TE Vwgh Beschluss 1991/11/12 91/07/0081

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Veröffentlicht am 12.11.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

B-VG Art83 Abs1;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §117 Abs1 idF 1988/693;
WRG 1959 §117 Abs1 idF 1988/695;
WRG 1959 §117 Abs1;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRGNov 1988;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, in der Beschwerdesache des A in T, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (Baurechtsamt als Wasserrechtsbehörde erster Instanz) vom 24. April 1991, Zl. 501/Wa, betreffend Kostenersatz nach § 31 Abs. 3 WRG 1959, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 verpflichtet, die für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen aufgelaufenen Kosten in der Höhe von S 138.471,60 zu ersetzen. Diese Sanierungsmaßnahmen durch eine Firma S Gesellschaft m.b.H. seien notwendig geworden, weil der Beschwerdeführer ihm unmittelbar aufgetragene Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung nicht durchgeführt habe.

Die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid lautet:

"Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig."

Außerdem enthält dieser Bescheid den Hinweis:

"Der Bescheid tritt außer Kraft, soweit innerhalb von zwei Monaten nach Zustellen dieses Bescheides das zuständige Bezirksgericht angerufen wird.

Ferner kann innerhalb von sechs Wochen eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterfertigt sein."

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde erhoben, in welcher er Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Er fühlt sich insbesondere in seinem Recht darauf verletzt, nicht als Verpflichteter zum Ersatz von Kosten gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 herangezogen zu werden.

Dem Verwaltungsgerichtshof ist es aus den nachstehenden Erwägungen verwehrt, auf das zur Sache erstattete Beschwerdevorbringen einzugehen. Bei der gegebenen Rechtslage erweist sich nämlich eine Bekämpfung des angefochtenen Bescheides durch Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof als unzulässig. Maßgebend dafür ist die Frage der Anwendbarkeit des § 117 WRG 1959 auf bescheidmäßige Vorschreibungen für den Ersatz von Kosten, die im Zuge von auf

§ 31 Abs. 3 WRG 1959 gegründeten behördlich angeordneten Maßnahmen erwachsen sind. Die maßgeblichen Passagen dieser beiden Gesetzesstellen lauten:

§ 31 Abs. 3 WRG 1959: Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen ist, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen ERSATZ DER KOSTEN (Großdruck eingefügt) durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

§ 117 Abs. 1 WRG 1959: Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und KOSTEN (Großdruck eingefügt), die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde.

§ 117 Abs. 4 WRG 1959: Gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 ist eine Berufung nicht zulässig. Die Entscheidung tritt außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt mangels anderweitiger Vereinbarung die wasserrechtsbehördlich festgelegte Leistung als vereinbart. Hat nur der durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte das Gericht angerufen, so darf das Gericht die Entschädigung nicht höher festsetzen, als sie im Bescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzt war; hat nur der Enteignete das Gericht angerufen, so darf es die Entschädigung nicht niedriger festsetzen. Dies gilt sinngemäß für die Festsetzung von Ersätzen, Beiträgen und KOSTEN (Großdruck eingefügt).

Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, daß in der in den Erläuterungen zur Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988 - mit dieser wurde § 117 Abs. 1 neu gefaßt und Abs. 4 neu eingeführt - enthaltenen (demonstrativen) Auflistung der Anwendungsfälle der sukzessiven Gerichtszuständigkeit die Kostenersatzverpflichtung nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 nicht angeführt ist. Dies allein berechtigt aber nicht zu der Annahme, § 117 WRG 1959 sei auf Kostenersatzverpflichtungen gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 nicht anwendbar. Die mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988 eingeführte Regelung über die Leistung von "Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten" erwies sich zufolge der Erläuterungen zu dieser Novelle deshalb als erforderlich, weil der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1988, Slg. 11760, die auf Entschädigungen bezüglichen Wortfolgen und Hinweise insbesondere auch in § 117 Abs. 1 WRG 1959 als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Dieses Erkenntnis hatte der Verfassungsgerichtshof im wesentlichen damit begründet, daß der Entschädigungsanspruch im Gefolge einer Enteignung - im Gegensatz zu Streitigkeiten, die lediglich Auswirkungen auf "civil rights" haben - dem Bereich des herkömmlichen Zivilrechtes (Kernbereich der "civil rights") zuzuzählen sei. Da gemäß dem im Verfassungsrang stehenden Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) über "civil rights" - und somit über Ansprüche auf Enteignungsentschädigung - "von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden müsse, und die bloß nachprüfende, eine selbständige Feststellung der Tatfrage nicht vorsehende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung nicht erfülle, seien die die Enteignungsentschädigung ausschließlich den Verwaltungsbehörden überantwortenden Regelungen des WRG 1959 verfassungswidrig.

