteuerbescheide wurden gemäß § 200 Abs. 1 BAO mit der Begründung vorläufig erlassen, daß die Abgabenschuld zu den jeweiligen Veranlagungszeitpunkten noch nicht feststehe.

Mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. September 1989, Zl. 6/4-4160/86-04, wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen die Steuernachforderungsbescheide aus dem Jahre 1983 teilweise stattgegeben; auf Grund dieser Berufungsentscheidung ergab sich hinsichtlich der Steuerforderungen für die Jahre 1975 bis 1981 eine Steuergutschrift in Höhe von S 2,080.054,--.

Das Finanzamt erließ daraufhin im November 1989 endgültige Steuerbescheide betreffend die Vermögensteuer ab 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1984 und 1. Jänner 1986; im Februar 1991 folgte der Vermögensteuerbescheid für den Veranlagungszeitpunkt 1. Jänner 1989.

In diesen Vermögensteuerbescheiden wurde jeweils die aus der Berufungsentscheidung vom 25. September 1989 resultierende Steuergutschrift von S 2,080.054,-- als sonstiges Vermögen angesetzt.

Gegen diese Vermögensteuerbescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung. Die Berufung gegen die Vermögensteuerbescheide zum 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1984 und 1. Jänner 1986 wurde mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1991 wurden die Berufungen abgewiesen. Die Steuergutschrift zu den Stichtagen 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1984, 1. Jänner 1986 und 1. Jänner 1989 wurde nicht als sonstiges Vermögen im Sinne des § 69 BewG 1955 angesetzt, sondern die Schulden aus laufend veranlagten Steuern um den Rückerstattungsanspruch gekürzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, mit der seine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, der Ansatz der erfolgten Steuergutschrift sei erst nach erfolgter Berufungsentscheidung (25.9.1989), somit erstmalig in der Vermögensteuererklärung zum 1. Jänner 1990 zu berücksichtigen. Der Ansatz einer Steuergutschrift zu den Stichtagen vor der stattgebenden Berufungsentscheidung als "sonstiges Vermögen" widerspreche der Logik eines zu diesem Stichtag verfügbaren und verwertbaren Vermögensgegenstandes oder -wertes. "Sonstige Vermögenswerte", über die man erst im September 1989 verfügen könne, könnten nicht schon Jahre vorher zu einem steuerpflichtigen Vermögensgegenstand werden. Dieser Rechtsansicht sei seinerzeit auch der Reichsfinanzhof in seinem Urteil vom 24. November 1932, RStBl. 1933, S. 208 gefolgt. Dieses Urteil sei auch im Kommentar "Thormann" verarbeitet und die darin zum Ausdruck gebrachte Auffassung sei erst kürzlich von Prof. Köglberger in einem Artikel zu "Steuer- und Beratung" vom Jänner 1990 neuerlich vertreten worden. Wenn auch das Urteil des RFH zu einer anderen Rechtslage ergangen sei, sei doch der Grundgedanke weiter existent und daher auf den vorliegenden Fall anwendbar. Nach Ansicht der belangten Behörde sei die Forderung des Beschwerdeführers aus dem Titel der im Rechtsmittelverfahren herabgesetzten Steuerforderung auf Grund der Berufungsentscheidung ex lege mit dem Ablauf der für die Festsetzung der Einkommensteuerschulden 1975 bis 1981 maßgeblichen Kalenderjahre entstanden, jedenfalls vor den Stichtagen 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1984, 1. Jänner 1986 und 1. Jänner 1989. Der Beschwerdeführer habe aber mit dieser Forderung als "sonstiges Vermögen" zu diesen Stichtagen nichts anfangen können, da er einerseits vom Finanzamt gezwungen worden sei, seine Steuerschulden zu bezahlen und damit eine Verminderung von Abzugsposten herbeizuführen, andererseits diese angeblich bereits bestehende Forderung auch keinesfalls anders verwertbar gewesen sei. Die im Kommentar Twaroch-Frühwald-Wittmann zum Bewertungsgesetz dargestellte Ansicht, daß ein Steuererstattungsanspruch bewertungsrechtlich bereits mit seinem Entstehen dem Grund nach zu erfassen sei, beziehe sich nur auf laufende Abgaben (Köst- und Gewerbesteuervorauszahlungen), nicht aber auf in Rechtsmittel verfangene Abgaben.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat die belangte Behörde die Steuergutschrift, die sich aus der Berufungsentscheidung vom 25. September 1989 ergeben hat, nicht als sonstiges Vermögen im Sinne des § 69 BewG 1955 angesetzt, sondern die Schulden aus laufend veranlagten Steuern um den Betrag der Gutschrift vermindert.