    Der Gesetzgeber hat mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988

- wie sich aus deren Erläuterungen ergibt - angestrebt, eine

verfassungskonforme Regelung der Festlegung von

Enteignungsentschädigungen zu treffen und hat, um diese dem

Zivilrecht zuzurechnenden Angelegenheiten nicht der

Gerichtsbarkeit zu entziehen, einem im angeführten Erkenntnis

des Verfassungsgerichtshofes enthaltenen Hinweis folgend für

diese Angelegenheiten die in § 117 Abs. 4 WRG 1959 geregelte

sukzessive Gerichtszuständigkeit eingeführt. Indes ergibt sich

aus Abs. 1 im Zusammenhalt mit Abs. 4 dieses Paragraphen, daß

die sukzessive Gerichtszuständigkeit nicht nur für

Entschädigungen, sondern auch für "Kosten, die ... in diesem

Bundesgesetz ... vorgesehen sind", gelten soll. In § 31 Abs. 3

leg. cit. wird der Ausdruck "Kosten" verwendet, ohne daß dem

Gesetz eine Sonderregelung für die behördliche Auferlegung

dieser Kosten entnommen werden könnte. Schon das deutet darauf

hin, daß unter dem in § 117 leg. cit. verwendeten Begriff

"Kosten" auch solche Kosten verstanden werden müssen, die bei

der Durchführung von gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 behördlich

angeordneten Maßnahmen zur Hintanhaltung der Gefahr einer

Gewässerverunreinigung entstehen. Allerdings stehen im Fall der

Vorschreibung von Kosten gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. nicht - so

wie im Fall einer Enteignungsentschädigung - zwei grundsätzlich

gleichberechtigte Parteien ("Bürger 'unter sich'") einander

gegenüber, sondern es tritt auf der einen Seite die staatliche

Gewalt mit imperialer Befugnis dem normunterworfenen

Verpflichteten auf der anderen Seite gegenüber. Demgemäß kann

die Vorschreibung von Kosten gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. nicht

dem herkömmlichen Zivilrecht und somit auch nicht dem

Kernbereich der "civil rights" zugerechnet werden. Damit im

Einklang steht das in den Erläuterungen zur

Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988 angeführte Motiv der Neufassung

des § 117 WRG 1959, wonach die Eröffnung einer

Anrufungsmöglichkeit der Gerichte für

Enteignungsentschädigungen und sohin die Einrichtung einer

sukzessiven Gerichtszuständigkeit für solche Angelegenheiten

die Einführung der Gerichtszuständigkeit auch für Kosten von

gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit behördlich angeordneten Maßnahmen

nicht umfassen würde. Dem kommt indes deshalb keine

entscheidende Bedeutung zu, weil dem unzweideutigen Wortlaut

des § 117 Abs. 1 leg. cit. gegenüber diesen davon abweichenden

Ausführungen in den Erläuterungen der Vorzug gebührt.

Daraus folgt, daß mit der angeführten Gesetzesnovelle auch für die Entscheidung über Kosten nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 die sukzessive Gerichtszuständigkeit eingeführt wurde. Eine derartige Übertragung von Angelegenheiten des Verwaltungsrechtes an die ordentlichen Gerichte war dem Gesetzgeber auch nicht etwa aus verfassungsrechtlichen Überlegungen verwehrt, weil die österreichische Verfassung kein Verbot der Übertragung der Entscheidung über öffentlich-rechtliche Verhältnisse an die Gerichte enthält (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1965, Slg. 5007). Vielmehr richtet sich die Frage, ob eine Rechtssache vor ein Gericht oder vor eine Verwaltungsbehörde gehört, in erster Linie nach der positiven Anordnung des Gesetzgebers (vgl. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechtes2, Manz, Wien 1990, Rz 98).

Die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid ist daher zutreffend. Soweit im Anschluß an diese auf die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wurde, steht dies jedoch nicht mit der Rechtslage im Einklang, weil die durch § 117 Abs. 4 WRG 1959 eröffnete Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichte insoweit die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausschließt (vgl. dazu den zur Entschädigungsregelung des § 49 des Kärntner Naturschutzgesetzes ergangenen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181).

Ist aber demnach eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den im vorliegenden Fall angefochtenen Bescheid der Wasserrechtsbehörde erster Instanz unzulässig, dann mußte die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückgewiesen werden.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Gerichtliche oder schiedsgerichtliche Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991070081.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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