Nach § 77 Abs. 1 Z. 1 BewG 1955 sind zur Ermittlung des Wertes des Gesamtvermögens vom Rohvermögen die Schulden abzuziehen; die Bestimmungen des § 64 Abs. 2 gelten sinngemäß.

§ 64 Abs. 2 macht den Abzug von Schulden aus laufend veranlagten Steuern davon abhängig, daß die Steuern entweder spätestens im Feststellungszeitpunkt fällig geworden sind oder

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bei späterer Fälligkeit - für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im Feststellungszeitraum geendet hat. An die Stelle des Feststellungszeitpunktes tritt bei der Ermittlung des Gesamtvermögens für Zwecke der Vermögensteuer der Veranlagungszeitpunkt (vgl. § 12 Abs. 2, § 13 Abs. 3 und § 14 Abs. 2 VStG). Der Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. September 1989, betreffend die Steuernachforderung für die Jahre 1975 bis 1981, wurde mit seiner Zustellung an den Beschwerdeführer nach außen hin wirksam. Das bedeutet aber nicht, daß dieser Bescheid Rechtswirkungen nur ab diesem Zeitpunkt für die Zukunft entfalten konnte. Gegenstand der Berufungsentscheidung war - ebenso wie im erstinstanzlichen Verfahren - der Umfang der Steuerpflicht des Beschwerdeführers für die Jahre 1975 bis 1981. Mit der Erlassung des Berufungsbescheides schieden die erstinstanzlichen Bescheide aus dem Rechtsbestand aus; an ihre Stelle trat der Berufungsbescheid. Dieser gestaltet die Rechtslage für einen vor seiner Erlassung liegenden Zeitraum und wirkt insoweit

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nicht anders als auch die erstinstanzlichen Bescheide - auf die Zeit vor seiner Erlassung zurück.

Das Finanzamt hat die Vermögensteuerbescheide zum 1. Jänner 1983, 1. Jänner 1984 und 1. Jänner 1986 gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassen; der Vermögensteuerbescheid zum 1. Jänner 1989 erging, nachdem die Berufungsentscheidung vom 25. September 1989, betreffend Steuernachforderung für den Streitzeitraum 1975 bis 1981, ergangen war. Bei der (endgültigen) Festsetzung der Vermögensteuer fanden daher die Abgabenbehörde erster Instanz und ebenso die belangte Behörde die durch den erwähnten Berufungsbescheid gestaltete Sach- und Rechtslage vor. Nur diese konnte für sie bei ihrer Entscheidung verbindlich sein, während die erstinstanzlichen Bescheide auf Grund ihres Ausscheidens aus der Rechtsordnung keinerlei Tatbestandswirkungen mehr entfalten konnten. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die absetzbaren Schulden um die Steuergutschrift vermindert.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Belegstellen (Köglberger, Einheitsbewertung - Aktueller Stand, Steuer und Beratung, Jänner 1990, S. 22; RFH vom 24. November 1932, RStBl. 1933, S. 208; Thormann, Die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, S. 176 f) behandeln keinen Fall, in dem (endgültige) Vermögensteuerfestsetzungen erst NACH einer Berufungsentscheidung über als Schulden zu berücksichtigende Abgaben erfolgten.

Hingegen vertreten Gürsching/Stenger in ihrem Kommentar zu § 105 des (deutschen) Bewertungsgesetzes die Auffassung, daß dann, wenn über betriebliche Steuerschulden ein Rechtsstreit geführt wird, eine rückwirkende Berücksichtigung der Rechtsmittelentscheidung dann möglich ist, wenn die Feststellung des Betriebsvermögens verfahrensrechtlich (nur) vorläufig erfolgte (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., Anm. 34 ff zu § 105 Bewertungsgesetz). Dies entspricht auch der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991130173.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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